Diese Besprechung beginnt mit einem Geständnis. Schließlich sind Geständnisse gerade cool. Sie machen uns ein wenig verletzlich und damit nahbarer und darum geht’s doch: Nicht immer nur so nah am besprochenen Objekt rumlungern, sondern ein wenig was von sich preisgeben und verdammt nochmal endlich Abstand zum Gegenstand gewinnen statt diesem Produktbesprechungs-Duktus. Ein Geständnis also: Ich habe bislang kaum Castlevania-Games gespielt. Yup. Damit ist es raus.
So ganz stimmt das natürlich auch wieder nicht: sicher hatte ich hier und da Kontakt, nur besessen habe ich bis Lords of Shadow keines. Warum ich das erzähle? Ganz einfach deshalb, weil diese Besprechung aufgrund des Umstandes mangelnder Serienkenntnis nicht mit Vergleichen aufwarten kann. Macht auch nix, denn ich glaube ohnehin nicht, dass es Sinn macht, eine Bewertung auf der Basis von Vergleichen mit dem oder den Vorgänger/n zu treffen. Das erscheint mir absurd, totaler Blödsinn. Als würde man seiner neuen Freundin erzählen, wie sie im Vergleich mit der Ex so abschneidet. Sinnlos, ist doch jeder Mensch einzigartig und jedes Spiel genauso. Zumindest in meiner Welt. Natürlich sieht die Realität anders aus und Modern Warfare jagt Modern Warfare, und bei näherer Betrachtung gibt’s auch im menschlichen Bereich die eine oder andere Blaupause und längst nicht jede/r ist eine schöne, einzigartige Schneeflocke. Aber das soll mich jetzt in meinem Glauben daran, dass jedes Spiel etwas eigenes hat, etwas einzigartiges, etwas, das nur dieses eine Spiel besitzt, nicht beirren. Deshalb also keine Vergleiche mit anderen Castlevania hier – ich hätte sie ja außerdem eh nicht gespielt und wenn sowas rauskommt, gibt’s wieder nur Gamer-Mimimi.
Castlevania: Lords of Shadow – Mirror of Fate ist vermutlich der schlimmste Alptraum eines jeden Teasertext schreibenden Journalisten. Wollen wir es also abkürzen mit CLoSMoF, das klingt nämlich nicht nur bescheuert, sondern illustriert aufgrund dieser Bescheuertheit ganz gut den Widersinn langer Spieletitel. Ganz der Pro erkennt der Kenner natürlich sofort, worum es hier geht – ist das Lords of Shadow im Titel doch ein Hinweis darauf, dass CLoSMoF in direkter Ahnenfolge mit dem 2010 erschienenen Lords of Shadow (PS3 / Xbox 360) steht, das inhaltlich eine Art Reboot war und sich weg vom klassischen Gameplay hin zu einer Art modernen Interpretation des Stoffs bewegt hat. Das war stellenweise – und vor allen Dingen dank des grandiosen Soundtracks von Oscar Araujo – so dermaßen grandios, dass ich nur stehenbleiben wollte und in die Landschaft glotzen. Weil es so schön war und Schönheit selten ist und ich verwechselt habe, dass nicht ich da auf einem Bergkamm stehe und auf einen Turm mit umkreisenden Krähen im Hintergrund blicke, sondern die Spielfigur das tut. Fügen sie hier einen Flow-Moment ein. Die hatte ich ständig, so restlos habe ich mich in Lords of Shadow verloren. CLoSMoF ist aber nicht nur verwandt mit dem großen Konsolen-Blutsaugergame, sondern enthält einen fiesen Spoiler für all jene, die es nicht gespielt haben – wird darin doch die Belmont’sche Familiensaga über gleich drei Generationen hinweg aufgearbeitet und wie das so ist mit Vater-Sohn-Sohn-Konflikten, es endet nicht wirklich toll. Wer also nicht aufgrund einer vorweggenommenen Story in großes Mimimi ausbrechen will, holt sich zuerst den Konsolen-Titel, sperrt sich für etwa 30 bis 40 Stunden ein, spielt den durch und greift dann zum 3DS-Ableger.
