Mit meinen Präferenzen für Videospiele verhält es sich ähnlich wie bei meinen persönlichen Film-Vorlieben. Einerseits liebe ich unabhängig und mit relativ einfachen Mitteln produzierte Gore-Feste, Sci-Fi-Visionen in eine abgedrehte düstere Zukunft und abstruse Charakter-Darstellungen, auf der anderen Seite komme ich schwer an einem Heist-Film vorbei, der zwar mit einem langweiligen, schon hunderte Male recycletem Plot, aber auch mit halbstündigen Schießereien mit riesigen Knarren, ramboesken Explosionen, Sport-Taschen voller Dollar-Bündel, Verfolgungsjagden mit monströs großen, Sprit schluckenden Ami-Karren und Jennifer Lopez’ Hintern aufwartet.
Iji ist das Bastard-Kind, das aus der Vermählung der beiden eben beschriebenen, auf den ersten Blick kaum zusammen passenden Welten hervorgegangen ist. Daniel Remar hat mit Erfolg den Beweis angetreten, dass einem auch ohne ein hundertköpfiges Entwickler-Team und einen Dagobertschen Geldspeicher im Rücken ein richtig großer Wurf gelingen kann, dass man als Einzelperson innerhalb von nur 4 Jahren, ohne auch nur einen Pixel-Shader zu programmieren, einen Blockbuster produzieren kann, der sich nicht hinter Mainstream-Shootern wie Halo oder Black verstecken muß. Dem Spiel hat es sichtlich gut getan, daß sein Autor trotz technischer Einschränkungen nicht zu tief gestapelt, sondern Iji selbstbewußt obszön große Sprite-Explosionen einverleibt hat – es kann sich also niemand darüber beschweren, dass die Waffen keinen “Punch” hätten.
Von der Vorstellung, Iji hätte Ähnlichkeit mit anderen, unter Vorbehalt als “Indie” zu bezeichnenden Spielen wie World of Goo oder de blob, sollte man sich so schnell wie möglich frei machen, denn Iji setzt sich aus dem gleichen Genre-Mix zusammen, der in den Regalen großer Kaufhausketten unter dem Label “Action-Adventure” verkauft wird. Wie auch seine potentiellen Regal-Nachbarn Half-Life 2 oder Crysis enthält Iji kein einziges neues Feature, sondern besticht, wohl auch wegen der langen Entwicklungszeit, durch eine perfekte Komposition alt bekannter Spiel-Elemente und eine Dynamik, die den Puls alle dreißig Sekunden auf 180 schießen läßt und die Blutbahn immer wieder mit Adrenalin flutet. Wie bereits erwähnt, setzt Iji vollends auf Bewährtes, und man muß zugute halten: Es wurde ausschließlich bei den Besten geklaut..
Der graphische Stil wurde einfach und, so dies bei einer Auflösung von 800 x 600 Pixeln möglich ist, realistisch gehalten und erinnert etwas an Another World. Die Gegner, wie die Hintergründe in hellen, gesättigten Farben dargestellt, wirken wie humanisierte Tiere, Echsen oder Vögeln nicht unähnlich, die auf Körper und Gliedmaßen großflächige geometrische Panzerungen oder eckige Exoskelette tragen, könnten so auch dem Halo- oder Mass Effect-Universum entsprungen sein. Wahrhaft großartig ist der Soundtrack und -effekte des Spiels, die mich dazu bewogen, nach langer Zeit wieder einmal die PC-Lautsprecher bis an die Grenze des Erträglichen aufzudrehen, wie zu Zeiten intensiver nächtlicher StarCraft-Matches (Sorry, Sarah! ;)) – 8-Bit-Metal wie von Machinae Supremacy und Schreie, die einem das Mark in den Knochen erschüttern lassen, wenn die Protagonistin, von einer Rakete getroffen, durch den gesamten Raum fliegt.
Für das Level-Design fällt mir nur ein einziger Begriff ein: Metroidvania. Man begibt sich durch ein Labyrinth von einzelnen Aufzügen, Lüftungsschächten und von Monstern infizierten Räumen, muss springend verschiedene Plattformen erklimmen und manchmal Türen und Wände durchbrechen, um zum Ausgang des Levels zu gelangen, vor dem, Überaschung, gern mal ein haushoher, unsichtbarer oder unverwundbarer Bossgegner seelenruhig auf die Ankunft der Spielerin oder des Spielers wartet. Es existieren einige Alternativrouten durch verstaubte Gänge, auf denen man vielen der fast ausschließlich unfreundlich gesinnten NPCs aus dem Weg gehen kann, und haufenweise Geheimräume mit Munitions-Nachschub und anderen Goodies, die sich einem erst erschließen, nachdem man die nötigen Fähigkeiten, um höher springen oder Türen besser hacken zu können, erworben hat.
