Als ich vor etwa einem Jahr über Shadowgrounds schrieb, welches in mir wohlige Alien Breed-Erinnerungen hervorrief, habe ich unter anderem auch ellenlang über das Genre „Top-Down-Shooter“ referiert und darauf hingewiesen, dass es seit einigen Jahren auf dem PC so gut wie tot ist. Doch wie das Leben so spielt, stehe ich jetzt als Lügner da, denn gerade ist schon wieder ein Vertreter dieser Gattung erschienen:
Mit Alien Shooter 2 hat der deutsche Qualitäts-Publisher *hust* CDV, der für solch brillante Spieleperlen wie Breed, Lula 3D oder auch ÜberSoldier verantwortlich ist, einen direkten Konkurrenten zu Frozenbytes Alienschnetzelei veröffentlicht. Ob es sich hierbei um eine späte Rache seitens CDV für meinen damaligen Breed-Totalverriss handelt oder nur purer Zufall ist, wage ich nicht zu entscheiden. An eine regelrechte Renaissance der Top-Down-Shooter glaube ich dennoch nicht, denn auch zwei Schwalben machen immer noch keinen Frühling.
Vom Vorgänger des Spiels, immerhin deutet die „2“ im Titel ja in der Regel an, dass es auch einen ersten Teil gab, hatte ich zuvor noch nie etwas gehört, aber meine Recherchen ergaben, dass es sich wohl um eine Gurke erster Kajüte gehandelt hat, von der dementsprechend wohl auch nur geschätzte 5-6 Exemplare an den Mann gebracht werden konnten. „Aha!“, dachte ich mir, „Ein typisches CDV-Spiel!“ (Zugegeben, ich übertreibe. Immerhin wurden auch gute Spiele, wie beispielsweise Project: Nomads oder Duke Nukem 3D hierzulande von CDV veröffentlicht. Das ändert aber nichts daran, dass der Großteil des CDV-Katalogs aus B- und C-Titeln besteht…)
Zu meiner eigenen Überraschung habe ich AS2 dann aber trotzdem gekauft. „Irrationalen Spontankauf“ nennt man so etwas wohl im kleinen Psychologenhandbuch. Ich habe es wahrscheinlich mitgenommen, weil ich das Genre wirklich mag und normalerweise nur alle Jubeljahre mal ein entsprechender Titel erscheint. Außerdem kostet AS2 nur ca. 20 Euro, was das Risiko relativ gering erscheinen ließ. Und immerhin hat das Spiel einen ebenso generischen, wie sympathisch-ehrlichen Titel: Alien Shooter 2 – Hah! Darauf muss man erst mal kommen! Welcher klardenkende Entwickler würde sein Spiel schon „Monster Ego-Shooter 4“ oder „Echtzeitstrategiespiel mit echt vielen Dinosauriern“ nennen?! Respekt, Sigma Team! Solche Titel findet man sonst nur in den hinteren Regalen der Videothek…
Und wenn das Spiel wirklich nichts taugt, kann man ja immer noch einen schönen Verriss daraus machen. Besonders mit Verrissen von CDV-Titeln kenne ich mich bestens aus.
Und überhaupt: Der eine oder andere Leser hat ja bestimmt schon den Eindruck, wir wären zu unkritisch, weil wir überwiegend über Spiele schreiben, die uns gefallen. Der Grund hierfür ist natürlich der, dass wir tendenziell eher keine Spiele freiwillig spielen, von denen man sich vorher schon denken kann, dass sie Müll sind. Dennoch macht es mir persönlich mehr Spaß, Verrisse zu schreiben, als Spiele zu empfehlen. Ein persönliches Dilemma, quasi. Aber leider wird auch dieser Artikel nichts daran ändern, denn wider Erwarten ist AS2 ein durchaus gelungenes Spiel! Ja, damit habt Ihr nach dieser verunglückten Einleitung voller CDV-Bashing bestimmt nicht gerechnet… und damit, dass ich nun doch noch etwas über das eigentliche Spiel schreibe, wohl auch nicht…
Wer meint, er könnte sich diesen Artikel jetzt schenken, weil er schon mit Shadowgrounds, welches ich ja ebenfalls wärmstens empfohlen habe, nichts anfangen konnte, irrt sich.
