Diablo, ist Diablo, ist Diablo. Doch was ist Diablo? Ein Vogel, ein Flugzeug? Ein zuckender Molluske? Nein, Diablo ist ein Spiel. Für manche sogar DAS Spiel, zumindest in dem Genre, das es praktisch selbst erfunden hat. Ob man es als Action-RPG oder Hack and Slay bezeichnen möchte, ist schlussendlich wurscht. Fest steht, dass die Diablo-Reihe seit ihrem Start 1997 der Platzhirsch im eigenen Segment ist und alle Epigonen, ob sie nun Path of Exile oder Torchlight heißen, qualitativ und kommerziell weit hinter sich lässt.
Anfangs hatte ich persönlich null Bock auf Diablo. Dank eines ausgeprägten Edgelordtums in meinen Teenagerjahren dachte ich, dass ich alles doof finden müsse, was andere gut finden. Und nachdem ich die Diablo-Demo zunächst mochte, lehnte ich das Spiel zu Erscheinen kategorisch ab, weil alle PC-Spieler:innen es total geil fanden. Nicht mit mir! Diese Haltung gab ich auch beim Nachfolger nicht auf, den ich weder gespielt noch je gesehen habe. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich mit Hack and Slays nichts anfangen konnte. Baldurs Gate: Dark Alliance war eines meiner liebsten Spiele auf der PS2. Und das zeigt wieder, was für spezielle Menschen Teenager doch sind. Während ich vor 25 Jahren nicht so richtig klar hatte, was gut und was schlecht ist, bin ich heute ein Experte auf dem Gebiet. Also wenn ihr euch mal nicht sicher seid, ob ihr etwas mögen sollt, fragt einfach. Ich helfe gern.
Nachdem ich zum Erscheinen von Diablo III bereits eine Kapazität auf dem Gebiet des Gutfindens war, kaufte ich es zum (Konsolen-)Release und spielte es mit Begeisterung. Erst auf der PS3, dann auf der PS4 und schließlich dank backwards compatibility auf der Xbox Series X. Ein Traum! Aber auch die schönsten Dinge können nach zehn Jahren etwas fad werden. Dementsprechend war es höchste Zeit für Diablo IV, dass ich mir dank eines Keys von Publisher Activision Blizzard auf der Xbox anschauen konnte. Schon in der Vorberichterstattung und den Betas fiel der generalüberholte Look ins Auge. Während Diablo III eher auf Cartoongrafik setzte, ist der Vierer düster und brutal. Hier hat keiner was zu lachen und die meisten Menschen, denen wir außerhalb der sicheren Städte begegnen, werden in der Regel ziemlich schnell von Monstern massakriert. Wie die Schneedecke, die das Startgebiet der Spielwelt Sanctuary bedeckt, liegt über allem bleierne Hoffnungslosigkeit. Kaum jemand erwartet noch irgendwas und jene, die sich gegen den durch Bösewichtin Lillith heraufbeschworenen Weltuntergang zu stemmen versuchen, sind religiöse Fanatiker:innen, die eine Engel verehren, der eigentlich nur alles scheiße findet und so schnell wie möglich zurück in den Himmel möchte.
Und obwohl alles irgendwie sinnlos ist, mache ich mich als Held:in auf den Weg, alles hinzumetzeln, was sich mir in den Weg stellt. Denn das ist wie gehabt das einzige Ziel in Diablo IV. Am Spielprinzip hat sich genau nichts verändert, nur wurde dieses bis zum Anschlag optimiert und geschliffen. Das betrifft vor allem die Charakterentwicklung, dank der ich individuelle Builds erstellen und meine Spielfigur bis nach Meppen hochleveln kann. Während das anfangs noch verwirrend ist, bekomme ich mit der Zeit eine Vorstellung davon, welche Fähigkeiten und Perks sich für meine Kombination aus Klasse und Spielweise besonders eignen. Ich spiele wie eh eine Barbarin und investiere direkt in zweihändiges Zuhauen mit der Axt und Lebensenergie. Später levele ich die Spezialangriffe Whirlwind und Hammer of the Ancients sowie Fury, die ich zum Anwenden dieser Attacken benötige. Habe ich mich mal verskillt, kann ich das wieder rückgängig machen. Zwar muss ich dafür ein bisschen Gold hinlegen, allerdings habe ich schnell so viel davon, dass es erst ins Gewicht fällt, wenn ich meinen ganzen Build auf den Kopf stelle.
