Das Gefühl, beim Motorsport Manager von Sega wie ein dusseliger Ochs vorm Berg zu stehen, ist nicht sehr aufbauend. Dazu kommt die Ahnung, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Und dabei nur Bahnhof zu verstehen. Das liegt an grundsätzlichen Fragestellungen, die das Spiel selbst und das ganze Drumherum betreffen: Weiß ich denn, ob es mehr Sinn machen würde, bei meinem Rennwagen – dessen wahre technische Stärke ich gar nicht einschätzen kann – eher in die Optimierung des Frontflügels oder doch lieber in die Aufhängung zu investieren? Nö. Und was ist mit dem Heckflügel und den Bremsen? Hm? Aufgrund meiner mäßigen Platzierungen in den ersten Rennen scheinen Bremsen weniger das Problem zu sein. Eher sollte ich wohl am Motor herumschrauben lassen. Nur dauert das ewig, glaube ich. Bis dahin weiter nur um Platz 11 zu fahren, kann es aber auch nicht sein. Das ist ja peinlich. Wobei: Hey, Platz 11. In einer Fantasie-Meisterschaft mit Fantasie-Piloten, die für Fantasie-Teams fahren. Was soll denn da an Platz 11 so tragisch sein?
Ich bemerke, wie es mir grundsätzlich schwerfällt mich für den Motorsport Manager zu begeistern. Nicht nur, weil es ein Motorsport Manager ist, sondern auch weil der Bezug zum „echten“ Motorsport gen Null tendiert. Dieses Lizenzding… ich weiß, es ist oberflächlich und unfair. Ich muss an dieser Stelle dann direkt mal gestehen, dass ich ein Stückweit FIFA gegenüber PES bevorzuge, weil FIFA die offizielle Lizenz hat und PES nicht. Ich will keine Spielernamen, die so ähnlich klingen wie die echten Spieler, die dann für Vereine spielen, die so ähnlich betitelt werden wie die realen Vorbilder. Die echte Immersion muss es sein, ich mag diesen Fantasie-Zwischenschritt einfach nicht. Egal ob beim Fußball, Action-Adventure oder beim Motorsport Manager.
Bei Shootern schieße ich auch nicht mit Platzpatronen und muss mir dann zwangsweise vorstellen, es wäre scharfe Munition. Und bei Dark Souls 3 will ich ebenso nicht mit einem Plastikschwert kämpfen und mir einbilden müssen, dass es eigentlich das Großschwert der Zwillingsprinzen sei. Es soll das echte Großschwert der Zwillingsprinzen sein, bitte schön. Schon diese Hürde kann sich für einen alten Ochsen wie mich wie ein unbezwingbarer Berg anfühlen. Aber: Vielleicht entwickeln sich die Dinge anders als vermutet. Man sollte auch Videospielen eine Chance geben. Möglicherweise schließe ich mein Team (inklusive der virtuellen Mechaniker und Ingenieure, denn natürlich sind alle wichtig) noch ganz dolle ins Herz. Apropos Team: Meine Fahrer heißen übrigens Jean-François Beauchamp (Kanada) und Tanvir Jha (Indien). Tanvir Jha ist 39 Jahre alt und klagte vor dem nächsten anstehenden Rennen über Rückenschmerzen. Jean-François Beauchamp ist 40 Jahre alt, hat aber keine Rückenschmerzen. Beide fahren für das Team „Garuda Racing“. So schaut es aus, das ist mein Rennstall.
Und mein nächstes Rennen in der real nicht existierenden European Racing Series ist in München. Ein Rennen in München. Wenn es wenigstens der Hurkenheimring gewesen wäre. Oder der Nirbürgring. Stattdessen präsentiert der Motorsport Manager mit „München“ direkt den nächsten Immersionskiller. Nun gut. Einmal tief durchatmen und dann geht es erst mal zur Rennvorbereitung. Schnell bemerke ich, dass ich mich total in der Hand der Sponsoren befinde, die im Motorsport Manager die Rolle des Zuchtmeisters einnehmen. Wenn ich nämlich nicht mit einem dicken Minus das Rennwochenende abschließen möchte, sollte ich mal schön mindestens Zweiter werden. Mist. Wo Tanvir Jha doch Rücken hat. Meine beste Platzierung war bisher Platz 10. In einem alten Spielstand, übrigens, der mit diesem hier gar nichts zu tun hat. Ich spüre den unschönen Druck des Kapitals. Dann soll ich noch überprüfen, ob ich nicht neue Teile einbauen kann. Aha. Habe ich das nicht schon längst gemacht? Oder liegt irgendwo noch ein Spoiler in der Werkstatt rum? Hä? Ein wenig überfordert fühle ich mich (Erwähnte ich schon, dass der Motorsport Manager eigentlich mal ein Mobile-Spiel war?). Eine leidenschaftlich vorgetragene Motivationsrede aus einem US-Sportfilm würde mir jetzt guttun.
