Mit schwitzigen Fingern schalte ich die weiße Lärmbox ein. Kurz heult das Laufwerk auf, aber dort gibt es heute nichts zu finden. Alles was ich brauche, befindet sich noch auf einem Server irgendwo am Ende eines langen Netzwerkkabels. Die Bits und Bytes müssen nur noch ihren Weg auf die Festplatte finden, im Austausch gegen eine imaginäre Punktewährung, die sich auf meinem Bankkonto in harte Euro verwandeln.
Meine Finger sind nicht schwitzig, weil ich mich so dolle auf Geometry Wars: Retro Evolved 2 freue, sondern weil die Temperatur verdammte 30 Grad im Schatten erreicht hat.
Gegenüber GW 2 bin ich nämlich noch skeptisch. Nicht skeptisch genug, dass ich mir zu erst die Demoversion herunterlade, aber skeptisch genug, um kurz die Nase zu rümpfen und zu sagen: “Ich weiß ja nicht, ob dieses Spiel an den ersten Teil, ein kleines Meisterwerk an Farben und Wiederspielbarkeit, herankommen kann. Und dann diese neuen Spielmodi und der neue Look … bestimmt alles voll doof und unsinnig.” Egal, ich lade mir gleich die Vollversion runter und schaue mir alles ganz genau an.
Download läuft. Ich schalte den Ventilator an. Nachher bekommt die Lärmbox noch einen Hitzestich bei all den bunten Farben und Explosionen. Ist ja auch heiß draussen.
Fertig. Gut. Erster Spielmodus: Deadline.
3 Minuten Zeit, um so viele Punkte wie möglich zu machen. Leben habe ich unendlich und die ersten Unterschiede zum Vorgänger werden klar. Der Multiplikator erhöht sich nur, wenn ich Geoms einsammle, die von zerstörten Gegnern zurückgelassen werden. Die neuen Gegner, orangenen Dreiecke, die schnell und schnurgerade über den Bildschirm rasen, machen mir das Leben schwer. Bomben gibt es zum Glück immer noch und die pulverisierten Gegner hinterlassen wunderschöne gelbe Geoms.
Die ersten 3 Minuten sind rum und noch viele werden folgen.
Nächster Modus: König.
Ich kann nicht mehr frei schießen. Um mich herum überall Gegner, aber ich kann nicht schießen. Aber es gibt blaue Kreise, in die sie mich nicht verfolgen können. Hier funktionieren meine Waffen auch wieder und so feuere ich aus meiner sicheren Deckung auf die bösen geometrischen Formen. Plötzlich wird der Kreis kleiner, dann blinkt er rot und schon ist er verschwunden. Wieder kann ich nicht schießen und von allen Seiten stürmen sie auf mich ein. Wild kreise ich um die trägen Feinde und lande im nächsten sicheren Kreis. Er ist nicht lange sicher, aber sicher genug, damit ich mir eine Schneise zum nächsten Kreis feuern kann.
Irgendwann kommen die Schlangen und schlängeln um meine Kugel herum. Sie engen mich ein. Ich explodiere.
Modus: Fortschritt.
Old School Geometry Wars. Drei Leben, drei Bomben. Das Chaos wird größer, je höher die Punktzahl klettert. Ohne Unterlass erscheinen die Vierecke, Dreiecke, Kreise und neuerdings auch längliche Tore. Fliege ich durch sie hindurch explodieren sie und reißen alles in ihrer nahen Umgebung mit in den Pixeltod. Berühre ich aber ihre leuchtenden Enden, so ist es aus mit mir. Schüsse können ihnen nichts anhaben, sie werden einfach reflektiert.
Mit den klassischen Taktiken komme ich ganz gut zurecht. Fröhlich drehe ich meine Kreise auf der Aussenbahn und hinterlasse eine Schneise der Verwüstung. Dann höre ich ein leichtes Fiepen, gefolgt von einem tiefen Wummern, die Zeit scheint kurz Still zu stehen. Ein schwaches “Oh oh ?!” kommt mir über die Lippen und schon zerspringt einer der Wurmlochkreise und speit Dutzende blaue Kügelchen über den gesamten Bildschirm. Zu viele Gegner sind in seinem Schlund verschwunden und jetzt ist er kollabiert. Panisch fliege ich davon, übersehe ein kleines Rechteck und bin nicht mehr.
Jetzt brauche ich etwas Ruhe. Der nächste Spielmodus könnte dazu passen: Pazifist.