Kommen wir zu meiner Achillesferse, den Deus Ex-ähnlichen RPG-Elementen: Gegner, die das zeitliche gesegnet haben, hinterlassen neben Munition, Medpaks und Schild-Energie eine unterschiedliche Anzahl Erfahrungspunkte, die man, wenn man genug davon gesammelt hat, in verbesserte Fähigkeiten ummünzen kann, zum Bespiel um gegnerische Waffen benutzen und aufrüsten, Türen hacken oder eintreten zu können, mehr Lebensenergie oder die Möglichkeit, eine größere Spur der Vernichtung zu hinterlassen, zu erlangen. Die Sprungkraft und Stärke der Rüstung sind ein Sonderfall, sie erhöht man durch das Aufnehmen von Items an mehreren Stellen des Spiels. Andere Spezial-Fähigkeiten erlernt man, indem man die in größerer Zahl als in Bio- oder System Shock vorhandenen, überall auf dem Boden liegenden Logbuch-Kapitel durchliest, mithilfe derer ein großer Teil der Hintergrund-Geschichte erzählt wird.
Zu meinem Bedauern strotzt diese leider auch nicht vor Einfallsreichtum, obgleich es in diesem Fall durchaus angebracht gewesen wäre. Wie im guten alten Hollywood Pictures für den Amiga läßt sich der Plot in einem Satz zusammenfassen: Nachdem das junge Mädchen Iji aus einem sechs Monate dauerndem Koma erwacht, stellt sie fest, dass außer ihrem Bruder ihre gesamte Familie tot und das gut gesicherte Forschungs-Labor, das sie mit ihnen besuchte, voll mordlustiger Aliens ist, Wissenschaftler ihren Körper mit Nano-Technologie aufgemotzt haben und sie mit der schwierigen Aufgabe betreut wurde, den ALF-General davon zu überzeugen, doch bitte den friedlichen Rückzug von der Erde anzutreten. Immerhin ist die weibliche Protagonistin nicht mit all zu vielen Clichés behaftet und der Inhalt der Dialoge passt sich der eigenen Spielweise an – da ich alles niedermähte, was sich mir in den Weg stellte, war meine Iji am Ende des Spiels sehr darüber erschrocken, welch ein schlimmes Blutbad sie da angerichtet hatte.
Wem Iij jetzt noch nicht gefällt, und derartige Personen klauen wahrscheinlich auch gern kleinen Kindern den Lutscher, hilft wahrscheinlich weder ein Link zu einigen humorvollen Tagebuch-Einträgen eines der Außerirdischen, noch der Hinweis, daß das Spiel lediglich 30 MB klein, kostenlos erhältlich und auf jedem besseren Taschenrechner spielbar ist.
Allen anderen wünsche ich in den nächsten 5 bis 25 Stunden viel Spaß dabei, Iji auf allen Schwierigkeitsstufen durch zu spielen und die vielen verborgenen Extras zu entdecken oder frei zu schalten.
12 Kommentare
Großartiger Titel! ;-)
Habs mir auch mal runtergeladen. Läuft sogar auf meinem eee.
Huch, ich habe gerade festgestellt, dass der Zip-Ordners des Spiel seit geraumer Zeit ungeöffnet auf meinen Desktop vergammelt. Na, das wollen wir jetzt aber ändern!
Änderungen sind immer gut, sagte einmal ein weiser Mann. Ein anderer weise Mann sagt aber auch: Meine Fresse, “Iji” ist geil!
Ich bedanke mich für diesen grandiosen Spieltipp! Das Spiel macht unglaublich viel Spaß.
Was für ein klasse Spiel! Danke für den Tipp!
nur mal kurz angespielt, tatsächlich ganz cool.
wenn mal zuviel zeit vorhanden ist werd ich mir das sicher mal genauer angucken
danke für den tip
Danke, gestern runtergeladen und satte 3 Stunden gezockt.
Das Teil ist wirklich cool! Erinnert tatsächlich ein wenig an Klassiker wie Another World oder Blizzards Black Thorne…
Har! Yaharr! Hrrrrr!
Danke!
Ich hänge am Endgegner (nicht Christian). Irgendwelche Tipp?
Ihr lasst mich also einfach hängen? Eine lumpige Leserschaft ist das hier!
Use the Force, Luke. ;)
Du mußt ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen.. (Außerdem, wird da nicht ein Tip eingeblendet, wenn man es nicht nach ein paar Versuchen schafft? Und in einem der heumliegenden Logs müßte es auch stehen.)