Ich bin ja selten vorab gehyped, aber ein kurzer Trailer im diesjährigen Annapurna Showcase und es war um mich geschehen. “Battle your exes. Disappoint your parents. Find yourself.” verspricht das Spiel Thirsty Suitors, in dem man Jala spielt, eine junge Frau, die in ihrer Kleinstadt-Zeit wohl ziemlich viele Leute enttäuscht und sich dann für ein paar Jahre abgesetzt hat, ohne sich bei irgendjemandem von ihnen zu melden – nicht zu empfehlen übrigens. Zu diesem Personenkreis gehören nicht nur all ihre Ex-Freund*innen, sondern auch ihre Familie. Unsere Aufgabe ist nun, uns mit allen soweit wie möglich wieder zu versöhnen.
Stellt sich raus, Jalas Schwester heiratet demnächst und will nicht einmal mit ihr sprechen, ihre Oma reist extra aus Indien an, schickt aber schon mal eine Horde heiratswilliger Kandidat*innen vor, Jalas Mutter ist wenig überzeugt von ihrem plötzlichen Sinneswandel, nur ihr Vater scheint sich über ihre Rückkehr zu freuen. Die Exes schließen sich zu einer Art Gang zusammen, in der alle auf ihre eigene Art versuchen, es Jala zu zeigen – wobei die meisten sie eigentlich zurückgewinnen wollen. “Are we fighting? Or are we flirting?” – “Why not both?” könnte irgendwie aus den meisten der Treffen stammen.
Das klingt alles nach einer ziemlich anstrengenden Zeit, aber auch sehr nach einem Standard-Romancespiel. Das Ziel ist allerdings weniger eine Paarbildung sondern eher, dass sich alle weiterentwickeln. Die Auseinandersetzungen mit den Exes arbeiten als rundenbasierte Kämpfe alte Beziehungsprobleme auf und enden meist in gegenseitigem Verständnis und Waffenstillstand. Wie es dann mit ihnen weitergeht, kann man selbst bestimmen, fragen sie einen doch immer mal wieder nach Gefallen, die über das Spiel hinweg die Grundlagen für eine Freundschaft legen können.
Um überhaupt dorthin zu kommen, taucht man in die innere Welt der Ex-Freund*innen ein und bekämpft dort nicht nur sie, sondern auch andere Gegner*innen, die ihnen als Teile ihrer Persönlichkeit dabei helfen, die davongetragenen Verletzungen zu verarbeiten oder zu verstecken. Der rundenbasierte Kampf selbst besteht aus verschiedenen Angriffsmöglichkeiten, bei denen Spott – ob herzloser, beeindruckender oder sonstiger – eine große Rolle spielt. Sind Gegner*innen empfänglich dafür, kann man sie danach mit passenden Attacken ganz besonders, nunja.. treffen. Altes zerstören, um Neues aufzubauen, ist hier die Devise.
Eine sehr ähnliche Situation findet Jala jeden Morgen mit ihren Eltern in der Küche, wo sie einem mit vielen Quicktime-Events das Kochen von im Kampf hilfreichen Snacks beibringen – nicht ohne ein ziemlich stichelndes Wortgefecht, das fast schon ein wenig ans bekannte Beleidigungsfechten aus Monkey Island erinnert. Wie dieses Jahr auch schon im Spiel Venba habe ich “gelernt”, wie einige süd-asiatischen Gerichte gekocht werden und nur die Quadratmeterzahl meiner Küche und meine wirren Nahrungsmittelunverträglichkeiten haben mich davon abgehalten, mir ein neues Regal mit Kochbüchern und Küchengeräten einzurichten. Vielleicht könnte ich mir zumindest die Bücher sparen, wenn es mehr Koch-Keynotes gäbe wie die von Game Director Chandana Ekanayake.
Auf das Skateboard als Fortbewegungsmittel bin ich noch gar nicht eingegangen, aber den ganzen Teil des Spiels, in dem ihr als Budget-Tony Hawks im Skatepark mittels Rampen-Kunststücken die Dorfjugend vor einem größenwahnsinnigen Sektenführer mit Bärenkopf und entsprechenden Wortwitzen (fragt nicht) retten könnt, könnt ihr euch selber erspielen! Was nämlich viel wichtiger ist: Man merkt dem Spiel an, von wem es geschrieben wurde. Das Outerloop Games-Team besteht mindestens zu einem sehr großen Teil aus People of Color und queeren Personen. Es weiß genau, worüber es schreibt. Es flossen viele eigene Erlebnisse und Erfahrungen ein, weswegen die Geschichte keine aufgepfropfte Fassade ist. Sie ist von marginalisierten Personen für ebensolche geschrieben, die sich Bewertungen zufolge auch endlich mal gesehen und repräsentiert fühlen.
Und ihr könnt euch jetzt sicher vorstellen, wer das nicht so mag: Genau, die Überrepräsentierten, denen selbst die Existenz von trans oder lesbischen Women of Color schon zu viel ist, schreiben 0 Sterne Reviews bei Metacritic, die eigentlich auch als bestes Verkaufsargument dienen könnten. Aber seht selbst, ob ihr nach dieser hier nicht laut “Shut up and take my money!”-rufend 28€ zum Kauf in die Hand nehmen oder euch mal einen Game Pass-Probemonat klicken wollt, um euch selbst ein Bild zu verschaffen.
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