Wir wissen es längst: Wer als Entwickler und Publisher seit Jahren für eine erfolgreiche Marke verantwortlich ist, kann sich auf eine ganz treue Fanbase verlassen. Und benötigt in der Regel auch keine Feinde mehr. Evil-EA könnte einige Songs zum Thema trällern, wenn ihnen danach wäre. Dennoch veröffentlichen sie wacker Jahr um Jahr ein “neues” FIFA-Spiel, trotz der Nörgelei aus der Fankurve. Der Fußball darf eben nicht so einfach Fußball bleiben, gleichzeitig muss er das aber doch unbedingt. Das aber auf keinen Fall zum Vollpreis. Immerhin macht EA ordentlich Profit mit FIFA – da ist dann das Gesabbel der Kundschaft zweitrangig. Kann ich verstehen. Was ich nicht nachvollziehen kann: Nun hat EA in den letzten zwei, drei Jahren endlich ordentlich in die Marke investiert – aber alle Bemühungen, dass Spiel auf eine neue Ebene zu hieven, werden schweigend und schulterzuckend wegignoriert. Mich ärgert das. FIFA Ultimate Team-Modus, zwei neue Engines in den letzten paar Jahren, Damen-Fußball als Quasi-Gimmick und jetzt noch ein sauber umgesetzter Story-Modus sind doch aller Ehren wert – auch vor dem Hintergrund, dass das Gameplay nicht darunter gelitten hat.
Wobei: Ich tat mich erst schwer mit FIFA 17, das muss ich zugeben. Ebenso wie letztes Jahr stürzte ich mich direkt auf den Online-Saison-Modus und erwartete unverzüglich Höhere Weihen – fiel aber nur deswegen nicht tief, weil man aus der untersten Liga nicht absteigen kann. Schlimmer als mit jedem Spiel Salz in die offenen Wunden gestreut zu bekommen, geht es dann halt nicht. Mein Mainz-artiger Spielstil ging in FIFA 17 leider gar nicht auf: Malocherhaft kämpfen, immer wild die Gegenspieler bedrängen, ordentlich grätschen, frei von technischer Finesse schnell umschalten und bestenfalls schnörkellos siegen. So sollte es sein. Damit ist leider Schluss und zwar so eindeutig, dass ich schon nach dem dritten Spiel wusste, dass eine Saison-Zusammenfassung für polyneux wie im letzten Jahr der Selbstkasteiung zuviel wäre.
Die Wende brachte natürlich (mein innerer) Thomas Tuchel. Aus seiner Mainzer Zeit übrigens. Als er Jürgen Klopp´s Stil optimierte. In der wahren Welt gab er so schöne wegweisende Motivations-Stilblüten von sich, wie diese etwa, bei der ich es bedauerlich finde, dass ich dieses Zitat erst für diesen Beitrag aufgabelte und nicht schon zuvor fand: „Es ist wie auf dem Schulhof: Wenn der Kleine den Großen verprügeln will, macht er das ja auch nicht in dessen Klassenraum, sondern lockt ihn in eine dunkle Ecke, die er zuvor vorbereitet hat.“ Oha. So ein Spruch, in aller Öffentlichkeit rausgehauen, muss erst einmal verdaut werden. Jedenfalls musste ich meinen Stil weiterentwickeln und wenn man so will, ist meine präparierte dunkle Ecke nun die Zone rund 20 Meter vor dem eigenen Tor. Was bedeutet: Ich spiele (mit den ollen Drecks-Bayern, das darf ich eigentlich niemandem erzählen) gnadenlos auf Konter. Stelle mich konsequent hinten rein, warte auf den Fehlpass oder gewinne den entscheidenden Zweikampf und schicke dann Costa, Robben und Ribery auf die Reise. In der Mitte steht Lewandowski und trifft, während sich übrigens „mein“ Thomas Müller schön auf der Bank entspannen darf.
