Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Heute geht es um Kellerrohrbrüche und gute alte Geschäftsmodelle…
Die Rückkehr des einfachen Doppelklicks
Gastbeitrag von Marcus “loess” Dittmar, einer von zwei Autoren des Blogs mit dem schönen Namen 99leben.de.
Das vergangene Spielejahr beinhaltete zwar zahlreiche bemerkenswerte Titel über die ich an dieser Stelle nun auch gerne geschrieben hätte, jedoch sind für mich trotz Next-Gen-Konsolen und allerlei Grafikmonstern nicht etwa die aktuellen Action-Feuerwerke von besonderem Interesse gewesen, sondern die Wiederentdeckung großartiger Klassiker.
Auslöser hierfür war das eher bedauerliche Ereignis eines Kellerrohrbruchs in meinem Haus, durch den meine gesamten alten Spielekartons auf einmal zu einem Haufen formloser Pappmaché verkommen sind. Insbesondere alte Rollenspielklassiker fanden sich darin, welche ich nach dem Betrachten des Unheils mit schwerem Herzen auf dem Hinterhof entsorgen musste. Da einige der CDs mittlerweile sowieso nicht mehr lesbar waren, machte ich mich auf die Suche nach günstigem Ersatz und stieß dabei auf eine recht neue Downloadvertriebsseite, die sich ihrem Angebot entsprechend „Good Old Games“ nannte. Und nun kommt der Punkt in meinem Beitrag, an dem ich extrem aufpassen muss, nicht in den Verdacht der Werbetexterei zu geraten.
Wer sich seit geraumer Zeit mit Plattformen wie Steam oder Origin herumschlägt, um seine Spiele überhaupt aktivieren und spielen zu können, der mag bei Good Old Games nun seinen Augen kaum trauen. Zum Erwerb der zumeist schon recht betagten Titel ist nämlich weder ein separater Downloader erforderlich, noch muss irgendetwas aktiviert oder registriert werden, wie man das ja mittlerweile von den meisten modernen Spielen her kennt. Man nehme nur mal Battlefield 3, wo man sich beim Online-Kauf erst den Origin-Downloader laden und seine persönlichen Daten offenlegen muss, bevor überhaupt mal irgendwas auf der Festplatte landet. Will man seine Spielstatistik gerne auch außerhalb des Spiels betrachten, darf man sich zusätzlich abermals auf der Battlelog-Webseite registrieren, Bestätigungsemails verifizieren…ach, und für weitere Waffen gäbe es dann zusätzlich noch den “Gun Club”, für den man sich auch gerne ein weiteres Mal registrieren kann. Über die begleitenden empfindlichen Einsichten in grundsätzlich private Informationen wurde andernorts ja bereits genug geschrieben.
Für die längst vergessene Einfachheit des Installierens von erworbenen Spielen sorgt bei GOG-Titeln das Fehlen eines Kopierschutzes. Wirklich. Es gibt keinen. Man fühlt sich fast wie ein Zeitreisender, der auf seinem alten Pentium II-Rechner einfach eine .exe-Datei ausführt und loslegen kann. Dass die angebotenen Spiele zudem mit allerlei mal mehr, mal weniger sinnvollen Extras wie Desktophintergründen, Handbüchern oder Soundtracks daherkommen und dennoch selten mehr als ein Menü bei McDonald’s kosten, scheint beinahe surreal. Man muss sich das mal vorstellen, in einer Zeit, in der die großen Publisher den ehrlichen Kunden mit allerlei Spysoftware und systemabsturzverursachenden Kopierschutzmechanismen gängeln, wagt es ein kleines Start-Up-Unternehmen genau den gegenteiligen Weg zu gehen, und das Beste daran: Es hat damit anscheinend respektablen Erfolg.
Mittlerweile wird konsequenterweise nun auch darüber nachgedacht, das Geschäftsmodell auf den Verkauf aktueller Titel auszuweiten, was mit dem Anbieten von „The Witcher 2“ bereits einen vielversprechenden Test durchlief. Da macht zwar der Name des Projekts dann nicht mehr allzu viel Sinn, aber wenn dadurch die Seite und deren Angebot weiterhin so rasant wächst wie im ablaufenden Jahr, dann ist das aus Spielersicht nur zu begrüßen. Kopierschutzfreie und plattformunabhängige Spiele überall auf der Welt zum selben Preis zu erhalten, da gehen selbst eingefleischten Raubkopierern langsam die Argumente aus, was sich auch in der Aussage eines Sprechers von gog.com widerspiegelt, dass man mehr Käufer durch Verlinkungen von irgendwelchen Torrenttrackerseiten akquiriert habe, als durch die Suche über herkömmliche Suchmaschinen wie Google.