So hacke ich mich durch die Gegend und folge der Story, die abgesehen von der coolen Oberdämonin Lilith selbst mal wieder ziemlich egal ist. Das stört aber nicht, da der Gameplayloop von Kloppen, Leveln und Looten so dermaßen flutscht, dass es eine wahre Freude ist. Außerdem sieht Diablo IV verdammt gut aus, von den sparsam eingesetzten Rendersequenzen bis hin zur Spielgrafik ist hier alles erste Sahne. Die allgegenwärtige Düsternis ist inszenatorisch und technisch prima umgesetzt. Oberwelt und Dungeons stecken voller hübscher Details, die Monster sind fies und ekelig und im Kampf tobt ein prächtiges Effektgewitter. Besonderes gelungen ist der Sound. Die stimmungsvolle Musik und die jetzt weniger cringegelade Sprecherinnenperfomance sind schon klasse, aber die Soundeffekte setzen dem Ganzen die Krone auf. Das Stöhnen, Ächzen, Schmatzen, Spratzen, Kloppen und Hacken klingen wunderbar satt und wuchtig. Und wenn man einen vernünftigen Subwoofer einsetzt, haben die Nachbar:innen auch noch etwas davon. Dieses Präsentationsgesamtpaket sorgt dafür, dass ich mich mit Leichtigkeit über Stunden im Spiel verlieren kann. That’s immersion, man!
Zum Endgame und PvP kann ich nichts sagen, da ich ersteres noch nicht erreicht habe und letzteres mich nicht interessiert. Allerdings begegne ich ständig anderen Spieler:innen, mit denen gemeinsam ich gelegentlich Events absolviere. Denn *Trommelwirbel* Diablo IV ist ein Liveservice und damit always on. Das mag einigen nicht schmecken, aber was soll man machen. Wir befinden uns im 21. Jahrhundert und wer sich ein Spiel in einer Schachtel ins Regal stellen will, um es zu besonderen Anlässen feierlich hervorzuholen und in stiller Andacht auf seiner mit einem Dieselgenerator betriebenen Heimkonsole abzuspielen, soll sich entweder eine Zeitmaschine bauen oder halt Retrokrams sammeln. Diablo ist Games as a Service as fuck, was einerseits den Vorteil hat, dass es höchstwahrscheinlich über Jahre neuen Content erhalten wird. (Inzwischen hat Blizzard angekündigt, dass zwei Erweiterungen in Entwicklung seien.) Andererseits sind wir halt von den Blizzards Gunst und ihren Servern abhängig, für ein Spiel, DAS WIR TEUER BEZAHLT HABEN VON UNSEREM EIGENEN GELD UND IRGENDWANN ZIEHT DA EINFACH JEMAND DEN STECKER ES IST EIN SKANDAL!! Ja stimmt schon, es ist uncool. Aber es ist auch irgendwie nur ein Videospiel und in ein paar Jahren interessiert zumindest mich das nur noch einen Furz. Das kann man anders sehen und sich aufregen. Man kann sich aber auch zurücklehnen, schön eine rauchen und an all die bedeutsameren Arten denken, auf die profitgeile Unternehmen unser Leben schlechter machen. Geht mal auf die Straße, anstatt das Internet vollzuschreiben. Das bringt auch nicht viel, aber immer noch mehr als ein Rant in der Kommentarspalte der Gamestar. Bussi.
