Die saublöde 80er-Jahre-Nostalgie der Gegenwart ist die Pest am Arsch der Popkultur. Mittdreißiger gucken modern produziertes Zeug mit gefaketem Videogekrissel und wichsen sich einen darauf ab, dass sie auch das letzte hirnrissige E.T.-Zitat noch erkennen. „Geil, der Soundtrack klingt voll nach John Carpenter!“ — „Fresse…!“ Wenn noch David Hasselhoff grenzdebil über den Bildschirm wackelt, oder ein beschissen animierter Dinosaurier irgendwelche Nazis zermalmt, freut sich der seelen- und hirnlose Nerd von heute ein zweites Arschloch.
Wann dieser verachtenswerte Trend ein Ende findet, ist nicht abzusehen. Abfall wie Kung Fury wird fürs Kino aufgeblasen und redundante, zielgruppengerecht am Reißbrett zusammengeschissene Nostalgiegranaten wie Stranger Fucks werden sogar von eigentlich intelligenten Leuten abgefeiert. Noch blöder und überflüssiger wäre ein 90er-Revival, denn jeder, der über mehr als zwei Hirnzellen verfügt und dieses Jahrzehnt bewusst miterlebt hat weiß, dass Menschen mit Geschmack es nur mittels harter Drogen bis in die 2000er geschafft haben, ohne vorher wegen optischer und akustischer Bullshit-Folter Suizid zu begehen. Die 90er sind die Schande des 20. Jahrhunderts und das Beste was man über sie sagen kann ist, dass sie vorüber sind. Wer sich einbildet, es hätte in dieser Zeit irgendetwas von Wert gegeben, irrt und wirft vermutlich auch zum Vergnügen Katzenbabys aus dem zehnten Stockwerk.
Rad Rodgers ist eine Ode an die Neunziger. Und wer sich jetzt fragt, warum ich, nachdem ich in der Einleitung recht deutlich gesagt habe, dass ich nicht so besonders auf dieses Jahrzehnt stehe, jetzt überhaupt noch weiterschreibe, dem kann ich keine vernünftige Antwort geben. Vielleicht bin ich ebenso dumm wie die Leute, die freiwillig auf eine Party gehen, auf der Euro Dance gespielt wird. Rad Rodgers ist ein Run-and-Gun, wie man es aus den „guten alten Zeiten“ kennt. Man rennt und schießt, aber im Gegensatz zu coolen Spielen wie Metal Slug oder motherfucking CONTRA ist der titelgebende Protagonist hier ein blasser, blonder Junge, der in den 90ern als frecher Bursche voll gerne crazy Videogaemz zockt. Schon das Intro offenbart, wohin die Reise geht: „Rad“ sitzt daheim und zockt voll edgy irgendein Videospiel, als Mutti sagt, dass er ins Bett müsse und den Aparillo sofort einkassiert, wenn jetzt nicht mal Schluss ist. „Rad“ sagt, das sei nicht irgendein Aparillo, die Konsole heiße „Dusty“. „Rad“ tut wie befohlen und wird von Mutti ins Bett gesteckt, so wie „echte Gamer“ es auch mit Ende zwanzig noch kennen und schätzen. Zähne putzen verweigert er, wie ein „echter Gamer“ eben.
Doch plötzlich wird er wieder wach, geht ins Videospielzimmer und stellt fest, dass die Kiste läuft. Ruckezuck wird er in den Fernseher gesaugt und erwacht in „Level One“. „Dusty“ die völlig durchgeknallte Kackkonsole hat plötzlich Arme und redet wie Bob Hoskins in Super Mario Bros., nur noch viel, viel schlimmer. Hier endet die Geschichte auch schon, denn in guter 90er-Tradition wird innerhalb des Spiels weniger erzählt und mehr gehandelt. „Dusty“ überreicht „Rad“ eine Zapper/Superscope-Gedächtnis-Knarre und los geht’s mit der Knallerei. Nachdem wir einige Zeit alles über den Haufen geschossen haben, geraten wir an eine verpixelte Stelle im Spiel, die „Dusty“ durch das Eintauchen in das „Pixelverse“ wieder richten muss. Ähnliche Stellen, an denen z.B. eine Plattform fehlt, finden sich häufiger. Diese Lücken entstehen, da laut „Dusty“ die „lazy ass game developers“ einfach das bekackte Level nicht fertig programmiert haben.
