Jacob Lee ist ein Frachter-Jockey, der im Jahr 2320 Ausrüstung zwischen den Jupitermonden Europa und Callisto hin und her fliegt. Und um die Fuhren lukrativer zu machen, fragt er auch nicht weiter nach, was sich genau in den Containern befindet. Doch dann gibt es einen unvorhergesehenen Zwischenfall, in dessen Folge sein Schiff abstürzt und er kurzerhand im Black Iron Gefängnis auf Callisto landet. Ihm bleibt aber keine Zeit, sich ans Gefängnisleben zu gewöhnen, da plötzlich die Hölle losbricht: Immer mehr Insassen und Wärter mutieren zu tödlichen Monstern…
Dass ein Spiel zum Release auf allen Plattformen außer der PS5 in einem nahezu unspielbaren Zustand erscheint, geht gar nicht. Darüber brauchen wir nicht diskutieren. Aber auch die Kritiken der technisch tadellos laufenden PS5-Version von The Callisto Protocol sind durchwachsen bis vernichtend. Und ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum, denn mir hat das 3rd-Person-SciFi-Metzel-Ding der Striking Distance Studios richtig Spaß gemacht. Wie viel Spaß? Nun, eigentlich war ich gerade dabei, zusammen mit Kratos und Atreus Odin den verlogenen Arsch zu versohlen, und wollte nur mal kurz in TCP reinspielen, um für unseren Jahresrückblick wenigstens grob mitreden zu können. Tatsächlich sah mich das göttliche Vater-Sohn-Gespann aber erst wieder, als ich The Callisto Protocol komplett durchgespielt hatte… Also so viel Spaß.
Der einzige Kritikpunkt, der häufig genannt wird, bei dem ich mitgehen kann, ist das ungewohnte Kampfsystem, insbesondere die Ausweich- und Block-Mechanik. Aber auch nicht in der Form „Meine Güte! Was haben sich die Entwickler nur dabei gedacht!“, wie es vielerorts zu lesen ist, sondern nur soweit, dass auch ich es anfangs gewöhnungsbedürftig fand. TCP hat keine Tasten zum Ausweichen und Blocken, sondern man muss im richtigen Augenblick den linken Stick nach rechts, links oder hinten bewegen. Das ist ungewöhnlich, aber es funktioniert. Insgesamt finde ich die Mischung aus Nah- und Fernkampfmechaniken nicht großartig, aber durchaus praktikabel.
Alles andere an The Callisto Protocol weiß aber zu überzeugen: Es sieht unglaublich gut aus, besitzt ein phantastisches Audio-Design, hat eine tolle Atmosphäre und auch wenn sie nicht sensationell innovativ ist, so kann auch die SciFi-Horror-Story durchaus unterhalten. Es hat eigentlich nur einen wirklichen Makel: Es ist nicht Dead Space!
Häh? Wie kann das ein Problem sein? Natürlich ist es nicht Dead Space… Naja, irgendwie schon, denn die Striking Distance Studios bestehen aus mehreren ehemaligen Dead Space-Entwicklern, allen voran Game-Director Glen Schofield. Und man merkt The Callisto Protocol diese DNA auch stark an. Gerade das audio-visuelle Design schreit geradezu Dead Space. Das ist an und für sich aber alles andere als ein Problem. Der eigentliche Kardinalfehler war, das gesamte Marketing für TCP auf dieser Tatsache aufzubauen. „Das neue Spiel von den Dead Space-Schöpfern!“ oder „Der Dead Space-Nachfolger im Geiste!“ konnte man lesen. – Das schürt natürlich immense Erwartungen. Dead Space von 2008 zählt heute immerhin zu den modernen Klassikern der Videospielgeschichte. Es gehört zu den All-Time-Favorites vieler Leute und wird in einem Atemzug mit DOOM, Quake, DeusEx oder System Shock genannt!
Tja, und dann kommt sowas dabei heraus: Auf dem PC und der Xbox von gravierenden technischen Problemen geplagt und dann ist es auch noch überraschenderweise kein zweites Meisterwerk der Marke Dead Space. So eine Frechheit…!
Mal ganz ehrlich, wer sich schon aufgrund des Marketings vorher sicher war, mit TCP automatisch ein Spiel der Liga des ersten Dead Space zu bekommen, muss schon ein wenig naiv sein. Klar, man hatte gewisse Erwartungen, ich auch. Aber die Erwartungs-Latte im Kopf schon vorher so hoch zu hängen und das fertige Spiel dann nachher dafür durch den Kritikerfleischwolf zu drehen, dass es (natürlich) kein neues Dead Space geworden ist, ist schon etwas unfair. Ja, The Callisto Protocol ist kein Meisterwerk geworden und man kann durchaus einiges kritisieren, allem voran die vielen Technikprobleme zum Start. Aber zumindest auf der PS5 ist es ein wirklich schickes, sehr atmosphärisches und super-brutales SciFi-Horror-Abenteuer geworden, mit dem zumindest ich ein paar sehr unterhaltsame Abende verbracht habe und das ich durchaus weiterempfehlen würde.
Für all die Enttäuschten, die immer noch auf ein neues Dead Space warten, hat EA ja in Kürze etwas am Start. Allerdings sind meine Erwartungen an das Remake auch eher gedämpft, denn wir reden hier von genau dem Publisher, der die Original-Serie ja seinerzeit genüsslich selbst gegen die Wand gefahren hat…
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