Schlitz, schlitz, spritz.

Ich entschuldige mich für die kindische Überschrift, aber besser lässt sich das neueste X-Men-Videospiel um unser aller Lieblingsmutant Wolverine nicht zusammenfassen. X-Men Origins: Wolverine Uncaged Edition für PC, PS3 und Xbox 360 basiert lose auf dem gleichnamigen Film, wobei die Legende besagt, dass Entwickler Raven schon länger an einem eigenständigen Wolverine-Spiel arbeiteten, als die schmierigen Filmmenschen von Fox mit einem Batzen Geld vorbeikamen und ihnen die Filmlizenz überstülpten. Ich habe das Leinwandabenteuer noch nicht gesehen, aber ich hoffe, es hat wenig mit der kruden Story des Spiels zu tun. Ohne erkennbaren roten Faden springt die Geschichte zwischen mehreren Zeitebenen hin und her und sehr kurze Zwischensequenzen versuchen, das dünne Storygerüst zusammenzuhalten. Deswegen vergessen wir all das ganz schnell und kommen zum Schlitzen und Spritzen. (Nochmal sorry.)

Wolverine aka James Howlett aka Logan ist mit seinen Krallen bestens für ein Actionspiel im Stil von God of War geeignet. Es gibt leichte Schläge, schwere Schläge, Griffe, Würfe, vier Spezialattacken und einen Sprungangriff. Alle enden damit, dass eure Gegner entweder zerstückelt am Boden liegen oder aufgespießt an einem spitzen Gegenstand baumeln, zum Beispiel einem Gabelstapler, welche passenderweise an vielen Orten geparkt wurden.

X-Men Origins: Wolverine zelebriert eine comichafte Brutalität, von der man sich angewidert abwenden kann oder sie als das sieht, was sie ist: Überzeichnete Gewalt im Stil eines Splatterfilms mit Hollywoodaction. Wolverine springt von Hubschrauber zu Hubschrauber, zieht die Piloten aus ihren Sitzen und hält sie mit dem Kopf voraus in die laufenden Rotorblätter. Danach brüllt er wie ein wildes Tier, springt tausend Meter in die Tiefe und der Hubschrauber explodiert. Wenn er unten aufschlägt, ragen Knochen aus seinem Körper, aber dank schneller Regeneration heilen die Wunden in wenigen Sekunden. Das ist alles so over the top, dass ich mir im Angesicht der gezeigten Gewalt, die jene des Films um Welten überragt, einige Male die Augen reiben musste.

Die meiste Zeit verbringt man mit Kämpfen gegen kleinere Gruppen von Gegnern. Mit konstantem Button-Mashing lassen diese sich schnell zu Klump verarbeiten. Feinde mit Schusswaffen stehen dabei ganz unten in der Nahrungskette. Ihre Kugeln zerfetzen zwar Wolverines Körper, sind aber dank der schnellen Regeneration des Helden kein echtes Problem. Danach kommen Gegner mit Nahkampfwaffen. Diese sind schon etwas schwieriger und vielleicht sollte ab und zu geblockt werden, um danach verheerende Konterangriffe zu starten. Unsichtbare Soldaten kann Logan erschnüffeln und dann mit ihren eigenen Schrotflinten bestrafen. Bleiben noch die größeren Zwischengegner, in Form von Lavamonstern und Supersoldaten. Die sehen zwar unterschiedlich aus, lassen sich aber alle mit einem beherzten Sprung in den Nacken und einigen Schlägen auf den Hinterkopf besiegen. Dass der Kopf dabei nicht auf dem Gegner bleibt, ist natürlich selbstverständlich. Diese Gruppe wird leider etwas zu häufig eingesetzt und sorgt schnell für ermüdende Wiederholungen, die in einem Kampf gipfeln, bei dem fünf dieser buckligen Monster am Stück zu besiegen sind.

Besondere Beachtung gilt der Sprungattacke. Sie wird nicht nur im normalen Kampf eingesetzt, um dem Gegner nach einem 20 Meter weiten Flug die Krallen in den Körper zu rammen, sondern dient auch als spektakuläre Fortbewegungstechnik in zwei Verfolgungsjagden. Mehrere Boote rasen hintereinander über das Wasser. Vom Ufer aus katapultiert man sich auf das letzte Boot, schlitzt die Insassen auf, springt zum nächsten Boot usw. usf. Diese Szenen sind eine Mischung aus bekanntem Nahkampf, Quick-Time-Event und Zwischensequenzen – und ein Highlight des Spiels.
Ebenfalls beeindruckend ist der Zweikampf zwischen Gambit und Wolverine, der auf riesigen Leuchtreklamebuchstaben an einem Hochhaus in Las Vegas stattfindet. Auch hier funktioniert die Mischung aus geskripteten Ereignissen und Button-Mashing großartig und sorgt für beeindruckende Actionszenen.

Die Kämpfe können also durch variantenreiche Attacken und imposante Inszenierung überzeugen. Für die Sprungpassagen gilt dies allerdings nicht. Ich bin weder zu Tode gestürzt noch wusste ich nicht, in welche Richtung ich hüpfen, hangeln oder klettern sollte, aber die Steuerung fühlte sich in diesen Passagen immer extrem schwammig und locker an. Der muskelbepackte Wolverine wurde zu einem schlüpfrigen Flummi und all seine kernige Kraft war verschwunden. Diese Abschnitte sind nur zur Überbrückung bis zum nächsten Kampf eingebaut worden und das merkt man ihnen auch deutlich an. Mehr als ein paar Schieberätsel mit Sprungeinlagen hat das Spiel hier nicht zu bieten.

Die Essenz von Wolverines Kräften kommt sehr gut rüber und hierfür muss man Entwickler Raven am meisten loben. Die Selbstheilung ist ein beachtlicher visueller Effekt. Immer wieder habe ich kurze Pausen eingelegt und zugeschaut wie sich die klaffenden Wunden wieder schlossen. Teilweise kann man bis zu den Rippen und dem Rückgrat in den zerschundenen Körper hineinschauen. Die Regeneration heilt alle Wunden und dementsprechend furchtlos darf man sich ins Getümmel stürzen und sich all der animalischen Kraft hingeben. Erst aufschlitzen, dann nachfragen.

Am Ende bleibt also ein hohles Spiel, das allein durch den charismatischen Arschlochhelden und seinen Spaß an der Zerstörung am Leben gehalten wird. Es ist so ein Spiel, bei dem man sich als Freund anspruchsvoller Games, sofern es die überhaupt gibt, fragt, warum man es eigentlich ins Laufwerk gelegt hat. Wahrscheinlich, weil es ganz einfachen und doofen Spaß macht. Trash im Hochglanzmantel.