Viele kennen dieses Gefühl: Uns präsentiert sich etwas wahrhaft großartiges, aber niemand nimmt davon Notiz. Unsere Begeisterung schlägt in Frustration um, da keiner außer uns zu begreifen scheint, wie bedeutungsvoll und spitzenmäßig dieses Ding ist, das hier gerade abgeht. Wir sind von Ignoranten umgeben. Das ist blöd.
Wer noch nie zuvor von Hyper Light Drifter gehört hat, der soll jetzt aufstehen, die U-Bahn oder den Bus in Richtung des Einkaufzentrums nehmen, dort in den Media Markt gehen und verwirrt und frustriert feststellen, dass Hyper Light Drifter hier gar nicht verkauft wird. Nachdem unter wüsten Flüchen gegen den saudummen Bloggerarsch, der einen bei diesem Pisswetter für nichts vor die Tür schickt absolvierten Heimweg, empfiehlt es sich die PS4 / die Xbox One / den Windows-PC hochzufahren und sich direkt ins PSN / auf Xbox Live / ins Steam oder wie der Quatsch auf dem PC so heißt zu begeben und dort Hyper Light Drifter zu kaufen. Tut es schnell und mit reinem Gewissen, denn es handelt sich hier immerhin um euer neues Lieblingsspiel bzw. das Spiel des Jahres. Also los jetzt.
Obwohl Hyper Light Drifter aus einer Kickstarter-Kampagne hervorgegangen ist, ist es nicht nur tatsächlich erschienen, sondern auch ein sehr gutes Spiel. Schon die ersten Artworks haben unter Fans und Fachpresse für ein großes Hallo gesorgt. Schöne Szenerien und prima Pixelart sorgten für Begeisterung bei Jung und Alt. Dass es inhaltlich in Richtung Action Adventure im Cyber-Punk-Fantasy-Setting mit Referenzen an Zelda und andere SNES-Granaten gehen sollte, spielte da (zumindest für mich) kaum noch eine Rolle. Das Teil sah von vornherein affengeil aus und hatte durch das flotte Wegblasen diverser Stretch-Goal-Marken schließlich auch noch den Disasterpeace-Soundtrack im Sack. Was konnte da noch schiefgehen?
Nichts. Im Gegensatz zu den Kickstarter-Projekten, die ich tatsächlich gebacket habe, ist Hyper Light Drifter weder massiv verschoben, noch komplett abgesagt oder zu einem grauenhaften Klumpen Softwarekacke geworden. Hyper Light Drifter ist erschienen, sieht gut aus, klingt gut und spielt sich famos. Der Mini-Entwickler Heart Machine hat es doch tatsächlich vollbracht, unter einer Fettschicht Pixelnostalgie ein großartig spielbares, motivierendes und fesselndes Unterhaltungsprodukt abzuliefern. Am schönsten sind Retro-Games, wenn sie sich so spielen, wie wir die alten Klassiker durch die rosafarbenen Gläser unserer Alte-Säcke-Brillen betrachten. Und während ein Großteil der Perlen von damals bei Lichte beschaut nichts als stinkige Kotknödel sind, die einem nach zehn Minuten Spielzeit einen Anfall bescheren, ist Hyper Light Drifter durchgehend ein Genuss.
Wir starten in einer mysteriösen, verfallenen Welt. Ein Kataklysmus scheint das meiste ausgelöscht zu haben, außerhalb der Stadt im Zentrum der Spielwelt ist alles verfallen und fiese Viecher regieren das Ödland. Als Namenloser „Drifter“, der beunruhigender Weise regelmäßig Blut kotzt, durchstreifen wir die Ödnis, entdecken Dungeons und kloppen zahlreiche Gegner tot. Neben der Kloppe und dem Herumwandern bietet uns Hyper Light Drifter auch kleine Logik- und Kombinationsaufgaben, meistens um die Fähigkeit des namensgebenden „Driftens“ herumgestrickt. Dieses bezeichnet das per Knopfdruck ausgelöste, rasante Überbrücken kurzer Distanzen, das einerseits der Fortbewegung über nicht verbundene Plattformen dient, andererseits auch eine vitale Rolle im Kampf spielt.
Anfangs noch etwas verwirrend und krampfig, läuft das Kampfgeschehen mit der Zeit flüssiger. Das Aufwerten von Schwert, Schusswaffe und Drift steigert unsere Macht und die Übung lässt alles schön flutschen. In der Gegend herumstehende NPC deuten in Richtung der zu erlegenden Bosse oder erzählen in wenigen Bildern die traurige Rahmenhandlung. Auch die Spielwelt selbst ist beredt, verfallene Gebäude, bemooste Kriegsmaschinerie und Skelette säumen unseren Weg. Dies sorgt dafür, dass uns die zwischen Kämpfen und Minimalrätseln zurückzulegenden Laufstrecken niemals langweilen. Es ist alles so melancholisch schön, wir verlieren uns in der malerischen Welt und ertappen uns dabei, alles gut zu finden, obwohl Pixelart ja eigentlich beknackte Hipsterscheiße ist. Mensch Meier.
Wenn das nun alles so verdammt prima ist, warum redet dann schon jetzt keiner mehr von Hyper Light Drifter? Während am Spiel selbst wenig zu tadeln ist, stellt das Erscheinungsdatum der Konsolenversionen möglicherweise einen Fehler dar. Ich startete das Spiel am Veröffentlichungstag auf der Gewinnermaschine PS4 und habe es bis heute nicht beendet, da mir No Man’s Sky dazwischengegrätscht ist und nun meine spärliche Videospielzeit beansprucht. Vermutlich haben viele durch den nahenden Release der Weltraumsause erst gar nichts vom famosen Pixelklumpatsch mitbekommen, was wirklich sehr schade ist.
Eines darf jedenfalls als gesichert gelten: Sobald ich die Schnauze voll habe von prozedural generierten Planeten und diese bevölkernde Pimmelviecher, werde ich in die Welt von Hyper Light Drifter zurückkehren um auch dem letzten Obermotz den Garaus zu machen und nebenbei noch ein wenig Sightseeing zu betreiben. Denn hübscher und atmosphärischer wird in diesem Jahr kein Spiel mehr und vielleicht auch nicht im nächsten und auch nicht in dem darauf. Ich möchte zurück in diese Welt, denn ich bin in sie verliebt, meines kleinen, schwarzen Herzens zum Trotz. Oder vielleicht gerade deswegen.
3 Kommentare
Ich war einer der Early-Access-Backer und muss sagen, dass mich das Spiel letztendlich nicht überzeugen konnte, weil es keinen Handlungsrahmen bietet und zu viel offen lässt. Einigen mag diese Form des Geschichtenerzählens ausreichen. Ich hatte mir aber mehr Abwechslung und mehr Hintergründe gewünscht. Das hat dazu geführt, dass das Spiel zwar schön aussieht und sich gut spielt, aber dann doch zu wenig bei mir auslöst.
Hyper Light Drifter gibt es auch auf Linux. Ich werde es mir ansehen, mir gefällt die Pixel-Optik