Dessen Macher sind schließlich die gleichen: Mercury Steam. Für den Mobil-Blutsauger haben die Spanier eine neue Engine entwickelt und wenn man sich für so etwas wie das technische Gerüst von Spielen begeistern kann, dann ist diese Engine vermutlich Grund zur Begeisterung und Frust gleichermaßen. Begeisterung, weil es verdammt, verdammt gut aussieht. Vor allem die Außenareale, wie etwa der Weg zu Draculas Burg und ihre gigantischen Ausmaße, sowie die düstere Farbgebung, die lediglich von kleinen, blutroten Nuancen durchbrochen wird. Da kommt schon Stimmung auf. Genau so stellt man sie sich vor, die Trutzburg irgendwo auf einem Berg im rumänischen Hinterland, umgeben von unwirtlichen, kargen Landstrichen, in die sich nicht mal ein Bär trauen würde – und ein Bär ist echt ein tougher Motherfucker. Frustrieren wird den Technik-Enthusiasten dagegen der Framerate-Einbruch und auch hier wieder ein Geständnis: Mir ist das gar nicht aufgefallen. Hätte ich nicht in einem Review drüber gelesen und dann noch in einem, es wäre mir völlig Latte gewesen. Technik und der eingangs erwähnte Vorgänger-Vergleich haben etwas gemeinsam: Sie gehören nicht zu der Art, wie ich Spiele wahrnehme. Schlimmer noch: Sobald ich irgendwo Mimimi darüber lese, wie schlecht etwas laut dem 15-jährigen Experten aussieht, der in seiner 30-jährigen Gamingkarriere schon alles gesehen und gespielt hat, nehme ich Reißaus.
Reden wir lieber über die Verliese und die Bossfights und das verdammte Backtracking, das – so liest man – ja zur Gattung des Castlevania-Metroid-Games gehört. Jeder der drei Belmonts, die im Verlauf der Story übernommen werden, verfügt eingangs noch nicht über sämtliche Möglichkeiten. Die erlangt er Stück für Stück und sobald dann eben diese Peitsche da ist, mit der man sich über Abgründe schwingen kann, kommt auch die Erinnerung hoch an jene Stelle vor 20 oder 30 oder 90 Spielminuten, wo man damit weiter gekommen wäre. Also zurück durch Gefängnisse, überflutete Minen, Theater, Jahrmarkt, Burgeingang, Friedhof und wie die Gegenden sonst noch heißen mögen, nur um endlich anzukommen und wieder eines der Fragezeichen auf der Minimap abgearbeitet zu haben. Was es dort gibt? Entweder eine Kiste, deren Inhalt die Lebensleiste verlängert, oder eine Kiste, deren Inhalt die Magieleiste verlängert oder eine Kiste, die die Menge an mitführbarer Munition erhöht. Das bedarf weiterer Erklärung: Es gibt, wie schon in Lords of Shadow, ein System aus regulären Attacken und magischen Spezialaktionen. Jeder Belmont hat da seine eigenen und sie alle sind zum Vorankommen unerlässlich. Ergo: Kisten suchen. Verdammtes Backtracking eben.
