Der Flora und Fauna, den Landschaften und Gegenständen und nicht zuletzt den fremdartigen Einwohnern, denen man in der Zenozoik genannten Welt von Zeno Clash über den Weg läuft, könnte man ohne Weiteres auch in einem surrealistischen Dalí-Gemälde begegnen. Der Name “Zenozoik”, angelehnt an den englischen Begriff für das Erdzeitalter des Känozoikums, in dem die Kontinente langsam die uns bekannte Form annahmen und sich die heutige Artenvielfalt entwickelte (Ha, und das Geologiestudium hat sich doch gelohnt ;), gibt schon einen Hinweis darauf, wie es in “Zeno Clash” so zugeht: Ziemlich archaisch nämlich. Man trifft auf an Elefanten erinnernde Wesen mit einem Hals so lang wie der einer Giraffe, einen haushohen, gestrandeten lilafarbenen Wal, dessen Unterkiefer mit einer Reihe spitzer Zähne gespickt ist, Gift verspritzende Krabben und krächzende braune Echsen. Neuzeitliche Werkzeuge und Waffen existieren zwar ebenfalls, verstecken sich jedoch unter einem urzeitlichen Deckmantel – Granaten kommen als Totenschädel daher, Schwerter sind aus Oberschenkelknochen gefertigt und Pistolen treten in Form von Fischen, deren Mäuler Geschosse spucken, auf.
Nicht nur Salvador Dalí, auch der olle Sigmund hätte an Videospielen im Allgemeinen und speziell an “Zeno Clash” die reine Freude gehabt. Sicherlich kann man in viele Games eine Menge Unsinn hinein interpretieren und man sollte im Hinterkopf behalten, dass “Zeno Clash” ursprünglich ein Fantasy-RPG im Stil von “Morrowind” hätte werden sollen, aber dass sich die Geschichte hauptsächlich um den Kampf gegen ein überdimensional großes menschenähnliches Wesen mit langer Nase und den stelzenartigen Beinen eines Vogels, ein Hermaphrodit und “Vater-Mutter” des Hauptcharakters Gath, dreht, ist schon sehr bezeichnend dafür, dass man das Spiel auch problemlos auf der Couch eines Psychotherapeuten liegend besprechen könnte: In dramatischen Szenen ist der Himmel stets blutrot gefärbt und im Laufe der Geschichte bringt man im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel, indem man mit einem Stab, an dem ein hell leuchtender Kristall befestigt ist, in der Nacht Schattenwesen bekämpft und durch das Entzünden einiger Feuerstellen Türen, die einem den Weg versperren, öffnet und düsteren Nebel vertreibt. (Aus welchem Grund Gaths Freundin, die einen die ganze Zeit über begleitet, zwei lange Hörner aus dem Kopf wachsen, kann ich mir jedoch beim besten Willen nicht vorstellen. Vielleicht klärt sich dieser Umstand ja im Verlauf der unausweichlichen Fortsetzung).
Auch der Zeitablauf der Ereignisse im Spiel ist durcheinander geraten und ähnelt einem wirren Traum, an den man sich nach dem Aufwachen nur noch bruchstückhaft erinnert. Die Geschichte beginnt damit, dass man, schwer angeschlagen, aus der Stadt flüchtet und sich immer wieder seinen vielen aufgebrachten Brüdern und Schwestern, die ähnlich deformiert wie die Vater-Mutter sind und auch gern einmal den Kopf eines Vogels oder Nasenbärs oder ähnliches auf den Schultern tragen, im Kampf stellen muss. Während dieser Auseinandersetzungen und in verschwommenen Szenen, die offensichtlich im Reich der Träume oder gar der Toten spielen, erlernt man fortgeschrittenere Kampftechniken wie das Ausweichen, Blocken und Spezialangriffe. Diese sollte man auch tunlichst im Gedächtnis behalten, denn gegen Ende des Spiels kommt man mit einfachem Button-Mashing definitiv nicht weiter, dann reichen schon wenige Zusammenstöße mit gegnerischen Fäusten, bis man seinen letzten Atemzug tut. “Zeno Clash” versteht sich besonders gut darauf, ein Gefühl von Körperlichkeit zu vermitteln, und das nicht nur durch die Wahl der Ego-Perspektive; Nach einem besonders schweren Treffer geht man zu Boden und rappelt sich benommen langsam wieder auf, Keulen und Käfiggitter brechen nach (mehrmaligem) Kontakt mit den mächtigen Körpern der animalischen Gegenspieler entzwei.
