Mein Eindruck von der Gamescom 2009? Als aufgeklärter Spieler, oder generell als erwachsener Mensch, sollte man die Messe, wenn überhaupt, einmal und nie wieder besuchen, und das sage ich nicht nur, weil meine geschundenen Füße immer noch schmerzen. Wer regelmäßig Newssites ansurft, Trailer ansieht und die Berichterstattung über die E3 verfolgt hat, kann getrost zu Hause bleiben, denn online kann man sich genau so gut, wenn nicht sogar besser informieren als vor Ort, wo man leicht kleinere, versteckte Stände übersieht und aller Wahrscheinlichkeit nach keine Lust verspüren wird, sich in das Gedränge vor den Ständen großer Publisher zu stürzen. “Andrang” ist ein gutes Stichwort: Warum es so viele Personen auf sich nehmen, Ewigkeiten in einer Schlange zu stehen, im Fall von Diablo 3 bis zu vier Stunden, um sich ein Video oder eine kurze Vorführung anzusehen oder, im besten Fall, ein Spiel fünf Minuten lang selbst ausprobieren zu dürfen, ist mir ein Rätsel. Zudem ist der Lärm-Pegel meist so ohrenbetäubend hoch wie bei einem Rockkonzert in der Einflugschneise eines Flughafens.
Traurig ist, daß ein Großteil der Ausstellungsfläche von riesigen Klötzen und den Trauben von Menschen, die sich darum scharen, eingenommen wird. Weniger bekannte und gleichzeitig sympathische Aussteller suchte man vergebens. Einige Singstar- und Wii Fit-Klone und Kuriositäten wie “Landschaftssimulator DS”, ein Benimm-Quiz oder Kickertische mit eingebautem LCD-Screen gab es schon – und diese Stände haben vollkommen zu Recht überhaupt kein Publikum gefunden – Vermißt habe ich aber besonders einen Gemeinschaftsstand der eigentlich ganz gut vernetzten kleineren Hamburger Spielehersteller. Von den großen Unternehmen hat es einzig Sony richtig gemacht und einen hellen, freundlichen und nicht ganz so lauten Stand aufgebaut. Dort konnte man einigermaßen in Ruhe Hand an die neuesten Produkte wie die PS3 Slim, die PSP Go, “Gran Turismo 5”, “Little Big Planet PSP” und Consorten die Hand anlegen. Es gab genügend Sitzgelegenheiten und Geräte, sodaß man sich nicht lange die Beine in den Bauch stehen mußte, um sich einen Eindruck von den Produkten zu verschaffen. So hatte ich es von dieser Messe zumindest erwartet.
Das Hosentaschen-”Little Big Planet” ist übrigens ausgezeichnet, es läßt sich beinahe besser kontrollieren als das PS3-Pendant, der Ebenenwechsel verlief zum Beispiel deutlich flüssiger. Spielerisch konnte ich in dem einen verfügbaren Demo-Level keinen großen Unterschied zum big “Little Big Planet” feststellen: Es existieren Wippen, Aufzüge, Fahrzeuge und Sprungbretter, man kann sich an Gegenständen festhalten, sie ziehen, schieben – So weit also nichts Neues. Schlecht sah das Spiel auf dem Handheld ebenfalls nicht aus, ein wenig eckig und kantig und detailarm, aber dennoch sehr fröhlich und lebendig, in den hellen, freundlichen Farben. Die PSP Go selbst ist, wie erwartet, angenehm klein und bis auf die weniger gut erreichbaren Shoulderbuttons recht handlich, der Analogstick lag nicht zu weit vom Daumen entfernt und die verbliebenen Knöpfe waren ebenfalls gut zu erreichen. Ich persönlich ziehe jedoch das größere Display der alten PSP der geschrumpften Version vor, man hätte das alte Gerät lieber verschlanken und das UMD-Laufwerk weglassen sollen.
Ebenfalls ganz gut gefallen hat mir, als Freund von “Scrabble”, “Bookworm Adventures” und generell Worten, “Scribblenauts” für den Nintendo DS, bei dem man die zweidimensionalen Spielfiguren werkzeugen und Waffen ausstatten kann, die man zuvor in das virtuelle Keyboard eingetippt hat. Dieses Kernelement des Spiels funktionierte auch ganz ausgezeichnet, nur der Kontext, in dem man es anwendet, hat mir den Spaß einigermaßen verdorben. Zwar handelt es sich natürlich um ein Spiel für unterwegs und wie auch bei “Little Big Planet” waren nicht besonders viele Inhalte freigeschaltet, aber daß man immer nur einzelne abgeschlossene Aufgaben anstatt eines durchgehenden Abenteuers zu bewältigen hatte, fand ich ziemlich enttäuschend.