AS2 ist zwar ganz offensichtlich ein Genre-Kollege von Shadowgrounds, geht die Sache aber in einigen Punkten völlig anders an. In Sachen Story und Atmosphäre kann AS2 überhaupt nicht gegen den Konkurrenten aus dem vergangenen Jahr anstinken. Die Geschichte ist in drei Sätzen erzählt und darüber hinaus aus Half-Life, Doom und diversen anderen Spielen zusammengeklaut: Forscher experimentieren im Auftrag der Regierung mit Dimensionstoren, was natürlich mächtig in die Hose geht. Aliens kommen massenweise durch diese Tore in unsere Welt und wollen selbige übernehmen. Weil aber schon alle Super-Duper-Spezialeinheiten des Militärs überrannt worden sind, ist der Spieler die letzte Hoffnung, die Erde noch zu retten…
Ja, genau. Die Geschichte ist so langweilig und unkreativ wie sie klingt. Wo Shadowgrounds Wert auf eine spannende Geschichte und Gänsehautatmosphäre legte, bedienen sich die Entwickler von AS2 aus dem ältesten Schuhkarton im Archiv der abgelegten Spielehintergrundgeschichten. Spannung im Sinne von „Horror“ oder „Gruseln“ sucht man hier vergebens.
Allerdings bietet AS2 etwas, das eventuell einige von Euch bei Shadowgrounds vermisst haben: Action pur! Alien Shooter 2 ist das Serious Sam unter den Top-Down-Shootern. Wo einem bei anderen Vertretern des Genres 10 bis 20 Gegner aus einem Raum entgegenspringen, sind es bei AS2 jedes Mal eher 100 bis 200; stellenweise sogar noch viel mehr. Und die Säuberung eines Gebietes hinterlässt immer das gleiche Bild: Die Bodentexturen sind einem blutig-roten Matsch aus Alien-Gedärm gewichen. AS2 spielt sich wie ein Splatterfilm. Überall spritzt Blut und Gedärm durch die Gegend und verschönert so die Inneneinrichtung der Militärbasis.
Aber bevor Euch mein Serious Sam-Vergleich, der aufgrund der Non-Stop-Metzelei und 08/15-Story durchaus seine Berechtigung hat, zu dem Schluss bringt, das Spiel sei eine Super-Stumpf-Variante von Shadowgrounds für die ganz simplen Gemüter unter Euch, will ich schnell einen anderen Vergleich nachschieben, der jetzt vielleicht verwundert: Alien Shooter 2 ist auch eine Art „Diablo mit Knarren und Aliens“.
Shadowgrounds gab dem Spieler 10 verschiedene Waffen an die Hand, welche man dann noch in 3 Stufen upgraden konnte. Munition und Medipacks wurden einfach aufgesammelt und zusammen mit den Waffen in der shooter-üblichen magischen Hosentasche verstaut. AS2 hingegen bietet dem Spieler ein System, welches dem von Action-RPGs nicht unähnlich ist. Die Spielfigur hat ein begrenztes Inventar, in dem man die Waffen, Munition und sonstigen Schnickschnack unterbringen muss. Es gibt 5 Waffenklassen, in denen man jeweils eine Vielzahl von Modellen zur Auswahl hat. Die Preise der Waffen richten sich logischerweise nach deren Effektivität. Auch bei den Medipacks, Kampfdrohnen, Taschenlampen und Rüstungen gibt es verschiedene Varianten. An bestimmten Automaten, gewissermaßen die Zukunftsvariante der Büdchen im Ruhrpott, kann man seine Ausrüstung ergänzen oder auch überschüssige Gegenstände verhökern.
Doch mit dem Verdienen von Geld, das man dann in immer bessere Ausrüstung investiert, hören die RPG-Anleihen in Alien Shooter 2 noch lange nicht auf, denn auch die Figur kann in einem Charaktermenü verbessert werden. Neben der Kohle erhält man in den Missionen auch Erfahrungspunkte, die man regelmäßig auf verschiedene Charakterwerte verteilen kann. Zusammen mit der Charakterauswahl zu Beginn des Spiels, bei der man sich aus diversen Typen mit sehr unterschiedlichen Ausgangswerten einen aussuchen muss, kann man AS2 tatsächlich als RPG im Stile von Diablo und Co. bezeichnen.