Wieder mal sind meine Waffen ausgeschaltet. Nur die blauen Vierecke erscheinen als Gegner und schweben langsam aber stetig hinter mir her. Den Ersten kann ich noch leicht ausweichen, irgendwann wird es aber trotzdem eng. Die Bombentore müssen benutzt werden, um die Gegnerhorden zu dezimieren. Zu Hunderten explodieren sie, hinterlassen einen bunten Funkenregen und eine kleine Lücke zum hindurchschlüpfen. Schnell zum nächsten Tor, Bumm, Funkenregen, Ausweichen, Tor, Bumm, Funkenregen, überall Vierecke, Bumm, Game Over.
Durchatmen. Ich lasse das Gamepad aus den Händen gleiten und bewege beide Daumen zum Entspannen ein wenig hin und her. Es herrscht die Ruhe vor dem Sturm, denn die nächsten zwei Modi sind an chaotischem Blitzen, Blinken und Knallen nicht zu überbieten.
Modus: Wellen.
In Reih und Glied schweben die orangen Dreiecke über das dunkle Spielfeld. Zu erst nur von links nach rechts und nicht auf ganzer Breite, dann auch von der anderen Seite, schließlich von oben, dann von unten und plötzlich sehe ich nur noch eine Wand an orangen Spitzen auf mich zu rasen. Kein Schlupfloch ist mehr vorhanden, ich muss mir selbst einen Weg bahnen. Schnell ist eine Lücke geschossen und ich auf der anderen Seite. Da haben die Gegner schon gedreht und kommen wieder auf mich zu. Gleichzeitig erscheint eine weitere Reihe am oberen Bildschirmrand. Sie fliegen los, überschneiden sich, nehmen mir die Luft zum Atmen. Als wenn das noch nicht genug wäre, erscheint neben mir ein blaues Viereck. Dich nehme ich noch mit bevor es zu Ende geht. Wie ein Kamikazeflieger ramme ich in das Viereck, einmal blitzt es noch, dann sind auch die Dreiecke über uns.
Noch ist der Höhepunkt aber nicht erreicht. Willkommen in der Königsklasse. Willkommen bei Sequenz.
20 Level müssen überstanden werden. In jedem Level erscheinen mehrere Gegnerwellen in bestimmten Sequenzen. Diese sind immer gleich, nach einigen Toden weiß ich, was mich auf den ersten Stationen erwartet. Es geht leicht los. Die einfacheren Gegner erscheinen in beängstigenden Massen, aber mit etwas Übersicht und Geduld kann ich sie leicht besiegen.
Als plötzlich der gesamte Bildschirm mit grünen flinken Quadraten bevölkert ist, stockt mir kurz der Atem. Zum Glück sind sie feige und weichen meinen Schüssen schnell aus und ich kann aus ihrer Umklammerung entfliehen.
Dann ein Level nur mit Kreisen. Ich schieße einen an, er aktiviert sich, saugt die anderen an, sie werden aktiviert, drehen sich ineinander umeinander und blinken und zirpen. Die Augen gehen mir beinah über und ich zerstöre einen Kreis. Seine Explosionen lässt die anderen erzittern, herumfliegen und schließlich ebenfalls zerplatzen. Alle Farben der Welt vereinigen sich in meinem LCD Fernseher und brennen sich in meine Netzhaut.
Immer weiter geht die Reise durch das Universum voller rücksichtsloser Gegner und knallenden Farben und schrillen Sounds. Irgendwie habe ich es ins letzte Level geschafft. All meine Bomben sind verbraucht. Ich habe kein Leben mehr. Jetzt gibt es nur noch mich und einige Wellen von Feinden. Es sind die kleinen Knubbel, die nur an ihrer Rückseite verwundbar sind. Ich stöhne auf. Die ersten flitzen auf mich zu, ich weiche aus, schieße auf seinen Schwachpunkt, er explodiert und wird sofort von zwei neuen Gegner ersetzt. Ich schaffe es keine fünf Sekunden vor ihnen zu fliehen.
Müde blicke ich meinen Highscore an. 25.165.700 Punkte. Platz 1826 in der Weltrangliste. Verdammt.
Ich seufze kurz, mache den Lärmkasten und den Ventilator aus, gehe aus dem Zimmer und setzte mich zum Lesen auf den Balkon. Kurz darauf beginnt es zu regnen.