Außerdem habe ich mir ein paar ganz nette “Rock Band”-Rockbands angesehen, die den Mut hatten, sich auf die Bühne zu trauen, mich vom Tekken-Trailer wieder für virtuelle Prügeleien anfixen lassen (ebenso wie “Scribblenauts” anscheinend kein Fall für SpielerZwei), habe mich mit einigen Wii-Spielen wie beispielsweise “Mini Ninjas” und “Rabbids Go Home” herumgeplagt, was allerdings damit zusammenhängen könnte, daß ich, wie SpielerZwei zu attestieren weiß, absolut nicht dazu in der Lage bin, eine Wii-Fernbedienung zu benutzen, und ich habe, nachdem die anderen Polytessen ja schon vor einer Weile in den Genuß gekommen sind, auch einmal einen Blick durch Nvidias 3D-Shutterbrille geworfen und war nicht besonders begeistert. Weil mein Quadratschädel scheinbar zu groß für das Gerät ist, flimmerte es auf meinem rechten Auge und zudem erschien mir die Implementierung bei 1Cs King’s Bounty nicht besonders gelungen: Alles wirkte wie eine flache Papierkulisse, die aus wenigen Ebenen besteht, und es bereitete mir enorme Probleme, mit dem Cursor die Einheiten, die sich tief darunter befanden, zu selektieren.
Den großartigsten Stand habe ich mir bis zum Schluß aufgehoben: Schwedische Studenten der Högskolan på Gotland präsentierten dort fünf selbst designte Arcade-Spiele, von denen drei besonders hervorstachen: Und zwar jene, die mit ebenfalls selbst gestalteten Controllern ausgestattet waren. Zum einen gab es ein Rennspiel im Stile von “Marble Madness” für vier Spielerinnen und Spieler, das sich durch je einen überdimensionalen Trackball steuern ließ, dann noch ein Multiplayer-Spiel, bei dem vier Personen mit einem handtellergroßen Steuerkreuz die eigene Kugel auf einem beweglichen Teller balancieren und die der Gegner davon herunter stoßen mußten. Beim dritten Exemplar handelte es sich um ein zweidimensionales Geschicklichkeitsspiel nach Art von “Loco Roco” und “Rolando”, das ebenfalls mit einem speziellen Controller ausgestattet war; einer drehbaren Scheibe, mit der man den Grad der Neigung des Levels bestimmt. Im Gegensatz zu einigen Arbeiten von Studenten der HAW, die ich mir im Juni in Hamburg angesehen habe, machten diese Werke schon einen sehr ausgefeilten und spielbaren Eindruck, Hut ab!
Der Vergleich hinkt vielleicht, aber die Friday Night Games der ESL, die zwei Mal im Jahr in meiner Heimat Station machen, haben bei mir einen deutlich besseren Eindruck hinterlassen. Dort ist es ruhig genug, um sich unterhalten zu können, es sind ausreichend Sitzplätze vorhanden und es gibt mehr Spielgeräte, an denen man ein oder zwei Spiele von Partnern des Events ausprobieren kann, als bei so mancher Gamescom-Bude. Man merkt, daß das IFNG auf ein Zusammentreffen der Spielerinnen und Spieler ausgelegt wurde, unter anderem daran, daß auf diesen Veranstaltungen der (real-analoge und leider auch schon ziemlich ramponierte) Kicker-Tisch die heimliche Hauptattraktion ist. für die Gamescom hätte ich mir gewünscht, daß es anstatt der riesigen Stände, die einen ständig mit Gebrüll und Musik bombardierten, mehr Orte gegeben hätte, an denen man gemütlich mit, gegen oder neben anderen Besuchern in Ruhe hätte spielen können.
Es ist einerseits verständlich, daß die mittlerweile weltgrößte Spielemesse konzipiert wurde, um möglichst schnell möglichst viele Besucher durch die Hallen zu schleusen, aber andererseits für optimal halte ich es nicht. Mir wären mehrere kleine Messen mit lokaler und/oder thematischer Ausrichtung, wo auch Spiele jenseits von “Call of Duty”, “Halo” und “Need for Speed” Platz fänden, so wie es derzeit in Leipzig versucht wird, lieber.
Berichte der anderen Mitglieder des Polytbüros folgen.
3 Kommentare
Mit deinem Sony-Lob bin ich nicht so ganz einverstanden. Mir wurde zugetragen (ich selber habe mich nur in einer einzigen Schlange angestellt und das war nicht Sony), dass GT5 eine total verkrüppelte Version war. Nach dem 4. Gang war Schuss, also mehr ne Spazierfahrt. Was sowas soll, erschliesst sich mir nicht wirklich.
Dazu kann ich nichts sagen, weil ich es mangels Interesse nicht gespielt habe.
Verkrüppelte Demo-Versionen gab es auch an jedem anderen Stand, aber wenn GT5 wirklich derart beschränkt gewesen ist, ist das in der Tat ein Armutszeugnis.
Ich hätte eine – wenn auch etwas absurde, aber irgendwie einleuchtende – Erklärung für die Beschränkung der Fahrtgeschwindigkeit durch Weglassen der höheren Gänge:
Polyphony Digital wollte mal so richtig protzen und den Spielern die Betrachtung der detaillierten Landschaften und die Würdigung des High Polygon Counts der Fahrzeuge auferzwingen, indem sie die Geschwindigkeit rausnehmen und so der Tunnelblick ausbleibt, der allerhöchstens bis zur nächsten Kurve reichen würde.
OK, hab ich mir selbst zusammengereimt… und zumindest in meinem Kopf hat es gerade noch Sinn gemacht.