Als Sony 2020 der PS5 eine Tech-Demo namens Astro’s Playroom beipackte, um den DualSense-Controller gebührend in Szene zu setzen, waren sich alle schnell einig: „Wow! Macht daraus auf jeden Fall ein vollwertiges Astro Bot-Spiel!“ – Tja, und da isses nun, ganz unprätentiös als Astro Bot betitelt.
Und so schlicht wie der Titel ist auch seine Story: Astro fliegt mit seinem Raumschiff, das eigentlich eine PS5 ist, durch das All und macht mit seiner Crew aus Bots den ganzen Tag Party. Doch dann kommt ein Alien namens Space Bully Nebulax vorbei, macht die PS5 kaputt und entführt auch noch die ganze Bot-Bande. Und so muss Astro seine Crew und die fehlenden Teile des Mutterschiffs auf den umliegenden Planeten wieder einsammeln.
Das Spiel ist in gewisser Hinsicht genau das, was sich damals jeder gewünscht hat: Mehr von Astro‘s Playroom. Aber damit hat sich Team Asobi nicht zufriedengegeben. Viel mehr haben sie aus Astro Bot den derzeit besten 3D-Platformer überhaupt gemacht. Sorry, Super Mario Galaxy, du warst bis vor kurzem noch meine Genre-Referenz, aber jetzt kannst du nach Hause gehen. Nimm es mir nicht übel, alter Mützenmann, aber Team Asobi hat hier mindestens so viele Ideen reingepackt, wie deine Schöpfer auf zwei Spiele verteilt haben. Ja, die WiiMote war damals lustig, aber der DualSense, besonders wenn man ihn derartig virtuos zu nutzen weiß, ist da nochmal ein ganz anderer Schnack!
Es sind ja nicht nur die etwa 80 quietsch-bunten, clever gebauten Level, von denen keiner dem anderen gleicht, und die vielen Gadgets, die Astros Fähigkeiten ständig verändern, sondern auch die schiere technische Brillanz, die man hier geboten bekommt. Astro Bot ist das derzeit vielleicht hübscheste PS5-Spiel überhaupt! Und spielerisch flutscht es nur so, denn trotz der vielen Abwechslung, ist eigentlich immer sofort klar, was wie funktioniert und man hat nie das Gefühl, das Spiel wäre irgendwie überfrachtet. Als Kirsche oben drauf gibt es dann noch den ganzen knuffigen Sammelkram aus 30 Jahren Playstation-Geschichte. Perfekt!
Nachdem ich Endboss Space Bully Nebulax den Hintern versohlt hatte, fehlten mir nur noch etwa 50 Heinis (Bots) und diverse Puzzleteile. Schnell war der Entschluss gefasst, Astro Bot platinieren zu wollen. Nicht zuletzt wegen all der zuckersüßen VIP-Bots, die man nach und nach an der Absturzstelle versammeln und vermöbeln kann. Zudem schien das Ganze auch nicht besonders schwierig zu werden, weil das Spiel größtenteils einen sehr moderaten Schwierigkeitsgrad hat. Wenn man einen Planeten das zweite Mal besucht, kann man sogar einen Radar-Vogel kaufen, der einem die vorher verpassten Bots und Puzzleteile zeigt. Alles ganz easy-peasy. Dachte ich…
Als ich 280 der 300 Heinis hatte, wollte mein siebzehnjähriger Sohn mal in Astro Bot reinschnuppern und ich schlug vor, dass er mir ja beim Komplettieren helfen könne. Also spielten wir abwechselnd die Planeten, auf denen noch Heinis und/oder Puzzlestücke fehlten. Das war auch echt witzig und, wie erwartet, easy-peasy. Nun stand der Bot-Zähler auf 285 und alle Puzzles waren komplett. Es waren nur noch die verdammten Void Challenges übrig. Durch eine hatte ich mich schon durchgequält (und das schreibe ich nicht nur einfach so, die sind im Vergleich zum Rest des Spiels echt arschschwer!), blieben noch 15. Diese Challenges sind eigentlich nur jeweils 1-3 Minuten lang, wenn man sie schafft. Es gibt hier keine Savepoints, aber dafür 1001 Möglichkeit zu sterben und wieder direkt am Start zu landen. Kennt ihr Super Meat Boy? So in etwa…
