Ich konnte mich lange Zeit davor drücken, jemals ernsthaft ein modernes Sportspiel anzurühren. Das letzte war irgendwas mit Fußball, nicht Fifa, sondern irgendein WM-Teil, der schon einiges von mir abverlangte und auch nicht sehr lange meine Aufmerksamkeit erfuhr. Es lag vor allem an mir, ich bin einfach nicht die Zielgruppe.
Wenn man nicht aufpasst, passiert genau das, wovor ich mich immer heimlich gefürchtet habe. Sportspiel trifft auf Nicht-Zielgruppe, genau genommen auf mich. Ausgerechnet die, die nicht den geringsten Schimmer von Basketball hat und wo es eigentlich von vornherein klar war, was dabei herauskommen würde. Entweder gar kein Text und wenn doch, nur ein schlechter. Vielleicht sogar ein arger Diss gegen das Spiel, weil ja grundsätzlich alles doof ist, was man nicht beherrscht und weil ich persönlich auch meine Bedenken habe, mich über Dinge zu äußern, von denen ich so gut wie gar nichts verstehe. Aber okay, so sei es. Was soll an Basketball eigentlich schon groß schwer sein. Wirf den Ball ins Netz und halt den Mund. Kloppe etwas debil auf den Ball, während der Gegenspieler vor deiner Nase dribbelt und sehe cool dabei aus. Mehr ist das ja eigentlich nicht, dachte ich, ohne dabei vollkommen außer Acht zu lassen, dass NBA 2K16 mich vielleicht auch schier erschlagen könnte.
Was eine Sportsimulation heute wahrscheinlich vor allem ausmacht, ist der spielerische Realismus auf hohem Niveau. Ohne Frage sieht das Spiel extrem gut aus, sei es das Gesicht eines Dirk Nowitzki oder die schlaksigen Bewegungen der Spieler, das Beschleunigen beim Rennen, das beginnende Schwitzen im Verlauf des Spiels, die unvorhersehbaren Time-Outs der Trainer und die sehr authentische Moderation der Kommentatoren. Ohne es wirklich zu wissen kann ich mir vorstellen, dass die NBA2K-Reihe das Beste im Bereich der Basketball-Videospiele ist, welche es auf PC und Konsolen derzeit gibt.
Wenn man sich als NBA-Veteran oder Fan mit dem Spiel beschäftigt, sind wohl die jährlichen Neuerungen und die alten Gepflogenheiten mittlerweile ins Blut übergegangen. Es ist ein großes Spiel. So groß, dass mich die vielen Mikrotransaktionen zu Beginn fast erschlagen haben, ich planlos durch die vielen Menüs gesprungen bin um herauszufinden, wo ich denn den Schwierigkeitsgrad von Legende auf… äh, keine Ahnung, Grufti stelle. Man kann sogar neue Sprungarten kaufen, sowie Klamotten bis zum Erbrechen und all das wurde mir in hässlichen Menüs und Tabellen präsentiert.
Aber nein, das war nicht wirklich so schlimm. Schlimm war eher die erschlagende Masse für mich als jene, die eben nicht die Zielgruppe ist und einfach mal eine stumpfe Karriere oder ein Schnellspiel absolvieren wollte. Alles möglich, aber finde das erstmal, lieber Spieler – klicke dich fleißig durch das große Menü, wenn du noch niemals ein NBA 2K besessen hast. Ein Monster!
Gut, Basketball auf der Konsole zu spielen war für mich alles andere als leicht. Noch bevor ich mich an den neuen Karriere-Modus in Form eines „Films“ heranwagte, bestritt ich einige Schnellspiele und studierte laienhaft die Steuerung. All meine jahrelange Erfahrung mit Videospielen hatten plötzlich keinerlei Bedeutung mehr, denn die Möglichkeiten den Basketballer über das Feld zu jagen, sind schier grenzenlos. Ich bin eine alte Frau und tat mich schwer mit den vielen Doppel- und Dreifachbelegungen der Tasten. Schon allein das normale Werfen des Balls war zu Beginn eine Hürde für mich, obwohl es tatsächlich besser wurde – nach einigen Stunden. Nach Stunden! Ich sehnte mich schnell nach etwas mehr „arcadigerem“ – Streetball oder ähnliches, wo weniger vielleicht etwas mehr ist. Wo der Realismus dem Spaß weicht, aber dafür leichter von der Hand geht. Wo eine Flachzange wie ich weniger die Stirn runzeln muss, wenn der Spieler einfach nicht richtig blocken oder passen will, obwohl man die entsprechende Taste drückt. Es stellte sich heraus, dass ich sie nur nicht lang genug drückte, aber da war das Spiel gegen die Mavericks schon wieder verloren.