Weniger RPG-mäßig sind freilich all die Zutaten, die sich AS2 von den Ego-Shootern der letzten Jahre abgeschaut hat:
Man darf in diversen Fahrzeugen Platz nehmen, wobei besonders der fette Panzer zu noch irrwitzigeren Gemetzeln führt, als es ohnehin schon durchgängig im Spiel der Fall ist. Auch durch den Spieler besetzbare Geschütze dürfen nicht fehlen. In manchen Spielabschnitten gibt es NPC-Unterstützung in Form von Marine-Squads und Wachdroiden. Und die Rätseldichte, auch dies ein Trend vieler aktueller Actionspiele, geht gegen Null. Sogar das sonst übliche Suchen nach Schlüsseln, Schaltern und ID-Karten spart sich AS2 mit wenigen Ausnahmen gleich ganz, damit das Dauerballern so selten wie möglich unterbrochen wird. Somit ist das Spiel auch irgendwie die Antithese zu einer anderen klassischen Top-Down-Serie, die ich noch heute für einen Meilenstein das Genres halte: Crusader – No Remorse und Crusader – No Regret. In diesen beiden storylastigen Origin-Spielen musste man neben dem Herumballern auch viel hacken, schleichen, tarnen und Rätsel lösen. Mit derlei subtilem Vorgehen hat AS2 aber überhaupt nichts am Hut. Hier gilt schlicht das Motto: Ballern bis der Arzt kommt!
Grafisch sieht Alien Shooter 2 einen kleinen Tick schlechter aus als Shadowgrounds, wobei es jedoch auch mit netten Licht-und-Schatten-Spielchen und ordentlichen Explosionen aufwarten kann. Lediglich die Umgebungstexturen wirken manchmal etwas matschig. Auf der anderen Seite hat mir der Soundtrack von AS2 extrem gut gefallen. Man kann die Musik nicht direkt mit der von Shadowgrounds vergleichen, da dieser Titel mehr Wert auf die gruselige Atmosphäre legt und mit dieser Zielsetzung auch wunderbar funktioniert, aber musikalisch rockt AS2 einfach mehr. Die Mischung aus schnellen Industrial-Tracks passt einfach großartig zum Non-Stop-Monster-Matschen! Unentschlossene, denen unsere Screenshots zu klein und hässlich sind, sollten auf jeden Fall mal einen Blick auf die Demo werfen (ca. 140 MB), denn in Bewegung sieht das Ganze doch um einiges besser aus als die Bildchen erahnen lassen.
Genres, Schubladen und Vergleiche. Das Ganze ist so extrem abgedroschen und doch gleichzeitig so hilfreich für den unentschlossenen Leser… Und ich habe gleich noch einen Vergleich, wenn auch eher für die Älteren unter Euch: The Chaos Engine. Zumindest, wenn man es im Coop spielt, hat AS2 eine Menge von dem Top-Down-Klassiker der Bitmap Brothers, der mich damals unzählige Stunden fesselte.
Neben dem Coop bietet das Spiel auch ein paar andere Multiplayer-Modi, wie beispielsweise den Survival-Modus oder auch schnödes Deathmatch. Leider sind alle Multiplayer-Optionen auf das Zocken im LAN ausgelegt. Partien über das Internet werden ebenso wenig angeboten wie die Möglichkeit, mit mehreren Leuten an einem einzigen PC zu spielen. Wer also in alter Chaos Engine-Tradition gerne beim Coop mit anderen Leuten vor dem selben PC sitzen möchte, weil man Fehler der Mitspieler so viel einfacher durch Schläge nach links und rechts abstrafen kann, ist bei Shadowgrounds immer noch besser aufgehoben. Andererseits kann man sich bei AS2 dadurch die Steuerung per Gamepad oder Tastatur sparen, was sich zwangsläufig ergibt, wenn man sich einen PC mit mehreren Spielern teilen muss. Die Maus-Tastatur-Kombo ist immer noch die beste Steuerungsmethode für Spiele dieser Art.
Wir fassen also noch einmal zusammen:
Alien Shooter 2 ist ein durchaus schmackhafter Top-Down-Shooter-RPG-Eintopf aus Alien Breed, Diablo und The Chaos Engine, welcher mit einer rasanten Portion Serious Sam gewürzt wurde.
Wer etwas mit einer derartig bescheuerten Umschreibung anfangen kann, ist zunächst einmal unter Garantie SpielerDrei-Stammleser. Aber vielleicht gehört er zudem auch zur Zielgruppe von AS2. Immerhin ist Alien Shooter 2 ein gutes Beispiel dafür, dass der äußere Schein manchmal trügt: Nicht immer ist auch Schrott drin, wo Schrott drauf steht…
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