„Spiel mal die restlichen drei Planeten mit dem roten X alleine. Da habe ich jetzt echt keinen Bock drauf“, lautete mein Vorschlag. – Tja, was soll ich sagen? Sohnemann brauchte zwar auch viele Versuche, aber quälte sich nicht annähernd so wie ich. Manchmal glaube ich, er ist eigentlich nur auf der Welt, um mir vor Augen zu führen, wie alt ich geworden bin. Aber auch er war der Meinung, dass die Dinger in Relation zum restlichen Schwierigkeitsgrad recht knackig sind. – „Und? Noch Lust? Ich kann dir noch 12 weitere von diesen Challenges anbieten.“ – „ Nee, lass mal. Reicht für heute.“
Am nächsten Abend war mein Kumpel Jörg zu Besuch. Unser regelmäßiger Gin Tonic Abend. Aber dieses Mal hatte ich einen teuflischen Plan: „Hey Jörg, mir fehlen nur noch 12 Bots, dann habe ich Platin bei Astro Bot. Hast du Lust?“ – „Klar! Ich hab’s zwar auch schon zuhause liegen und angefangen, aber da gibt’s ja keine richtige Spoiler-Gefahr.“
Und so verbrachten wir den frühen Abend damit, uns abwechselnd den Controller rüber zu reichen. Wohlwollend nahm ich dabei zur Kenntnis, dass es Jörg, der im gleichen Alter wie ich ist, auch nicht so leicht fiel, wie meinem Sohn am Tag zuvor. Aber einige Gin Tonic später war es vollbracht: 300 Heinis! Jetzt noch schnell zurück zur Absturzstelle und Platin kassieren! Ähm, oder auch nicht, denn mit allen Puzzleteilen und den 300 Bots konnte man dort nun die GREAT MASTER CHALLENGE freischalten, um den 301. Heini und damit endlich die Platin Trophäe zu bekommen. Wir waren also nur noch ein paar Minuten vom Ziel entfernt…
Die erste halbe Stunde habe ich noch mitgemacht, danach hatte ich keinen Bock mehr und beschränkte mich aufs Trinken und schaute Jörg dabei zu, wie er langsam dem Wahnsinn verfiel. Er war in diesem Super Meat Boy-artigen Loop der unendlichen Tode komplett gefangen, unterfüttert mit was-weiß-ich-wie-vielen Gläsern Gin Tonic. Er konnte einfach nicht mehr aufhören. Irgendwann, ich glaube es war so gegen halb zwei, nahm ich ihm den Controller weg. Wir tranken noch einen und gingen dann pennen.
Am nächsten Morgen: Als ich aufstand war Jörg bereits wach und trank Kaffee. „Moin! Ich mach mal Frühstück.“ – „Und ich probier’s noch mal.“ Jörg schmiss die PS5 an, ich den Backofen. Während ich Rührei machte und er wieder in der Great Master Challenge-Schleife hing, quatschten wir über Musik, Politik, dies und das. Als die Brötchen fertig waren und ich gerade den Frühstückstisch deckte, sagte Jörg plötzlich mitten im Gespräch „Äh, ich bin durch!“, und es machte „Pling!“
Und so ging „meine“ Platin Trophäe bei Astro Bot in der Banalität des Frühstückmachens fast unter. Insgesamt hatte Jörg gute drei Stunden in diese Challenge geballert, die theoretisch eigentlich nur drei Minuten dauert, und als er sie dann endlich schaffte, war das irgendwie nicht der große Moment, auf den wir am Vorabend hin gefiebert haben, sondern passierte einfach so. Tja.
Ein paar Tage später erzählte ich meinem Sohn von der super-kack-schweren Great Master Challenge und wie lange Jörg dafür gebraucht hatte. Er schmiss daraufhin die PS5 an und schaffte sie nach ungefähr 30 Minuten… Ganz easy-peasy.
2 Kommentare
Wenn man, trotz ständigen Versagens, den Controller nicht genervt in die Ecke pfeffert, muss das aber ein gutes Spiel sein.
Definitiv!