Lost Words: Beyond The Page ist die Geschichte eines Mädchens, das.. nein Moment.. die Geschichte zweier Mädchen.. oder ist es doch nur eins? Also erst mal ganz von vorn.. Ein junges Mädchen – Izzy – bekommt ein Tagebuch geschenkt und versucht, es möglichst kreativ zu nutzen. Zunächst dekoriert sie es mit allerhand farbenfrohen Bildern aus ihrem Leben, von ihren Eltern, ihrem kleinen Bruder und vor allem ihrer Großmutter. Sie wollte schon immer Schriftstellerin werden und fängt deswegen an, eine aufregende Geschichte über eine junge Abenteurerin zu schreiben und zu illustrieren.
Alles was wir über Izzy wissen findet auf den Seiten des Tagebuchs statt, sie selbst sehen wir nie, wobei ich aber davon ausgehe, dass sie ihrer mutigen Zauberin, die sie auf Heldenreise schickt, zumindest sehr ähnlich sieht. Sie beschließt, ihrer Kreativität im neuen Buch freien Lauf zu lassen. Wir können uns nun selbst aussuchen, welche Art von Geschichte wir erzählen wollen und wie die Protagonistin sein soll. Ich habe mich selbstverSTÄNDlich für eine Fantasy-Geschichte mit der sehr belesenen Robyn entschieden, die ihre Bücher immer mit sich herumträgt. Robyn ist Lehrling bei der Wächterin ihres Dorfes, der Ältesten Ava, die natürlich nur ganz zufällig so aussieht wie Izzys Oma! Unverhofft erklärt diese ihr, dass es nun Zeit für ihren Ruhestand sei und Robyn nun die Aufgaben der Beschützerin der Glühwürmchen übernehmen solle – und zwar mit Wortmagie! Da horch’ ich natürlich direkt auf! Sie kann nun mit einer Art Zauberwort aus ihrem magischen Buch im Weg liegende Gegenstände schweben lassen oder auch reparieren oder manchmal auch Wut und Lärm durch Stille ausblenden.
In ihrer Welt richtet Izzy mit ihrer Oma voller Freude ein eigenes Aquarium ein, erzählt von Ausflügen ans Meer und vielen anderen Dingen, die sie zusammen gemacht haben. Als plötzlich ein Anruf kommt, dass ihre geliebte Oma mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wird Izzys Welt auf den Kopf gestellt – und ihre Tagebuchseiten mitsamt allen Worten auch.
Verarbeiten kann sie ihre Gefühle nur durch die aufwändige Geschichte ihrer Alter-Ego in Estoria. In diesem lässt sie ihr Dorf von einem riesigen Drachen verwüsten und die Glühwürmchen entführen. Sie kann als Einzige zur Rettung eilen und versucht im Laufe des Spiels alles, um alles wieder in den früheren, friedlichen Ursprung zu versetzen, während sie sich auch bei sich bemüht, die Welt ihrer Oma wieder in Ordnung zu bringen.
Izzy schickt ihre Heldin durch Wüstenlandschaften, über Meere, durch längst verlassene Stadtruinen, gefährliche Lavaseen wo sie sich gegen mythische Kreaturen wie Feuerriesen, vergessene Götter, aber auch sture und unzugängliche Philosophen behauptet. Genau so muss sich die in ihrer Angst vergessene Izzy fühlen, wenn sie bei „Erwachsenengesprächen“ einfach nicht beachtet wird, weil sie ja „nur ein Kind“ ist. Mit dem Aufschrieb ihrer Gedanken versucht sie, dem entgegen zu wirken. Worte sind die Grundlage für alles. Sie drückt ihre Wünsche, Hoffnungen, Gefühle — egal ob negative oder positive, aus. Ist sie wütend, hinterlässt sie sehr viele Flecken in dunklen Farben auf den Seiten, bei Trauer zittern ihre Worte. Auch hier bilden Worte und Sätze Ebenen, die zu nächsten Gedanken führen.
Beide Welten sind im Grunde einfachere Platformer mit ein paar Puzzlen und so auch für Jüngere gut spielbar. Der Fokus liegt hier wirklich auf der wundervollen Geschichte von Rhianna Pratchett und der unglaublich liebevollen Gestaltung. Das ganze Spiel ist umgeben von einer Magie und es macht so vieles anders als andere Spiele, indem es die Spielmechaniken an die Erzählung anpasst.
Wortmagie beherrscht nicht nur die Fantasiewelt sondern auch Izzys eigene, in der sie mit Wörtern kunstvoll allerhand tolle Szenarien in ihrem Tagebuch entwirft. Mit verschiebbaren Wortzetteln legt sie alte, dazu passende Erinnerungen frei oder enthüllt neue Bilder, die sie für ihre Erzählung entwirft. Erinnert sie sich ans Meer sieht man nicht nur die Wellen vor und zurückschlagen. Auch die Worte, die als Plattformen dienen, um sich zum Ende der Seite zu begeben, bewegen sich langsam vor und zurück und vor und zurück.
Beide Mädchen plagen furchtbare Schuldgefühle und während Robyn versucht das Licht der Glühwürmchen ins Dorf zurückzubringen, bemüht sich Izzy in ihrer kindlichen Fantasie darum mit ihrer aufregenden Geschichte wieder Licht ins Leben ihrer Oma zu bringen. Das Spiel zeigt die Arbeit an den eigenen negativen Gefühlen: wie geht man mit Trauer um, wie mit Schuldgefühlen und der eigenen Unzulänglichkeit, wie mit der Erkenntnis, dass man nicht alles auf der Welt durch besonders viel Mühe beeinflussen kann? Kann man sich seinen größten Ängsten stellen, ohne zu zerbrechen?
Das ist vor allem durch die wirklich immer an den Inhalt angepasste kreative graphische Verwendung des Textes sehr großartig gelungen und ist nicht wie bei vielen anderen Spielen nachträglich noch irgendwo aufgesetzt, sondern immer Teil des Gedankens und der Entwicklung gewesen. So hatte ich in den vier bis fünf Spielstunden wirklich sehr viele Momente, in denen ich mit einem Lächeln auf den Lippen vor der Konsole saß und nur dachte „Es ist SO schön!“ Ehrlich gesagt kann ich kaum erwarten, was die Entwickler Sketchbook Games und Fourth State als Nächstes rausbringen!
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