Als wir uns zum Auftakt unserer Retro-Rubrik Polyvieux kürzlich Elite vorgenommen haben, erwähnte grobi eher beiläufig, dass David Braben gerade „irgendwas für WiiWare” macht. Ich nehme dann mal die Gelegenheit wahr, um Euch Junkies darauf hinzuweisen, dass dieses „Irgendwas” ein echt tolles Spiel geworden ist: Lost Winds vom Entwickler Frontier Developments ist eine richtige kleine Spiele-Perle geworden!
Ich habe wirklich meine Zweifel gehabt, was uns im WiiWare-Kanal so erwarten würde, denn immerhin besteht der Speicher der Wii lediglich aus 512 MB Flash-Ram und Nintendo war in der Vergangenheit auch nicht gerade für seinen Enthusiasmus bezüglich dieser verrückten neuen Sache namens „Internet” bekannt. Doch gleich mit meinem ersten WiiWare-Einkauf habe ich für 1000 Punkte (also umgerechnet 10 Euro) ein überraschend hübsches und innovatives Spiel erstanden, das meine Befürchtung, lediglich minimalistische Kaffeepausen-Spiele á la Geometry Wars geboten zu bekommen, augenblicklich zerstreuen konnte.
In Lost Winds geht es um den kleinen Jungen Toku, der von dem Windgeist Enril eingespannt wird, das drohende Wiedererwachen eines einstmals verbannten bösen Geistes und den damit einhergehenden Weltuntergang zu verhindern. Story und Atmosphäre erinnern stark an japanische Mythen, obwohl das Entwicklerstudio tatsächlich in England sitzt. Insbesondere an Okami (Wer es auf der PS2 nicht gespielt hat, sollte auf jeden Fall mal einen Blick auf die in Kürze erscheinende Wii-Version werfen!) musste ich beim Spielen mehr als einmal denken, was aber auch stark am eigentlichen Gameplay dieses Jump’n’Run-Adventures liegt.
Man steuert Toku direkt mit dem Nunchuck, wobei wir hier im Wesentlich nur vom Rechts-Links-Laufen reden. Mit der WiiMote hingegen steuert man Toku nur indirekt, weil der Pointer quasi Enril, also den Wind, darstellt. Toku selbst kann nur geringe Höhenunterschiede selbständig erklimmen und ist beim Überwinden von Abgründen oder Erreichen von höher gelegenen Orten darauf angewiesen, dass ihm Enril im wahrsten Sinne des Wortes unter die Arme greift. Enril kann aber noch mehr: Mit dem Einsatz des Pointers bzw. des Windes kann die Umwelt auf viele verschiedene Arten manipuliert werden. Ist beispielsweise ein Durchgang mit Ranken zugewachsen, kann man das Feuer einer nahegelegenen Fackel herüberwehen lassen, um das Gestrüpp zu verbrennen. Heilende Früchte werden per Windstoß kurzerhand vom Baum geweht. Gilt es eine Tür per Bodenplatte zu öffnen, bugsiert man durch Windstöße einen Felsbrocken an die gewünschte Stelle, so dass die Tür dauerhaft offen bleibt. Manchmal sind die Rätsel aber auch etwas aufwendiger zu lösen. So muss man beispielweise erst einmal einen Samen in die Erde pflanzen, diesen dann von einem nahegelegenen Wasserfall per Windstoß bewässern und kann schließlich mit Hilfe des nun gewachsenen Riesenkleeblatts in noch größere Höhen fliegen. Ich denke Ihr seht schon, wie das Ganze in etwa funktioniert und warum gewisse Assoziationen zu Okami nicht von ungefähr kommen, denn die tolle und unkomplizierte Windsteuerung erinnert schon ein wenig an die Pinselstriche der ebenfalls großartigen Wolfsgöttin.
Gegner gibt es natürlich auch in Lost Winds, wobei Toku auch hier eigentlich gar nichts selber erledigen kann, sondern immer vollkommen auf seinen windigen Begleiter angewiesen ist. Toku ist eben ein ganz normaler kleiner Junge ohne jede besondere Fähigkeit, was die Figur um so sympathischer macht.
Wenn ich schon die Gegner erwähne, kann ich auch gleich verraten, dass Lost Winds ein Spiel ist, das den Spieler stressfrei und angenehm entspannt unterhalten will. Um den Game-Over-Screen zu sehen, muss man es eigentlich schon mit Absicht darauf anlegen. Das Spiel ist weder kackschwer noch irgendwie stressig. Die Rätsel sind für wirklich jeden zu meistern und ersparen einem jedwede Frustmomente.
