Im Grunde ist es ganz einfach: Wenn ihr auf Katzen steht, werdet ihr Stray mögen, wahrscheinlich sogar lieben. Wenn ihr nichts mit Stubentigern anfangen könnt, könnte es allerdings sein, dass ihr das Spiel von BlueTwelve Studio eher schwach findet. Denn dann ist es einfach nur ein Videospiel und als solches nicht besonders aufregend…
Nein, Stray ist mehr als der „Cat-Walking-Simulator“, als den es manche bezeichnen. Aber die gesamte Spielmechanik ist schon sehr geradeaus und dürfte für niemanden eine größere Herausforderung darstellen. Es besteht in erster Linie aus Plattforming, bei dem man kaum etwas falsch machen kann, und relativ leichten Umgebungsrätseln. Hinzu kommt viel Erkundung, ein wenig Stealth-Gameplay und ein paar Action-Abschnitte, die aber alle recht einfach sind. Alle Gameplay-Bestandteile haben gemeinsam, dass man das alles schon tausendmal woanders gespielt hat. Und teilweise auch besser. Nichts davon ist schlecht, aber rein spielerisch hat Stray noch viel Luft nach oben…
Das dystopische World-Building ist wirklich gelungen und auch sehr, sehr hübsch in Szene gesetzt. Ebenso die Geschichte, die mit einer Portion Gesellschaftskritik und ganz viel Herz erzählt wird. Aber auch hier wird gerade Freunden der Phantastik vieles bekannt vorkommen, egal ob man die guten alten „Schwermetall“ Comics bemüht oder Tim Millers „Love, Death & Robots“.
Wäre der Protagonist des Spiels z.B. ein kleiner Roboter oder ein niedlicher Waschbär, wäre Stray eines dieser netten Indie-Spiele, die durchaus empfehlenswert und auch ihr Geld wert sind, über die der Mainstream aber nicht besonders lange redet, sofern er sie überhaupt zur Kenntnis nimmt.
Der eigentliche Unique Selling Point des Spiels, und das wisst ihr natürlich alle schon, weil das Teil schon seit einigen Jahren als Ankündigung durch die Videospielwelt geistert, ist die Tatsache, dass man eine Katze spielt. Das alleine reicht aber nicht und würde auch kaum einen Unterschied zu meinem Waschbär-Beispiel machen, wenn es nicht mit so viel Liebe zum Detail umgesetzt worden wäre. Ich rede hier gar nicht von den technischen Umsetzung, irgendwelchen fancy Fellanimationen oder dergleichen, sondern von all den Dingen, die jeder Katzenbesitzer nur zu gut vom eigenen Stubentiger kennt:
So elegant die Katze auch von Fenstersims zu Fenstersims, von Regal zu Regal und von Dach zu Dach springt, so zielsicher wirft sie dabei alle möglichen Sachen herunter. Teilweise gibt es dafür sogar Aktions-Hotspots, die nur den Zweck erfüllen, dass man halt Dinge herunterwirft. Auch an Möbeln, Türen, Teppichen und anderen Dingen gibt es solche Hotspots, um einfach nur daran zu kratzen. Diese Aktionen erfüllen meist keinen weiteren Zweck, als dass man es einfach tut. Weil Katzen das halt so machen. In einer verlassenen Bücherei gibt es viele Bücherstapel auf dem Boden, auf die man springen kann. Nicht um irgendwie nach oben zu gelangen oder Rätsel zu lösen, sondern nur damit der ganze Stapel umkippt, wenn man wieder herunterspringt. Sehr schön ist auch eine der Interaktionsmöglichkeiten mit den Roboter-NPCs, die nur daraus besteht, dass man ihnen um die Beine streichen kann, was diese wiederum total niedlich finden. Man kann auch in herumliegende Kartons rein- und rausspringen oder unvernünftigerweise den Kopf in Papiertüten stecken… Und am aller besten hat mir gefallen, dass es überall im Spiel Plätze gibt, an denen man einfach mal einen Powernap machen kann. Während die Katze schläft, zoomt die Kamera langsam heraus und der DualSense schnurrt beruhigend in den Händen des Spielers. Es gibt sogar eine Trophäe dafür, dass man mindestens eine Stunde schläft, also eigentlich gar nicht spielt!
Wenn euch all diese Dinge eher seltsam erscheinen und ihr euch fragt, was das alles soll und warum das Spiel dadurch so cool sein soll, dann seid ihr vielleicht nicht die Zielgruppe von Stray; weil ihr vermutlich eher keine Katzenmenschen seid. Und dann werdet ihr Stray als Videospiel vielleicht auch nur okay finden, vielleicht sogar etwas dürftig. Da muss man dann schon überlegen, ob einem die ca. acht Stunden Spielzeit 30 Euro wert sind, schöne Spielwelt hin oder her…
Ansonsten muss man aber nicht lange überlegen, denn Stray ist einfach das mit Abstand beste Katzenspiel seit The Last Guardian! Wer Katzen mag, wird seine helle Freude damit haben, ungeachtet eurer sonstigen Videospielvorlieben.
Das Einzige, was mich wirklich enttäuscht hat, ist, dass meine eigene Katze das Videospiel komplett ignoriert, egal wie oft ich die Miau-Taste drücke und mit der virtuellen Kamera um den kleinen Protagonisten herumfahre. Es gibt seit Tagen so viele coole Videos im Netz, in denen Hauskatzen vor Fernsehern sitzen und gebannt von Stray sind. Aber nein, Madame kratzt das kein Stück…
2 Kommentare
Stray juckt mich ja so gar nicht. Wahrscheinlich würde ich eher zu Catlateral Damage: Remeowstered greifen, wenn ich Katzensimulator spielen möchte. So rein von der Beschreibung sind da die “coolen” Sachen (Lauf im Haus rum, wirf sauber aufgeräumte Bücher um, zerbrich Vasen, miaue einfach vor dich hin, reiße Vorhänge in Fetzen, mach an den verrücktesten Orten ein Nickerchen und vieles mehr!) auch drin.
Bin zwar eher Hundemensch (bei uns wohnen 3) aber ich kann den Reiz durchaus verstehen.
Würd dem Ganzen auch gern mal ne Chance geben, auch weil meine Frau gern mal auf der Couch beim zocken zuschaut, aber zur Zeit steckt Xenoblade Chronicles 3 in der Switch, da passiert nebenher nich mehr viel Anderes :)
Die Katze is schon sehr drollig, das stimmt aber.