Was ich vorweg vielerorts vernehmen konnte, war der neue Karrieremodus in NBA 2K16. Filmisch realisiert und inszeniert wurde dieser von Spike Lee. Gar nicht so schlecht als Debüt in dieser Form. „Inside Man“ war der letzte Film, den ich von ihm sah, der hatte mir seinerzeit gut gefallen und mich erfüllte eine leichte Neugier, wie er sein Talent in einer Sportsimulation verwursten würde. Das Gelächter um die Möglichkeit vom selbst entworfenen weissen Avatar, mit dem man dann im Laufe der Story seinen schwarzen Eltern gegenübertritt, hatte ich im Vorfeld schon vernommen. An derartigen Dingen reibe ich mich bei Videospielen schon gar nicht mehr auf. Für mich ist es schlicht nicht relevant genug, aber wer sich daran stören mag, der kann das natürlich gerne tun. Der Fokus liegt nach wie vor auf der Simulation selbst und so stand ich später tatsächlich als weisser Highschool-Boy vor meinen schwarzen Eltern und der geliebten Schwester. „Bin ich wirklich meiner Eltern Sohn? – Jacke wie Hose, ick spiele das auch so!“
Im Grunde gleicht der Karrieremodus dem üblichen Schema: Der Amateur wird zum Profi, man erhält Punkte und verteilt diese dann auf den Avatar. Spike Lee verpackte das ganze Drumherum mit viel Pathos aus der Hollywoodkiste. Der arme Junge aus der Bronx wird als Talent entdeckt, erhält Stipendien und sitzt später mit Sportmanagern und neureicher Bitch-Freundin auf der Ledercouch. Die Karrierejahre unseres Jünglings musste ich aber nicht vollends durchspielen. Es gab ausgewählte Spiele, die ich bestritt und später bewältigte ich die Rookie-Saison, die genauso ablief. Zwischen all diesen Partien gab es die recht einfach gestrickten Filmsequenzen, deren Inhalt sich hauptsächlich um Familie, Karriere und den „nervigen“ besten Freund des Protagonisten drehte. Fast ein bißchen so wie in „Jerry Maguire“, nur in schlecht. War ich endlich Profi, konnte ich darüber entscheiden, welche Herausforderungen ich als nächstes bestreiten würde oder welchem Verein ich mich anschließe. Freies Training, Sponsoring, Fan-Events; die Auswahl war unendlich. Einen gewissen Unterhaltungswert kann ich der Sache nicht absprechen, jedoch war der gebotene Film für Lee’s Verhältnisse schon arg flach und auf das gesamte Spiel betrachtet kaum der Rede wert. Am Ende gab es dann noch viel Theatralik und eine Portion extra Schmalz. Nein, bitte Spike Lee, das üben wir nochmal.
NBA 2K16 ist für mich (und das gebe ich ganz unverblümt zu) leider viel zu schwer. Das liegt aber vor allem daran, dass ich wohl nicht genügend interessiert bin, auch wirklich gut darin zu werden. Ich bin eben nicht die Zielgruppe und werde es vermutlich auch niemals sein. Immerhin habe ich es versucht. Allerdings kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass der aktuelle Titel der NBA-Reihe ohne Zweifel ein hervorragendes Basketballspiel ist. Die Möglichkeiten, sei es das Spiel alleine zu spielen, im Couchduell oder Online, sind absolut bombastisch und wenn man die Steuerung in all ihrer Vielfalt einmal inne hat, rockt das mit Sicherheit die Hütte. Die Pässe, die Blöcke, die Dunkings sind derart professionell und variantenreich, dass sogar ich alte ahnungslose Schachtel davon beeindruckt war. Auch die allgemeine Präsentation wusste zu begeistern. Beginnend bei der Atmosphäre in den Hallen, mit Cheerleadern und dem Publikum, bis hin zur Auswertung nach dem Spiel im TV-Sportkanal und Spielerinterviews.
Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie täuschend echt Sportsimulationen mittlerweile sein können. Wenn ich doch nur nicht so schlecht darin wäre, hätte ich all die Vorzüge des Spiels sicherlich noch mehr geniessen können. Die Wahrheit ist jedoch, dass ich bei aller Anstrengung die meisten Partien verlor. Spike Lee war das egal, ich wurde trotzdem als wahnsinniges Talent gefeiert, obwohl meine Quoten miserabel waren. Naja, selbst die beste Simulation hat ihre Grenzen.