Das Training für das Rennen in München verhaue ich ziemlich. Glaube ich zumindest. Platz 11 und Platz 15 springen am Ende raus. Aber wie wir wissen, ist ein Training nicht der Ernstfall, sondern die Vorbereitung darauf. Beim Motorsport Manager bedeutet das konkret, dass ich durch verschiedene Strategien zusätzliches (scheinbar abstraktes) Wissen entweder für das Qualifying oder das Rennen sammeln kann. Oder könnte. So richtig hat sich der Wissensbalken für das Rennen jedenfalls nicht gefüllt. Welche Erkenntnisse ich aus dem verschiedenen Setups der Rennkisten gewonnen habe, ist mir ebenfalls schleierhaft. Auch bei der Reifenwahl lag ich offensichtlich daneben, weil mein Timing bei den wechselnden Wetterverhältnissen suboptimal war. Ich schickte bei Regen die Fahrer zu spät in die Box und ließ mir damit auch zu viel Zeit, als die Strecke schon wieder gut angetrocknet war. Ich muss das Ganz einfach besser im Blick behalten. Trotz fehlenden Wissens über die Qualifikation, möchte ich mir schon noch die Chance erhalten Zweiter zu werden. Irgendwie.
Ins Rennen starte ich dann nach halbwegs gelungenem Qualifiying als Achter und Neunter. Nun, das ist doch schon mal was. Bei der Rennstrategie bleibe ich erst einmal konservativ. Schön auf „neutral“ starten, was bedeutet, dass ich Motor und Reifen zwar ordentlich belaste, aber noch nicht hart fordere. Das kann ich in der letzten Runde machen, wenn es darum geht noch Zweiter zu werden. Oder gar das Münchener Rennen zu gewinnen. Mir bleibt also als Teamchef/Stratege/Manager gar nichts anderes übrig, als absolut alles zu geben und Jean-François Beauchamp wie auch Tanvir Jha die Daumen zu drücken. Und sie im Rennen so gut zu unterstützen, wie es nur geht.
Beim Start wundere ich mich, wie raketenschnell meine Jungs loslegen. Jean-François Beauchamp arbeitet sich während der ersten Runde gar bis auf Platz 3 vor, während Tanvir Jha von Platz 5 aus langsam in bekannte Regionen zurückfällt. Beim ersten Boxenstopp ist er Neunter. Leider vergaß ich bei Jean-François Beauchamp, der mich glücklicher Weise selbst auf den einsetzenden Regen via Funk aufmerksam machte (ich muss das Ganz einfach besser im Blick behalten!), Treibstoff nachzufüllen. Kann passieren, sollte es aber nicht. Wobei: Da hätte der Herr Beauchamp gerne mal selbst was sagen können und irgendwelche Assistenten müsste ich eigentlich auch haben, die mich auf meinen Fehler hinweisen. Wofür bekommen denn diese Amateure eigentlich ihr Gehalt? Zwei Runden später schicke ich Jean-François Beauchamp also gezwungener Maßen erneut in die Box und habe sein Rennen damit verhauen. Platz 14 wird es für ihn schlussendlich. Aber es gibt ja noch Tanvir Jha, auf den ich mich dann voll konzentrierte. Seine Boxenstopps liefen super und ich glaube, dass ich zum ersten Mal an den richtigen Stellen zum richtigen Zeitpunkt an den Strategierädern drehte. Zumindest beinahe. Bis zur letzten Runde jedenfalls. Zwischenzeitlich führte er das Feld sogar an, wobei er mir aber klar zu verstehen gab, dass er von mir (!) keine Stallorder annehmen wird. Kann ich verstehen. Denn wenn die Reifen kurz vor der Zielflagge nicht vollkommen abgefahren gewesen wären, hätte es für den untersten Podestplatz gereicht. Ja, klar, mit Platz 3 wären die raffgierigen Sponsoren nicht zufrieden gewesen, aber mir selbst hätte das sehr gefallen. Platz 7 fand ich aber auch großartig. Ist ja schließlich die European Racing Series, da kann man schon stolz sein, nicht wahr?
Für ein paar Minuten vielleicht, danach war mir der Motorsport Manager wieder wuppe. Ich erahne aber, dass es für Rennsport-Enthusiasten gar kein übles Spiel ist. Weder in der Vorbereitung noch für die Rennen selbst und es ist vorstellbar, dass videospiel-affine Schrauber mit dem Motorsport Manager weitaus glücklicher werden als mit dem letzten, fantastischen Formel 1-Spiel von Codemasters (es hat die offizielle Lizenz, übrigens). Und vergleichsweise nett anzuschauen sind die Rennen auch. Immerhin. Ob das aber reichen mag, dass Jean-François Beauchamp und Tanvir Jha tatsächlich das Ende der Saison mit meinem Garuda Racing-Team erleben, wage ich dann doch zu bezweifeln.
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