Eine Info, die man getrost den Verantwortlichen bei Ubisoft mal auf den Tisch knallen könnte, die ihre fallenden Softwareverkäufe gerne allein der Piraterie in die Schuhe schieben möchten, jedoch mit ihrem immer tiefer ins System eingreifenden Kopierschutzmaßnahmen sicherlich auch einige ehrliche Käufer verprellt haben.
Ein Umdenken großer Publisher in dieser Hinsicht dürfte dennoch vorerst ein Wunschtraum bleiben, verkaufen sich die großen Titel doch nach wie vor wie kaltes Mineralwasser in der Sahara. Doch das Jahr 2011 brachte in Form von Good Old Games zumindest den Veteranen unter den PC-Spielern noch einmal die schöne Erinnerung an längst vergangene Tage zurück, an denen man zum Spielen nicht mehr tun musste, als eine einzelne Datei anzuklicken.
7 Kommentare
Ich kann deine Begeisterung für GOG ja durchaus nachvollziehen, und mir ist auch bewusst, dass nicht jeder immer alles kennen muss. Aber ey, Good Old Games gibt es seit 2008, und selbst hier auf Polyneux wurde es bereits im Januar 2009 ausführlich erwähnt.
Ja, das gibt es schon lange.
Ich hab allerdings dieses Jahr auch zum ersten Mal bei GOG eingekauft, nachdem ich einen Account erstellen [i]musste[/i], weil GOG zeitweise Baphomets Fluch verschenkt hat.
“Erinnerung an längst vergangene Tage […], an denen man zum Spielen nicht mehr tun musste, als eine einzelne Datei anzuklicken.”
Äh? Eine EXE anklicken? Was soll das denn für ein neumodischer Mist sein?! Früher musste man den Namens des Spiels in die Kommandozeile tippen und im schlimmsten Fall musste man erst mal seine CONFIG.SYS anpassen, weil das Spiel EMS statt XMS haben wollte. Einfach als heute war das Starten eines PC-Spieles damals sicher nicht. ;)
(Wo ist der Edit-Button? *schäm*)
Ich persönlich bin GOG-Fan seit Gründung der Seite… Und das bleibt die einzige Form der digitalen Distribution die ich bereit bin zu akzeptieren. Steam und co. haben mir die Lust an aktuellen Titeln ordentlich vergällt, ich hoffe daher das der Vorstoß hin zu aktuelleren Spielen von Erfolg gekrönt ist. Für fehlendes DRM bin ich jedenfalls auch gerne bereit etwas mehr zu bezahlen.
… und Baldur’s Gate 1+2 über GOG gekauft. Mal sehen, wie sich diese Legende von Spiel heute auf dem Laptop und mit BG-Trilogy-Mod anfühlt.
Asche über mein Haupt, ich habe es tatsächlich wohl ein wenig vernachlässigt darzustellen, dass GOG schon deutlich länger existiert. Ich hoffe aber, dass man mir diesen Fauxpas verzeihen kann, da es ja in dem Beitrag hauptsächlich um meine persönliche Entdeckung des letzten Jahres geht und ich die Geschicke der besprochenen Seite auch erst seitdem interessiert verfolgt habe.
Und Nils, ich hoffe auch du kannst es mir nachsehen, dass ich mich nicht zwingend nach den Zeiten zurücksehne, in denen man noch den Kabelsalat seiner Datasette mit einem Bleistift versucht hat zu beheben. Der Fortschritt in der Software-Branche war ja nun nicht immer von solch negativen Begleiterscheinungen umgeben, wie es derzeit beispielsweise mit Origin passiert. Die Windows 98/Windows XP-Zeit war eben die, die sich in mein Hirn gebrannt hat, weshalb ich womöglich auch viele Bluescreens und Treiberprobleme für den Artikel ausgeblendet habe. ;)
Aber die waren mir immer noch lieber, als das, was derzeit sich als Trend abzeichnet.