Überhaupt habe ich nur selten ein so entspannendes Spiel gespielt! Dies liegt neben dem relaxten Gameplay natürlich auch an der zauberhaften Grafik und der ungemein stimmungsvollen Sounduntermalung. Und ich muss an dieser Stelle nochmals erwähnen, wie beeindruckt ich ob der Präsentation dieses Spiels gemessen an seiner eigentlichen Datengröße bin. Die hübsche Optik ist übrigens in Pseudo-3D gehalten, was man ja von vielen Jump’n’Runs seit Mitte der 90er kennt: Eigentlich ist die gesamte Grafik des Spiels 3D, aber das eigentliche Gameplay nutzt nur die 2 klassischen Dimensionen.
Doch vor allem besticht Lost Winds neben der schicken Präsentation durch seinen Charme! Es ist niedlich, ohne zu nerven, und leicht, ohne den Spieler zu beleidigen oder gar zu langweilen.
Lediglich die Spieldauer von 3-4 Stunden ist viel zu kurz. Allerdings nicht wegen des Preises von 10 Euro. (Überlegt mal, wie viel beispielsweise 2 Kinobesuche kosten…) Nein, es ist viel zu kurz, weil es toll ist und man gerne viel länger weiterspielen würde! Zwar hat Lost Winds auch eine Koop-Funktion für zwei Spieler, aber die tatsächliche Wiederspielmotivation hält sich trotzdem, zumindest meiner Meinung nach, in Grenzen. Da hilft nur, die Daumen zu drücken, dass die bereits in Arbeit befindliche Fortsetzung sehr schnell kommt und nicht im Half-Life-Episoden-Rhythmus veröffentlicht wird, wo man nur alle Jubeljahre ein 4-10 Stunden-Häppchen vorgeworfen bekommt. Da fällt mir gerade auf, dass ich bisher nicht erwähnt habe, dass Lost Winds mit einem „to be continued”-Screen endet und als Episoden-Spiel konzipiert ist. Da es mir jetzt aber zu lästig ist, noch einen Absatz weiter oben dazu hineinzufriemeln, muss es Euch reichen, dass ich Euch versichere, dass dieser Umstand nicht nervt. Und das sagt jemand, der dieses ganze Episoden-Ding bei Videospielen eigentlich zum Kotzen findet und für ganz billige Geldmacherei hält!
Also los: WiiPoints kaufen, Lost Winds downloaden und sich über ein kleines, aber feines Stück Software freuen!
5 Kommentare
Kann dem ganzen Text nur zustimmen, hatte mir das Spiel auch gleich zum WiiWare-Start geholt und war wirklich beeindruckt vom ganzen Schema an sich. Echt toll gemacht, auch von mir gibt’s eine klare Kaumempfehlung^^.
schlagt mich aber ich hab meine Wiipoints für Crystal Chronicles ausgegeben und sogar für ein paar Pay2Play Inhalte (dungeonpack für 300 und Rassenpak für 800)
Daher ist leider kein geld mehr für Lost winds drinnen, bis zur nächsten Wii-Pointkarte.
Übrigends denke ich auch das Nintendo nen Problem mit dem Speicher bekommen wird. Sie müssen das Abspielen für SD-Karten per Update nur noch unterstützen bzw. die Daten lesbar machen (was wohl nicht so schwer seien sollte, immerhin ist der SD-Kartenleser recht schnell und Homebrew mit SCUMM funst darauf sehr flott (Ja, ich konnt nicht wiederstehen Monkey Island 1 auf der Wii zu zocken) und die DVDs der Wii sind auch alle verschlüsselt, also sollte on-the-fly verschlüsselung irgendwie funktionieren)
Jep, das mit dem Speicher muss echt gelöst werden, zumal ich z.B. auch noch rund 70 VC Spiele hab^^, und ich finde es immer wieder ärgerlich, welche löschen zu müssen, um Platz zu schaffen. Aber der Grund wird bisher wirklich was mit der Verschlüsselung bzw. der Angst vor “Raubkopiererei” zu tun haben.
Hoffentlich zeigen sie was zur Lösung dazu auf der E³, meinetwegen, wenn nicht zu teuer^^, auch eine externe Festplatte von Nintendo.
Jup… sehr schönes Spiel, dem kann ich nur zustimmen. Hoffe auch auf noch viel mehr gute Wiiware SPiele !
@ ness : 70 VC Spiele ???? Wahnsinn, hätte niemals gedacht, daß manche leute sowas machen. Ich habe mir bisher 2 runtergeledan, und die kaum gespielt. Ging eher darum, die Points loszuwerden, und das mal auszuprobieren, und ds ist bei allen bekannten von mir ähnlich. Kannte bisher keinen, der das wirklich nutzt.
@ kreon : wie läuft das mit der Homebrew ? Twilight Hack ? UNd wie legal ist sowas ?
@ Dotterbart: Bei so vielen tollen Klassikern kann ich nicht wiederstehen^^.