Auch wenn wir die Protagonistin Prim noch gar nicht kennen, sehen wir schon ihre Mutter sterben. Sie ist im Übergang zum Totenreich und wird dort von Thanatos, dem Totengott, empfangen. Dieser tut das aber nicht für jede*n. Wie wir erfahren, waren die beiden ein Paar und haben ein Kind zusammen. Jetzt wo ihre Mutter Morwen nicht mehr bei ihr ist, soll sich Thanatos um sie kümmern, der sich aus Gründen, die wir erst später verstehen werden, erstmal sehr sträubt, aber dann doch zusagt.
Etwas heiterer trifft man danach auch endlich Prim und darf sich direkt an der Point & Click-Mechanik und an einer Grafik, die ein wenig an eine freundliche Version von Tim Burton-Filmen erinnert, erfreuen. Das Mädchen wohnt inzwischen schon seit einigen Wochen bei der Familie ihres besten Freundes Tristan direkt im Haus gegenüber und fängt gerade an, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Ihr Leben geht weiter, aber trotzdem will sie noch mal auf ihrem alten Dachboden die Dinge ihrer Mutter durchstöbern. Und genau in dem Moment taucht ihr Vater auf, von dem sie bisher nichts weiß und reißt sie aus allem raus. Thanatos nimmt sie einfach mit in sein Reich, wovon die Teenagerin verständlicherweise erstmal wenig begeistert ist.
Ständig versucht sie zu Tristan auszubüxen, was schon allein wegen ihrer körperlichen Veränderungen (sie ist ja jetzt halbtot – Nein, ich weiß auch nicht, wie genau das funktioniert) nur so mäßig praktikabel wäre. Thanatos sperrt sie als super hilfreiche Erziehungsmaßnahme in ihr Zimmer ein, wo man auch das kleine Helferchen des Spiels kennenlernt, nämlich ein Auge mit Spinnenbeinen. Am Anfang ist es etwas gewöhnungsbedürftig, da es Prims Auge durch sich selbst ersetzt, aber was macht man nicht alles mit im Totenreich! Unser Helferlein versorgt uns auf Wunsch mit kleinen Glühwürmchen, die als Hotspots und Rätselhilfe dienen, was tatsächlich sehr praktisch ist.
Vom Schicksal in die sprichwörtliche Hölle geworfen, lernt Prim die drei Schicksalsgöttinnen und viele andere mythische Figuren kennen, die sich alle doch als etwas anders herausstellen, als ich mir das vorher so gedacht hätte und auch alle irgendwie ein mehr oder weniger normales Leben führen, z.B. geht Persephone gerne mit ihrem wirklich süßen Höllenhund Gassi. Die Stimmung ist zwar oft lustig, aber dem Thema geschuldet auch streckenweise ziemlich tragisch. Einerseits versucht Prim ja noch, den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten, dann sich in ihr neues halbtotes Leben hineinzufinden. Außerdem läuft auch alles irgendwie nicht so wie geplant, als sie es endlich schafft, Tristan wiederzufinden. Das schafft noch mal ein neues großes Problem, das es zu lösen gilt. Dabei ist die Pubertät auch schon ohne all das wirklich schwer genug!
Ihre Tante Ceres steht ihr zwar die ganze Zeit mit Rat zur Seite, um ihre Probleme zu lösen, allerdings hat sie wohl schlimme Gedächtnisprobleme. Wie die sich genau darstellen, habe ich nicht wirklich rausfinden können, denn sie scheint sich an ziemlich alles erinnern zu können, sogar an Kindheitserlebnisse, nur an dieses eine wichtige Rezept, das wir brauchen, nicht mehr. Sehr schade!
Neben dem Point & Click gibt es sogar noch ein zweites Spiel im Spiel. Um einen Gefallen einfordern zu können, müssen wir den Sargball-Champion (engl. Casketball, höhö) besiegen, der sich als Thanatos herausstellt. Sargball ist DAS Kartenspiel im Totenreich, alle coolen Leute spielen das und gegen diese müssen wir nun ein bisschen Beleidigungsfechten-mäßig trainieren. Erstmal brauchen wir aber das Starter Deck, das aus 8 Karten besteht. Die sind über alle Bildschirme verteilt und mit etwas aufmerksamerem Auge als meinem kann man sie vermutlich auch relativ einfach finden. Ich hab dafür allerdings eine Weile gebraucht und viele Pixel gehunted, da sie ganz gut versteckt sind. Das Spinnenäuglein hat mir dabei leider nicht mit Hotspots geholfen, was auch verständlich ist, da die Suchaufgabe wenig herausfordernd gewesen wäre, wenn ich einfach durch einen Tastendruck hätte herausfinden können, wo jede Karte ist. Trotzdem hat dieser Punkt mich etwas Nerven gekostet. Wenn man mit Controller spielt, sieht das schon ganz anders aus. Mit Schultertasten kann man sich nämlich durch alle Gegenstände durchklicken.
Wenn man dann aber zum Sargball-Spielen kommt, lernt man, dass jeder Kartencharakter vier Kategorien hat wie z.B. Geschwindigkeit oder Stärke. Man deckt eine Karte auf und sucht sich einen der Werte aus, von dem man denkt, dass er den entsprechenden des Gegners schlagen könnte. Das wird mit besseren Karten natürlich leichter. Die bekommt man nach jedem Sieg und kann sich dann zur Schwertmeisterin.. äh.. zu Thanatos hocharbeiten. Ganz unter uns kann ich euch verraten, dass ihr das Spiel gar nicht bis zum Ende durchziehen müsst, wenn ihr nicht wollt. Aber da ich ja im letzten Jahr meine Vorliebe für Kartenspiele entdeckt habe, hatte ich damit doch viel Spaß!
Das haben sich wohl auch vorab schon viele Adventure-Fans gedacht, denn das Spiel von Common Colors wurde zum Teil über Kickstarter finanziert, wo sich in nur wenigen Stunden über 2000 Unterstützer*innen gefunden haben, weswegen es auch nicht nur auf Englisch vertont wurde, sondern sogar professionelles Deutsches Voice-over bekommen hat.Das Spiel wurde also heiß erwartet und sogar als bester Prototyp beim DCP 2020 ausgezeichnet! Geplant war die Story ursprünglich ein bisschen anders. Prim wollte zwar immer schon gerne ausbüchsen, allerdings weil sie nur das Leben bei Thanatos im Totenreich kannte und die menschliche Welt kennenlernen wollte. Der neue Ansatz scheint ein paar Themen besser bearbeiten zu können. Das Leben, der Tod, Reue und die Frage danach, wie man mit all dem umgeht, ziehen sich durchs ganze Spiel. Prims persönliche Verstrickungen und Gefühle – gerade auch zu Tristan, der für ihr altes Leben steht – haben mich sehr viel mehr in die Erzählung hineingezogen, als eine reine Entdeckungsstory es vermutlich hätte tun können.
Es ist für mich definitiv eins der besseren Adventures, nicht nur aus diesem Jahr, vor allem da es den Spagat zwischen ernsten Themen und auflockerndem Humor ziemlich gut hinbekommt, ohne einen komplett auf eine Seite zu ziehen oder einen durch endlose Side-Quests zu quälen. Dass Jonas Fisch, der Gründer des Studios, als hessischer Lehrer ein Point & Click-Adventure entwickelt hat, ist, wie ich finde, so ziemlich das deutscheste überhaupt und da bin ich immer sehr dankbar, dass wir Application Systems Heidelberg haben, die sowas Tolles finanzieren!
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