Geflucht wird überhaupt viel in Rad Rodgers, sofern man sich anfangs nicht für die Kinder-, sondern die Erwachsenenversion des Spiels entscheidet. Letztere ist dann voller böser Wörter, was selbstverständlich verfickt nochmal überhaupt nicht erwachsen, sondern knallpubertär und völlig behämmert, und diskreditiere ich mich hier gerade selbst, verdammt nochmal? Jedenfalls ist das Rumgeraunze eher peinlich als amüsant, aber das ist für ein Erzeugnis, das die 90er wiederaufleben lassen möchte, ja wiederum authentisch. Ebenfalls nah an den Spielen dieses Jahrzehnts ist man bezüglich des Umfangs. Es gibt acht Welten, an deren Ende jeweils ein Bossgegner wartet. Da der Schwierigkeitsgrad eher zeitgenössischen Gepflogenheiten entspricht, kann man sich relativ zügig durcharbeiten, sodass nach gut fünf Stunden Sense ist. Neben dem Geballer und dem oben erwähnten Pixelverse, gibt es noch kleinere Rätsel und Abschnitte, in denen „Rad“ sich per Pogostick vor steigendem Wasser retten muss. Wieder eine Referenz, wieder nichts Weltbewegendes.
Wir werden also mit Althergebrachtem und wenigen neue Ideen konfrontiert. Grundsätzlich habe ich nichts gegen aufgekochte Reste von Gestern, aber bei Rad Rodgers wollte der Funke zu keinem Zeitpunkt überspringen, da ich alles irgendwo schon in deutlich besserer Form gesehen hatte. Vielmehr kann ich an dieser Stelle auch nicht erzählen, da mich einfach alles an diesem Spiel abgestoßen hat und ich schnell die Segel streichen musste. Schon bei Sichtung des Trailers hätte mir klar werden müssen, dass ich und Rad nicht glücklich miteinander werden würden. Olles Hüpfballern in quietschiger Kulisse erschien mir aus der Ferne wie ein potenziell launiger Zeitvertreib, war er aber nicht. Das Herumreiten auf der 90er-“Edgyness” ist schier unerträglich und tötet in mir jegliches Interesse daran, dieses Spiel auch nur eine Minute länger laufen zu lassen. Verwundert musste ich feststellen, dass viele andere Blogs deutlich wohlwollender urteilen, was vermutlich an einer höheren Bullshit-Toleranzschwelle oder einer insgesamt ausgeprägteren Selbstbeherrschung liegt, aber was weiß ich schon.
Es überrascht also nicht, dass Rad Rodgers kein Aspirant für meine Top 3 dieses Jahres ist. Abgesehen von dem platten Spielprinzip und dem furchtbaren Humor, der mir physische Schmerzen bereitete, wirkte auch die Steuerung träge bis unpräzise und sogar die mich sonst wenig tangierende Framerate war nicht konstant, OBWOHL ICH EINE XBOX ONE X HABE UND DAS IST SCHLIESSLICH DIE STÄRKSTE KONSOLE DER WELT! Vielleicht bin ich unfair, vielleicht bin ich ein Arschloch, vielleicht bin ich aber auch ein Prophet und habe recht mit jedem Wort, das ich jemals ausgesprochen habe. Ich weiß es nicht. Jedenfalls hatte Rad Rodgers bei mir in dem Moment verloren, als die Konsole anfing zu reden und versucht wurde, diese Pest, die der 90er-Jahre-Style darstellt, irgendwie halbironisch als cool zu verkaufen. Oder irre ich mich? Bin ich völlig verblendet und steckt unter diesem Gerümpel, dieser Huldigung an das ästhetisch schlimmste Jahrzehnt seit Menschengedenken vielleicht doch ein kompetenter Platformer? Keine Ahnung, ich werde es niemals erfahren, denn ich habe mir irgendwann vor Wut beide Daumen abgebissen und werde nie wieder etwas spielen können, was vermutlich das Beste für alle Beteiligten ist.
4 Kommentare
Ja! Nachdem ich mich gerade durch Stranger Things gequält habe, was mir von etlichen Leuten empfohlen wurde, empfinde ich deine einleitenden, in Anbetracht des unerträglichen Retro-Schwachsinns geradezu besonnenen Worte als sehr wohltuend. Ich dachte schon ich sei vielleicht der einzige Irre, der diesem 80er-Revival mit Ekel gegenüberstehe.
Keine Sorge, ich verachte diesen Schmonzens schon lange. :D Auch wenn mein Text etwas extrem daherkommt möchte ich gar nicht behaupten, dass es wunderbare 80er-Zitate in der zeitgenössischen Popkultur gibt. Oft wirkt das alles aber gezwungen und absolut durchkalkuliert. Und das brauche ich wirklich nicht.
Tarantino Filme wirken auch immer so durchkalkuliert, was das angeht.
ich zitiere mal:”Wer sich einbildet, es hätte in dieser Zeit irgendetwas von Wert gegeben, irrt und wirft vermutlich auch zum Vergnügen Katzenbabys aus dem zehnten Stockwerk.” dein ernst? wie kann man so einen Satz schreiben und nicht gleichzeitig an den schmerzen verrecken? ein klares Zeichen wie dumm und überheblich die jetzige Generation ist. nuff said