Daniel: Oh, falsches Spiel. Auf ein neues Abenteuer mit Mr. Freeman müssen wir wohl noch lange warten, aber Alan Wake, der nette Autor mit den Schattenkomplexen ist zurück. Diesmal treibt ihn seine eigene, durch dunkle Magie beeinflusste Phantasie in die staubige Wüste Amerikas, in seinen persönlichen American Nightmare.
Warum nun diese Verbindung zu Half-Life 2 und den dort erklingenden Eröffnungsworten? War ich etwa in einer Zeitschleife gefangen und mal wieder im Jahr 2004? Sollte ich alle acht Jahre wieder erwachen und den Release von Half-Life 2 miterleben? Bei mir kam diese Assoziation zustande, als Alan Wake in seinem neusten DLC-Abenteuer immer wieder aus einer Ohnmacht aufwacht und sich immer wieder den roten Staub von der Kleidung klopft. Abgesehen davon haben die beiden Spiele allerdings nichts miteinander zu tun.
Alan hängt also noch immer in seinem Kopf, in seiner dunklen Phantasie, irgendwo ab, wo er Dinge durch seine eigenen geschriebenen Worte verändern kann und gleichzeitig von dunklen Schattenwesen angegriffen wird. Ich gebe zu, dass ich schon die Story des Hauptspiels nicht ganz durchschaut habe, mir aber Atmosphäre und Peng-Peng sehr gut gefielen. Deswegen freute ich mich auch auf diesen quasi zweiten Teil in Download-Form und wollte wieder mit der Taschenlampe durch dunkle Orte wandern. Dazu noch ein bisschen Peng-Peng und ich bin zufrieden.
Mit dieser Erwartungshaltung kann ich nun sehr gutmütig auf die verbrachten Spielstunden im American Nightmare zurückblicken. Was genau das alles auf dem Bildschirm bedeutete, war mir nicht klar, aber die Taschenlampe wurde ordentlich geleuchtet und die Schrotflinte mächtig durchgeladen. Nur wenige Aktionen in der Videospielwelt sorgen für solche Genugtuung, wie das Herunterbrennen der Dunkelheit von einem heranstürmenden Axt schwingenden Feuerwehrmann und der anschließenden Entladung einer doppelten Ladung Schrot in dessen Gesicht, was schließlich für ein glitzerndes Feuerwerk an goldenen Staubkörnern sorgt.
Action ist Trumpf und wohliges Gruseln muss hinten anstehen. Das ist in der Story-Kampagne so, die sich etwas quälend durch drei sich wiederholende Örtlichkeiten schleppt, und das ist erst recht im neuen Arcade-Modus so. Dort muss auf verschiedenen Karten gegen eine stetige Übermacht an Gegner bestanden werden, bis der lebensrettende Sonnenaufgang alle Widersacher niederstreckt. Wer länger überlebt, wenig Schaden nimmt und selbst viel Schaden austeilt, der bekommt die höchste Punktzahl und kann damit auf der weltweiten Online-Rangliste angeben.
Was sich zunächst wenig spektakulär anhört, kann für schweißnasse Finger und rasende Herzen sorgen, wenn die Uhr noch eine Minute bis Sonnenaufgang anzeigt, die eigene Munition zur Neige geht und man langsam von allen Seiten eingekreist wird. Für eine richtige Highscore-Sucht hat der Modus bei mir nicht gesorgt, aber die zwei drei Stunden, welche ich in ihn investiert habe, waren packender und spaßiger als die zähe und doppelt so lange Kampagne.
Bleibt am Ende zu begrüßen, dass Remedy mit Alan Wake, den zugehörigen zwei DLC-Packs und nun diesem Download-Only-Titel wohl ausreichend Erfolg hat, um die Geschichte von Alan noch weiter auszubauen. Denn auch am Ende von American Nightmare heißt es wieder: “Alan Wake’s journey through the night will continue.”
Manu: Im Gegensatz zu Kollege Daniel hat mich Alan Wake’s American Nightmare eher enttäuscht, und das, obwohl mir sehr wohl bewusst war, dass Remedy mit diesem Spin-Off keine Fortsetzung des grandiosen Hauptspiels abliefern wollte. Schon alleine das vielversprechende, virtuelle Cover mit dem Nagelpistole bewaffneten Alan im Holzfäller-Hemd! Gepaart mit der Idee, das Spiel innerhalb der trashigen In-Game-Serie “Night Springs” zu erzählen und die wunderbar skurrilen Mr. Scratch-Trailer – oh, hätte diese Mischung gut werden können!
Leider bleibt im eigentlich Spiel davon wenig übrig. Dass die Action im Vordergrund steht, war mir klar und dagegen hatte ich auch nichts einzuwenden, da mir die Mechanik mit der Lampe ebenso wie meinem Vorredner nie langweilig wurde. Weniger Geballere wäre auch dem offensichtlich angestrebten Grindhouse/Pulp-Stil nicht gerecht geworden. Doch warum muss ich dann als heldenhafter Wächter des Lichts so banale und archaische Videospiel-Dinge tun wie Ventile suchen, Sicherungskästen aktivieren und Ersatzteile aus dem Kofferraum einer bebrillten Forscherin holen? Die Aufgabenstellungen in der kurzen Kampagne sind so konträr zur dramatischen Bedrohung der Schattenwesen – vor allem, da ich diese alltäglichen Erledigungen in kurzer Reihenfolge fast drei mal identisch hintereinander machen muss. Dabei stört mich gar nicht mal die grundsätzliche Idee mit der Murmeltier-Zeitschleife, die ich durchaus charmant und passend finde, sondern dass aus dieser Idee so wenig rausgeholt wurde.
Auch die Dialoge mit den drei Damen vom Grill in diesem Spiel lassen mir zwischen den spannenden Kämpfen fast das Gesicht einschlafen. Dabei sind die Figuren toll synchronisiert und die Dialogzeilen haben Witz – aber die Inszenierung dazu fehlt. Die Figuren stehen steif am Fleck und rühren sich nicht, während ich gelangweilt mit Alan derweil den Raum nach weiteren Manuskriptseiten durchsuche.
Das eindeutige Highlight sind die kurzen, Briefmarken-großen Video-Auftritte an den verstreut aufgestellten TV-Geräten von Mr. Scratch – Alans fiesem Doppelgänger (großartig gespielt von Ilkka Villi), welcher die Fäden als Antagonist in diesem Kapitel zieht. Davon hätte ich mir mehr gewünscht.
Insgesamt ist Alans amerikanische Nachtmahr, wie ich finde, kein sehr rundes Paket geworden. Für ein Grindhouse-SpinOff im Alan Wake-Universum fehlt es an Action, Blut und der Extra-Portion Selbstironie – als weitere Horror-Episode im Geiste des Hauptspiels sind die Aufgaben zu banal, die Locations zu leer und die Figuren zu hölzern. Als reiner Arcade-Titel dagegen fehlt mir im Horde-Modus eindeutig der gemeinsame Multiplayer. Dank Mr. Scratch und der für mich sehr befriedigenden “Schatten vom Pelz brennen”-Mechanik hat es sich für mich als großer Fan des Hauptspiels trotzdem gelohnt, aber da wäre noch deutlich mehr drin gewesen.
1 Kommentar
Toller Bericht und interessante Infos. Ich persönlich bin noch zögerlich ob ich es zocken soll oder nicht. Na ja, mal sehen.
Dankeschön für die Eindrücke ins Game.