14 Kommentare
Hahaha, wie geil! Da wird sofort im ersten Kommentar ein Link zum Konkurrenzprodukt von EA platziert. :’D
Ahahaha, ach Spieledingsi… welch Schmuddelgeschäft! :D
Hast du ne Wette verloren oder warum schreibst du ein Review über ein Spiel, das dich gar nicht interessiert? :D
Der krasse Dunking ist schon ein authentischer Screenshot aus einem Spiel von dir, nicht wahr? ;-)
Haha, Jens… ertappt. :’D
@Poly: Nicht ganz, es war eher ein Experiment. Ich wollte mal gucken was passiert, wenn man mal einfach versucht ein Spiel zu spielen, wo man von vornherein eigentlich weiß, dass man nicht die Zielgruppe ist. Hätte ja auch sein können, dass ich in meiner jetzigen Dekade plötzlich Interesse an Sportspielen entwickelt habe und das dann während des Spielens feststelle. Hm, naja dem war leider nicht so, aber es war dennoch lustig, denn ich bin generell immer so zielstrebig beim spielen, dieses Mal nicht. Da kann aber das Spiel nix für. :)
Finde ich sehr schön, dass Du Dich an ein Sportspiel heran getraut hast.
Persönlich lese ich Blogs/Artikel über Spiele sehr gern, wenn der Autor absolutes Fan-Girl ist oder sich an was völlig Fremden versucht. Am besten auch ein bisschen Nase rümpfen. Aber man muss dennoch fair dabei bleiben, so wie Du hier.
Pure Begeisterung oder absolute Ablehnung sind so ehrlich, die machen mir am meisten Spaß.
Aber werde jetzt trotzdem kein Basketball versuchen. Weder rl, noch auf der Playstation.
Öh ja, Konkurrenzprodukt, ich weiß ja nicht, so wars nicht gemeint, als Werbung oder so. Aber wenn einem die modernen Sportspiele zu schwer sind, dann sollte man zum guten alten NBA Jam greifen, sehr arcade, wenige Knöppe und Moves, trotzdem Spieltiefe.
Warum schreibste denn nicht gleich ein paar Worte dazu, Mensch?! :-)
@On Fire: Danke für den Tipp mit NBA Jam, ich wusste gar nicht, dass es das gibt, obwohl ich meine schonmal davon gehört zu haben. Früher gab es ja mal dieses Streetball, dass fand ich ganz witzig, PS2 war es glaube ich.
@maya: Ja, war mal was anderes. Eigentlich hat es schon Spaß gemacht, allerdings würde es das wirklich noch viel mehr, wenn man es ansatzweise auch beherrscht. Aber wenn man es zu zweit spielt und beide sind gleich schlecht, steigert das den Spaßfaktor auch nochmal etwa um 100 %. :)
@SpielerZwei
Bedienungsunzulänglichkeiten, sprich zu früh auf absenden geklickt und danach Faulheitsanfall… ^^
@Doreen
Ist ja eigentlich auch nen altes SNES (und einige andere ältere Konsolen) Spiel, die Wiederauflage für die PS3 überzeugt aber genauso wie früher, zumindest die aus dem PSN Store, gibt auch ne frühere Wiederauflage, die flasht nicht so (NBA Jam von 2010 vs NBA Jam on Fire Edition von 2011)
Die Streetball Serie hat es auch bis auf die PS3 geschafft, letzter Teil dort ist NBA Street Homecourt, aber dort wird ein starker Fokus auf Tricks gelegt, sprich man muss sich auch etwas einarbeiten, aber bei weitem nicht so wie beim hier besprochenen Spiel. Wobei ich ja finde, dass neben der Beherrschung des Spielers bei den aktuellen Sportgames auch immer eine doch nicht zu unterschätzendes generelles Spielverständnis von Taktik und Strategie vorausgesetzt wird. Ein Freund ist ein wahrer Meister der NHL Spiele, versagt aber immer kläglich bei NBA Spielen, auch wenn er die Steuerung schnell drauf hatte. Mir gehts andersrum genau so, kann zwar die Spieler gut übers Eis steuern und auch mal was tricksen, bringt mir aber nix, wenn ich die dümmsten Pässe schlage und jeden Angriff des Gegenspielers nicht durchblicke und mich falsch bewege.
Das ist bei Street Homecourt definitiv nicht so krass gefordert, in der Hinsicht auch mehr Arcade und weniger Simulation.
Größtes Hurensohnspiel, steuerung fürn Arsch und sowas wie ein Tutorial für den Dreck gibts auch net