Unverzichtbarer Teil der Games-as-a-Service-Suppe sind natürlich die allseits beliebten Mirotransactions. Nachdem Blizzard mit dem Auktionshaus von Diablo III massiv auf die Fresse gefallen sind und sich eine Dekade den Kopf darüber zerbrochen haben, wie sie aus ihren Spielen mehr Geld rausquetschen können, gibt es in Diablo IV einen Shop, in dem (bisher) nur kosmetische Gegenstände verkauft werden. Gezahlt wird selbstverständlich nicht mit Echtgeld, sondern über den Umweg der äußerst clever benannten Ingame-Währung „Platinum“. Die hilft dabei, die absurd hohen Preise für den nutzlosen Ingame-Tand etwas zu verschleiern, damit Spieler:innen nicht so ganz auf dem Schirm haben, was sie da eigentlich ausgeben und eventuell mehr Kohle als gewollt hinausblasen. Wenn ihr besonders viel „Platinum“ kauft, gibt es sogar ein bisschen was geschenkt oben drauf, mega geil! Ich bin zum Glück nicht empfänglich für so einen Schrott und habe noch nie im Leben für ein virtuelles Item bezahlt. Allerdings gibt es genug Menschen, auf die dieses Zeug eine starke Wirkung hat und denen damit viel Geld aus der Tasche gezogen wird. Zwar sind die vorliegenden Microtransactions lange nicht so manipulativ beschissen, wie die im Mobile-Ableger Diablo Immortal, aber ein großer Vorteil moderner Spiele ist ja, dass man reinpatchen kann, was man will. Es lohnt sich also, das Ganze im Blick zu behalten. Wie wir wissen, kennen ActiBlizz keine Scham, wenn es um Monetarisierung geht. Man denke z.B. an das nachträgliche Hinzufügen von Lootboxen in Crash Team Racing: Nitro Fueled usw. Aber bis jetzt ist Diablo IV ein von solchen unappetitlichen Geschäftspraktiken ungetrübtes Vergnügen und ihr zahlt nur einmal. Sofern ihr nicht ganz dringend diese eine supertolle Hose für eure Magierin braucht.
Einen Gutteil meiner bisherigen Spielzeit habe ich übrigens in den vier Tagen absolviert, die Käufer:innen der Premiumvariante des Spiels schon Zugriff hatten, während alle anderen noch doof glotzend warten durften. Technische Probleme gab es in dieser Zeit keine. Die Server waren stabil, ich musste nie warten, um ins Spiel zu kommen und ich hatte auf der Xbox keine Abstürze, Disconnects o.ä. Daran hat sich augenscheinlich auch nach der Öffnung für alle Spieler:innen nichts geändert. Das sollte für ein (Online-)Spiel eigentlich Usus sein, aber heute erscheint ja kaum noch etwas in halbwegs spielbarer Form. Klar, ein paar Bugs hier und da gab es, aber nichts, was den Spielfortschritt behindert hätte. Diablo IV ist auf allen Ebenen ein butterweiches Vergnügen, das sich höchstens den Vorwurf gefallen lassen muss, dass es ein bisschen ZU rundgelutscht ist. Aber es gibt schlimmere Kritik. Und ich bin mir sicher, dass ich wieder die ein oder andere Stunde im Endgame versenken werde. Vor allem wenn Blizzard es tatsächlich schafft, regelmäßig Inhalte nachzuschieben, die mich wieder an die Konsole locken. Mein Urteil ist also klar: Diablo IV ist zum jetzigen Zeitpunkt affentittengeil, sofern man always on und überteuertes Kosmetikgedöns verknusen kann. Spieler:innen mit Liveservice-affinität greifen also zu, alle anderen spielen Super Nintendo im Keller, bis Mutti ruft, sie sollen zum Essen raufkommen. Hail Satan!
1 Kommentar
Es liest sich so schön, dass ich den Podcast immer mehr vermisse! Danke für eure neuen Beiträge – nicht nur an Urs.