Und das funktioniert. Die Früchte des Erfolgs sind ein lässiger Aufstieg in Liga 9 , in der ich dann nicht einen einzigen Punkt abgab und nun in Liga 8 zugegebener Weise wieder kleine Probleme bekomme, weil ich als mit zwei Sternen dekorierter Spieler auf stärkere Gegner treffe, für die meine vermeintlich dunkle Zone leider ziemlich gut ausgeleuchtet zu sein scheint. Ich rufe mal Pep Guardiola an, vielleicht hat er einen guten Tipp. Wobei er mir wahrscheinlich auch nicht weiterhelfen kann. Denn: Ich hadere mit dem Stil der mir überlegenen Gegner. Der ist mir zu weit von der Realität entfernt. Provokanter Weise könnte ich feststellen, dass er zu sehr den Spielereien der früheren PES-Versionen ähnelt. Endlose Alleingänge und Katharina Witt-artige Pirouetten (nur mit Ball) fernab jedes Realitätsanspruchs nerven mich. Besonders dann, wenn sie zu einem Gegentor führen. Oder zu einer Roten Karte, weil es mir zu bunt wurde und ich die Blutgrätsche auspackte. Letztlich ist die Abwehr dieser Sperenzchen auch nur eine Frage des Timings und der Übung. Wird schon bald hinhauen, aber wirkungsvolle Maßnahmen gegen Fantasie-Fußball-Strategien zu finden, machen mir nun mal keinen Spaß.
Wie das aktuelle PES übrigens ebenso nicht. Zumindest die Demo. Ich habe keine Ahnung (alle fanatischen PES-Freunde dürfen das gerne wörtlich nehmen und dann ist direkt Ruhe im Karton) was am angeblich ach so neuen PES-Gameplay derart realistisch sein soll. Die Flügelspieler sind genauso unaufmerksam wie bei FIFA und die Dribblings ebenso unrealistisch. Also bitte. Für FIFA 17 verlangsamte EA immerhin spürbar das Spieltempo, gewann durch die neue Engine neue Freiheiten in der Ballannahme und schob das Spiel ein Stückweit in Richtung Rasenschach. Das ist nicht die pure Action, aber trotzdem alles andere als langweilig.
Natürlich fühlt sich der langjährige FIFA-Freund – sofern er/sie nicht nur rumnörgeln mag – sehr schnell mit der 17er-Version zurecht. Wer im Gegensatz zu mir ballbesitzorientiert spielt, dürfte nicht die größten Umstellungsprobleme haben. Torhüter, Torschüsse, Pässe – das wurde alles vorsichtig modernisiert und weder revolutioniert noch verschlimmbessert. Auch der Ball ist noch rund. Alles im Lot also, so wie immer?
Nun, nicht ganz. One more thing gäbe es noch. The Journey. Den Story-Modus. In FIFA. Echt. Und der ist sogar richtig gut gelungen. Eigentlich wollte ich das Ding ebenso wie den Damenfußball gar nicht wirklich wahrnehmen. Habe ich dann aber doch gemacht. Gut so. Denn: Die Story funktioniert direkt in dreierlei Hinsicht: Zum einen ist es einfach eine gute Geschichte. Besonders für ein Sportspiel. Es geht um einen aufstrebenden Jugendspieler, dessen Weg über einige Widrigkeiten hinweg aktiv begleitet werden kann. Ein paar Familienprobleme, böse Konkurrenten, treue Freunde – da ist alles drin. The Journey ist sauber geschrieben, in sich stimmig und ordentlich inszeniert.
Zum anderen ist der Story-Modus das beste Tutorial aller FIFA-Zeiten. Die grundsätzlichen Funktionen werden über die Sichtungslehrgänge und Spiele präsentiert und ich muss schon sagen, dass es mir nicht geschadet hat, mal wieder ein wenig an den Basisfähigkeiten zu feilen. Zu guter Letzt: Der Story-Modus ist spannend genug, um ihn zu Ende spielen zu wollen, zumindest für mich. Die Dynamik zwischen dem Story-Fortschritt einerseits und den Übungen bzw. Spielen andererseits stimmt einfach und ich muss zugegeben, dass ich den Story-Modus viel interessanter finde als beispielsweise eine Saison gegen lauter KI-Teams zu spielen.
Mich wundert es nur, dass solch eine eigentlich bahnbrechende Innovation in einem derart mit Tradition aufgeladenen Videospiel so egal ist. Kein Shitstorm, aber auch kein Jubel. Nix. Und das kann nicht daran liegen, dass eine ähnliche Geschichte in irgendeinem NBA-Spiel so unglaublich viel besser sein soll. Interessieren würde es mich, wie viele der Abermillionen FIFA-Spieler den Story-Modus überhaupt ernsthaft ausprobiert oder wenigstens kurz angespielt haben. Ich befürchte, es sind zu wenige. Und ich hoffe, dass sich EA davon nicht bei der Entwicklung eines mutigen FIFA 18 beirren lässt.
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