Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Zum 9. Dezember geht es darum, wie Tobias seine Lust am Spielen wieder entdeckte …
Helden – Bekenntnisse eines Gears-of-War-Fanboys
Gastbeitrag von Tobias Stich, Journalist und Fotograf, arbeitet für eine große Tageszeitung und bloggt privat unter Eddys Welt.
Ich würde ja wirklich zu gerne von mir behaupten, dass ich ein eingefleischter Gamer bin. Einer der Verrückten, die schon mit elf ihren eigenen Amiga aufgebohrt oder endlose Abende mit Mario und Sonic auf diversen Steinzeitkonsolen verzockt haben; damals, als man die klobigen Dinger noch über den Antennenanschluss betreiben musste. Zu meinem großen Bedauern muss ich allerdings gestehen, dass ich nie einer von „denen“ war. Ich hatte nur einen gebrauchten Gameboy. Und einen Uralt-PC, auf dem „Duke Nukem 3D“ gerade so lief. Und irgendwann eine Playstation 1, auf der Lara umherhüpfte oder Zombies schlurften. Auch die setzte irgendwann Staub an. Genau wie mein Drang einen Controller in die Hände zu nehmen. Bis zu dieser schicksalshaften Nacht im Januar 2008. Ein Blick zurück.
Es ist kalt. Draußen. Nacht. Tiefster Winter. Für hessische Verhältnisse liegt abartig viel Schnee. In einer kleinen, wohlig warmen Altbauwohnung in Darmstadt sitzen zwei junge Männer. Studienkollegen. Freunde. Der Röhrenfernseher, der den sonst dunklen Raum in flimmerndes Licht taucht, hat schon bessere Zeiten erlebt. In der Luft liegt der Duft von Fertigpizza, abgestandener Cola, Bier, Snickers, Rauch und Hasenscheiße. Die röhrende Xbox 360 ist lauter als die leisen Fernsehlautsprecher, die den Sound des Kettensägenbajonetts beinahe flüstern. Dann reißt ein Siegesschrei die sonst stille Nacht in Fetzen: „JAAAAAAARRRR!“ Nur Sekunden später knarzen die alten Holzdielen. Eine junge Frau steht in der Tür. Sie sieht mitgenommen aus, ihr Haar ist zerzaust, der übergroße Pyjama sitzt schief. Sie: „MANN!!! Morgen is Uni, verdammt, macht doch mal leiser!“ Wir: „Hau ab! Mensch Mädel, wir haben hier nen Auftrag!“ Sie: „Ach, ihr Zwei spinnt doch!“
So oder so in der Art, unter Berücksichtigung literarischer Freiheiten, hat sich das damals abgespielt, als ich nach Jahren der Abstinenz wieder einen Controller in Händen hielt. Heiß gemacht hatte mich ein Trailer und das Versprechen eines Freundes, dass ich es nicht bereuen würde. Rund neun Stunden später lag der Endgegner am Boden, die Xbox durfte endlich abkühlen und zwei Überlebende sahen draußen in der frischen Luft die Sonne aufgehen. Eine Siegerzigarre hat seitdem nie wieder so gut geschmeckt.
Was in den Jahren darauf folgte, war mein persönliches Revival der Spielkultur. Erst wurde eine 360 gekauft, dann nach und nach mehr Spiele. Gute Spiele, die über Stunden, Tage, Wochen fesselten.