Für Highscorevergleiche bin ich gern zu haben. Mein Gamertag: Rhodok
11 Kommentare
I’m adding your code!!! Mein gamertag: Ozymandias X
Ich brauche dringend jemanden, mit dem ich mich vergleichen kann (die Leute auf meiner Freundesliste sind alles Dumpfbacken, die kein GW2 spielen) und der mich nicht gar so sehr frustriert wie die Überscores in den Highscorelisten…
manman das spiel hats echt isnisch, mir schmerzt auch der daumen seit gestern
Zumindest der Modus “Deadline” klingt für mich verdächtig nach “Every Extend Extra Extreme” (Es hat nicht zufällig jemand von Euch Lust das mal online zu verlieren? – Mein Gamertag: Emphasizer) und macht Lust zumindest einmal die Demoversion anzuspielen. Beim nächsten Regen oder so…
Mir macht am meisten der Pazifistenmodus spass. Ohne zu schießen möglichst geschickt durch den level eiern und dabei geoms sammeln macht einfach spass…
Pacifism ist auch mein Lieblingsmodus – extrem Zenartig, wenn man mal in die höheren Ebenen kommt. Das ganze Spiel reduziert auf die Ebbe und Flut der Gegner.
Ich finde, eigentlich gehört noch ein zweiter Artikel hierher, über das geniale Spieldesign, welches sich insbesondere in den subtilen Eigenheiten äußer … die Idee von Waves, den Spieler entgegen seines natürlichen Verhaltens in der Mitte des Spielfelds zu halten. Der Sound bei King, der ausserhalb der Kreise bedrückend dumpf ist, und einmalig dieses Gefühl von “Oh gott, brauche dringend Luft, gurgel…” wiedergibt.
Ich hab mich ja gefragt, was sie an dem Spiel so lange entwickelt haben, aber die Liebe zum Detail zeigt es, dass da jemand wirklich lange drüber nachgedacht hat und nicht einfach nur was rausfeuern wollte. Umso unverständlicher, dass man die Multiplayer Modi nicht online gegen bzw. mit anderen spielen kann.
Ja, Pazifist ist auch ganz klar mein Favorit. Zwischen der hektischen Ballerei ist das genau der richtige Modus um mal wieder runter zu kommen und einfach nur den Fluss der Farben und Bewegungen zu beobachten.
Die Soundeffekte sind durch die Bank großartig. Wenn der Soundtrack sich kurz verschluckt, weil man gestorben ist oder wenn er in den letzten Sekunden von Deadline immer schneller und schneller wird.
Ein ganz großes Lob gilt auch den Achievments. Die werten das Spiel wirklich auf und lassen einen die Spielmodi mit ganz anderen Augen sehen. Noch nie habe ich mich so über blöde 15 Punkte gefreut, als ich endlich 30 dieser verdammten Kreise im König Modus aktiviert hatte.
Mir fehlt die cleane, gerade Linienführung im Gegnerdesign. Geomsammeln kollidiert mit der Konzentration aufs Überleben und Zerstören. Die neuen Gegner, die nicht aktiv hinter mir her sind, gefallen mir nicht. All diese Eindrücke entstammen lediglich der Demo. Aber ich bleib erstmal beim ersten Teil.
Das ist ja witzig:
Ich kenne die 360-Version von GW2 ja nicht, aber alles was Ihr hier so an Neuerungen nennt, ist gar nicht wirklich neu, sondern lediglich aus der wesentlich umfangreicheren Wii-Version übernommen worden…
Die Wii-Version halte ich übrigens für sehr empfehlenswert!
@S3: In der Demo ist ja leider nur der klassische Modus enthalten. Den spiele ich persönlich am wenigsten, die anderen sind sehr viel frischer, Geoms sind aber auch da wichtig.
@S2: Retro Evolved 2 ist ein Destillat aus allen Geometry Wars Teilen. Die Geoms aus Galaxies, die Wellen aus GW: Waves und das knackige Arcade-Feeling aus dem Vorgänger.
Viele Gemeinsamkeiten sehe ich aber nicht zwischen Galaxies und RE2. Die verschiedenen Modi sind nicht mit den verschiedenen Galaxien zu vergleichen.
ich hab jetzt schon blasen an den daumen, herrlich
oh mein gott… diese knallbunten pixelbilder im artikel stellen ja tatsächlich ein spielgrafik dar. schaute aus, als hätte jemand zu viel mit den darstellungsfunktionen des mediaplayers gespielt. dachte gradius würde zu epilepsie führen, aber das ist echt die krönung optischer reizüberflutung.