War’s das nun? Immer noch nicht: Ein Erfahrungspunktesystem gibt es auch noch: Gegner töten, aufleveln. Pro Level gibt es eine neue Attacke, die nicht wählbar ist, sondern automatisch erlernt wird. Braucht man das alles eigentlich? Die ebenso simple wie traurige Antwort lautet: nicht wirklich. Die Standardattacken reichen in den meisten Fällen aus – vor allem, da die Möglichkeit des Blockens besteht und ein perfekt ausgeführter Block dafür sorgt (auch das kennt man aus Lords of Shadow), dass Gegner erst einmal umhertaumeln und in dieser Zeit offen für brachiale Gegenangriffe sind. Klingt alles irgendwie mittelmäßig? Dann kommen wir zum Highlight: Bossfights sind auch drin und die haben’s durchaus in sich. Damit man dem feierabendspielenden Papi entgegenkommt, haben Mercury Steam allerdings automatische Speicherpunkte innerhalb der Kämpfe eingebaut – geht man danach drauf, muss man nicht ganz von vorn wieder beginnen. Nun ja. Schlimmer dagegen sind die Quick-Time-Events am Ende des Kämpfe. Wer auf sowas nicht steht, wird hier seine helle Unfreude haben.
So viele Kritikpunkte und doch kein schlechtes Game. Warum? Weil es die Mischung macht und die ist gelungen. Die Erkundungstouren, die Kämpfe, die Bossfights und die Rätsel (von denen es leider viel zu wenige gibt) wechseln sich gut ab und ergeben eine Mischung, in der sich ruhigere Spielphasen, Kletterpartien und Hangeleien mit panischem Buttonmashing die Peitsche in die Hand geben. Außerdem ist der Soundtrack erneut von Oscar Araujo und der Mann wird in diesem Leben in Sachen Castlevania-Soundtracks einfach nichts Schlechtes machen. Weshalb auch in CLoSMoF die Melodien zur jeweiligen Stimmung passen wie der Pflock in den Vampir und ihren Teil dazu beitragen, dass die Streifzüge bisweilen eine einsame, unheimliche, fast schon melancholische Stimmung hinterlassen – so allein in einer derart großen Burg unterwegs zu sein, kann durchaus auch tieftraurig stimmen. Selbst das Backtracking und der Umstand, dass die so aufgefundenen Extras eigentlich nur kosmetische Aufwertungen bringen, sei verziehen – ich hab’s gern gemacht und die ganzen Kerker mit Vergnügen noch einmal durchquert, nur um noch einmal in die gleichen Fallen zu latschen. Sicher, der Schwierigkeitsgrad ist eher im Mittelfeld angesiedelt und ringt Handheld-Pro-Gamern bestenfalls ein müdes Lächeln ab. Dafür wird der Spielfluß nicht durch unnötig schwere Passagen oder unfaire Fights unterbrochen (den letzten ausgenommen, das war echt ein fieser Wichser). Außerdem dauert die Familienzusammenführung sportliche zehn Stunden, also doppelt so lange wie Crysis 3 und drei Mal so lange wie Homefront und das auf einem Handheld! Value for money.
Alles in allem sowas wie ein Fazit? CLoSMoF fängt den Geist dessen, was ich für Castlevania halte, ganz gut ein, ist atmosphärisch, in Sachen Gameplay abwechslungsreich (wenn auch nicht zu abwechslungsreich) und bietet einen ziemlich guten Umfang. Plus erstklassigen Soundtrack und eine eigentlich ganz gute Story, die allemal mehr bietet als die handelsübliche “Böser Terrorist, guter Soldat”-Laberei. Ich war gern als Belmont unterwegs. Und freue mich drauf, in Lords of Shadow 2 dann den Rest der Familienbande umzumachen.
Mehr Lektüre von Volker findet Ihr hier. Verfolgen könnt Ihr ihn hier. Polyneux dankt für diesen tollen Text!
3 Kommentare
Von Deiner Beschreibung her ist das Ding quasi ein Instant-Buy, weil mir LoS auf der 360 schon super gefallen hat. Aber mal eine System-Frage, weil 3DS-Titel da sehr schwanken: Schockt der 3D-Effekt bei MoF? Toll, nett, egal, oder stört sogar?
Eigentlich sogar sehr toll! Nicht so überbordend / störend wie bei “Kid Icarus”, eher wie “Resident Evil”: ganz vernünftig eingesetzt.