Doch nichts hat seitdem dieses erste Erlebnis mit einem hierzulande nach wie vor indizierten Shooter emotional toppen können. Nicht, weil dieser Shooter so individuell wäre, so innovativ oder gar narrativ wertvoll. Es bedarf schon eines speziellen Humors, über Stunden auf den gestählten Rücken eines Steroid-Opfers zu glotzen, das mit perverser Kriegsmaschinerie durch eine Welt voller Brauntöne stolpert, nur um potthässlichen Monster-Abschaum zu zerlegen. Vielmehr war es die faszinierende Tatsache, diesen gamegewordenen Actionfilm gemeinsam zu bezwingen. Und das am besten in der Königsdisziplin, dem höchsten Schwierigkeitsgrad: Insane. Um auf dieser Stufe überhaupt Erfolg haben zu können, muss man die Spielmechanik verinnerlichen, die jeweilige Situation schnell erfassen und sich ausgefeilte Taktiken aneignen. So hangelt man sich von Tür zu Tür, von Deckung zu Deckung, immer zusammen, immer absichernd, mal Rücken an Rücken, mal den Gegner flankierend, aber stets nah beieinander, um im Fall der Fälle den Arsch des Mitstreiters im letzten Augenblick noch retten zu können. Nach Stunden spielt man wie in Trance, nur das eine Ziel vor Augen, den Erfolg zu holen. Der Achievement-Sound wird zur Erlösung.
Gut drei Jahre später befinden wir uns in der Gegenwart. Die Altbauwohnung in Darmstadt wird längst nicht mehr von den einstigen Siegesschreien erfüllt. Die Wege haben sich getrennt. Die Spiele, die sind allerdings geblieben. Und auch wenn die beiden jungen Männer von damals eine Entfernung von Hunderten Kilometern trennt, sind sie immer noch Freunde. Bessere denn je. Womit wir zum Schluss auch endlich beim Thema wären. Beschäftigt haben mich auch 2011 viele Spiele. Es waren großartige dabei. Bulletstorm, Batman: Arkham City, Uncharted 3, Resistance 3, nur um ein paar zu nennen. Doch eines hat sie wieder einmal alle getoppt; und das aus rein emotionalen Gründen: „Gears of War 3“.
Selten schafft es ein Spiel, mich derart einzunehmen. Gears 3 hat es geschafft. Es hat mich gut zwölf Stunden vor der Leinwand gehalten, von der ersten bis zur letzten Minute. Ohne Unterbrechung. Und das zur Abwechslung mit einer tiefgehenden Geschichte, einer bunteren Spielwelt und Momenten, die gleichermaßen zu Tränen der Trauer und der Freude rührten. Dies schaffen wirklich nur ganz wenige Games. Ein durchaus würdiger Abschluss einer grandiosen Spiele-Trilogie, wahrlich. Doch mein persönlicher, großer Spiele-Moment in diesem Jahr wird erst noch kommen. Er kommt dann, wenn die Helden von einst wieder vereint sind und nebeneinander auf der Couch sitzen. Wenn erneut der Duft italienischer Teigscheiben und bayerischer Hopfenkaltgetränke in der Luft liegt. Wenn die 360 röhrt, die Lancer rattern und die weißen Controller fest in den Händen liegen. Denn da steht noch was aus. Zum dritten Mal. Ein Auftrag. Insane.
4 Kommentare
Ich zitiere mich:
[quote]Das erste mal aufmerksam wurde ich auf Gears of War, als der erste Trailer zu dem Spiel erschien. Dieser war nämlich so doof, dass er fast schon wieder lustig war und deswegen auch gleich in parodierter Form seine Runde macht. Da wurde statt der normalen Musikuntermalung (Mad World) eine Polka von Weird Al Yankovic verwendet und trotzdem passte es fast perfekt.[/quote]
So können die Meinungen auseinander gehen. ;)
Gears ist so ein wenig der beste Hirn-aus-Lancer-an-Shooter: vergessen, wie dünn die Story ist, wohlwollend übersehen, wie restlos überzeichnet die Charaktere daherkommen (schön gesagt bei Zero Punctuation: “Guys wearing half a car as an armor”), dann geht das ganz prima. Ach ja: viel Bier. Das macht’s erträglich.
Viel Bier und einen Partner für den Koop. Im Singleplayer hätte ich das nicht ertragen.
indeed!!! die großartigsten Gears “auf INSANE-COOP” Momente Teile ich übrigens mit einer Polynesin, gott allein weiß wieviel Handschweiß, Adrenalin und endorphine über die spieldauer produziert wurde.