Eine Illusion von Lebendigkeit erzeugt trotz der eng umzäunten, schlauchartigen Level auch die Tatsache, dass die verschiedenen Figuren ein sehr strategisches Verhalten an den Tag legen und ganz unterschiedlich und ihrem Charakter entsprechend vorgehen: Die Brüder und Schwestern wirken schmächtiger und zivilisierter als die wilden “Corwids”, die außerhalb der Städte leben und zu denen man – in einer Rückblende – verbannt wird, nachdem man Kenntnis von “Father-Mothers” fürchterlichem Geheimnis erlangt hat. Die Geschwister neigen dazu, Abstand zu einem zu halten und auf dem Boden liegende Waffen aufzuheben und zu ihrem Vorteil einzusetzen. Dagegen suchen die Corwids die Nähe und verlassen sich auf ihre überragende Kraft. Die meisten Individuen verfügen über einen Spezialangiff, vor dem man sich in Acht nehmen sollte und mit Glück kann man sich aus der Affäre ziehen, indem man die beiden verfeindeten Gruppen gegenseitig in einen Kampf verwickelt. Das Vergnügen, tief in die Spielwelt einzutauchen, wird einem nur durch nervige Titelbilder vor einem Kampf und eine unnötig komplizierte Steuerung mit Lock-On im Nahkampf, dem man nur durch einen Tastendruck wieder entfliehen kann, und ohne Möglichkeit, die Waffen zu wechseln, gelegentlich verwährt.
Im weiteren Verlauf der Handlung durchqueren Gath und seine rehäugige Begleiterin Deadra die Wüste, wo sie dem blinden “Hunter” in die Arme laufen: Ein Mörder im Auftrag Father-Mothers, der OMG, WTF!!1elf vom Rücken einer der elefantösen Giraffen mit Schwarzpulver beladene Nagetiere an Fallschirmen zu Boden fliegen läßt und auf sie schießt, sobald sie sich in Gaths Nähe befinden. Die nächste Prüfung bestehen die Protagonisten am durch schwarzen Nebel verschleierten Ende der Welt. Ihre Ankunft dort weckt den mysteriösen, weil allwissenden und trotz Abwesenheit von Mund und Lippen der Sprache mächtigen, “Golem”. Aus dem Pärchen wird ein Trio, das, nach einer Rail-Shooter-Einlage auf einem Boot, einer weiteren Begegnung mit dem Jäger und Auseinandersetzungen mit einigen bereits bekannten Figuren in den Wäldern und der Stadt Halstedom, die letzte Konfrontation mit Father-Mother und seinem/ihrem Geheimnis, das bislang noch nicht gelüftet wurde, sucht. So schlägt die Geschichte nach circa vier bis fünf Stunden wieder eine Brücke zum Anfang des Spiels. Die Zeit erscheint recht kurz, doch der dünne, aber dennoch auf eine interessante Art und Weise erzählte Plot hätte vermutlich nicht mehr hergegeben, ohne zäh und öde zu wirken.
Ich halte den Einfall, auf frei erkundbare Gebiete, in denen man sich, wie in Morrowind, verloren und verlassen fühlen kann, zu verzichten und stattdessen das einzigartige Element des Spiels, die abwechslungsreichen und herausfordernden Kämpfe, in den Vordergrund zu stellen, für ausgesprochen mutig. Was “Zeno Clash” zu einem sehr guten, Titel wie Space Trader jedoch nur zu einem mäßig guten Spiel macht, ist das Vorhandensein einer Spielwelt, deren dichte Atmosphäre und stringent erzählte Story die offensichtlichen Einschränkungen der Freiheit der Spielerin oder des Spielers vergessen machen. Außerdem gefällt mir die Idee, in Videospielen abstrakte Konflikte nachzuspielen, die man so oder so ähnlich auch im Traum austrägt und im besten Fall in der fiktionalen wie auch in der realen Welt löst.
4 Kommentare
Du hattest mich ja schon bei “mit Schwarzpulver beladene Nagetiere an Fallschirmen”, aber spielt man Zeno Clash jetzt eher für die Prügeleien oder doch mehr für die Geschichte bzw. das Setting?
Hauptsächlich für die Prügeleien, denke ich. Aber auch Spieler, die nicht die 1337 Skillz besitzen (ich hatte am Ende doch ein paar Probleme), könnten wohl durchaus Gefallen an den [i]traumhaften[/i] Landschaften und am Character-Design finden.
Nur das große Abenteuer sollte man nicht erwarten. Etwas zu erkunden und entdecken gibt es wohl erst im [url=http://forums.aceteam.cl/index.php?s=e53a9bceb87962c2081c1fadfdb1ee30&autocom=blog&blogid=2&showentry=34]zweiten Teil[/url].
@Nille: OT zwar, aber mit dem Nille in TF2 (hatte dieses Wochenende gespielt) hast Du nichts zu tun? Oder doch vielleicht? ;)
Asbach, wenn es sich hauptsächlich um einen Medic handelte, der zudem einen Heavy/Pyro/Scout namens PlayStar geheilt hat, auf dessen Steam-Konto sich eine Menge Stunden bei “Plants vs. Zombies” angesammelt hatten, dann stehen die Chancen nicht schlecht, daß ich es war. ;D