Ich leide an fortgeschrittenem Spieleverdruss. Es begann gegen Ende 2013 und hielt nun einige Monate an. Die Symptome: Nichts begeistert mich mehr. Alles ist mir zu generisch geworden, zu bekannt, zu durchschaubar, zu langweilig. Nichts vermag mehr zu überraschen, zu packen, so richtig mitzureißen, wie es Bioshock damals beim ersten Durchspielen getan hat, wie es Pikmin 3 locker schaffte, wie es Mario 64 heute noch tut. Hinter jedem Game wird nur noch Geldmacherei vermutet, seelenloses Sequelproduzieren ohne nennenswerte Story, stattdessen Grafikhurerei, Hauptsache es sieht besser aus und bietet ansonsten gegenüber der Vorjahresversion nichts Neues, außer vielleicht einem Schäferhund. Ich konnte es nicht mehr sehen und war dabei nicht mal konsequent: Das einzige Spiel, das mich in der letzten Zeit für mehr als 20 Stunden bei der Stange halten konnte, war Borderlands, das ideenloser nicht sein könnte (zumindest, wenn man den Nachfolger schon kennt).
Wie sollte es weitergehen? Warten auf Dark Souls 2, das schon im Titel stehen hat, dass es eben nicht die Neuerfindung vom Rad ist? Lords of Shadow 2? Gleiches Spiel. Auf Indies ausweichen, von denen nicht alle das sind, was soziale Medien in ihrem Gehype draus machen? Wenig Lust, zudem für viele nicht das geeignete System im Besitz (ich weigere mich standhaft, meinen Mac mit Windows zu verhunzen). Auf Nintendo hoffen! Genau. Die sind ohnehin gebeutelt genug, weil die Masse tumber Gamer lieber Knack kauft als Super Mario 3D World. Weil sich Big N standhaft weigert, Smartphones zu bedienen. Weil die Wii U keinen interessiert, der nur nach mehr Power sucht statt nach eigenständigen Spielerlebnissen. Schön. Also wäre geklärt, wie es weitergeht: nur noch Wii U Games zocken! Hoch die internationale Nintendo-Solidarität! Ein paar Anständige Titel für das Teil muss es ja geben. ZombiU taucht im Hinterkopf auf. Das galt seinerzeit als cool, weil es mit dem Pad gut interagiert hat und außerdem “erwachsenengerecht” ist (Gamer-Idiotie für: beinhaltet Blut – als ob das automatisch einen fordernden Inhalt ergeben würde). Außerdem habe ich lange kein gutes Survival-Horror-Game gehabt. Das letzte war Resident Evil Revelations auf dem 3DS und in meiner Not griff ich im November sogar auf die PS-Store-Version von Resident Evil 4 zurück, das mit Survival nicht viel am Hut hat.
Seither sind 12 Stunden vergangen und die Entscheidung hat sich als richtig herausgestellt. ZombiU hat mich von meiner Gaming-Depression zumindest eine Zeit lang erfolgreich abgelenkt und vieles richtig gemacht. Die erwähnte Pad-Spiel-Interaktion beispielsweise, die der Sache einen herrlichen, völlig ungewohnt-langsamen Rhythmus verleiht: Die Gegend nach Sammelbarem abscannen, Feinde markieren, Kameras suchen und hacken, damit die Levelkarte freigeschaltet wird. Nichts mit losziehen und einfach alles übern Haufen schießen. Stattdessen erst mal beim Betreten eines neuen Areals schauen, was es hier zu finden gibt.
Denn das ist bitter nötig: Munition ist rar, Heiltränke und Co. genauso, Feinde dagegen nicht. Und tough sind die Biester auch noch. Mit der Standardwaffe, einer Art Cricket-Prügel, ist den Typen äußerst schwer beizukommen. Vier bis sechs Schläge sind nötig, bis den Untoten endlich der Schädel platzt und ich mich frage, wie die USK das mit einer roten 18 durchwinken konnte, während Condemned auf Liste B gelandet ist. Muss ich nicht verstehen. Mein Job ist es schließlich nur, aus dieser zombieverseuchten Version von London, die mich angenehm-schaurig an 28 days later (kann ich nicht alleine schauen und nur mit Licht an) erinnert, lebend rauszukommen.
Blöd, dass die Hintergrundstory derart dünn ist, dass ich quasi nichts weiß, außer dass ein Typ mein Mentor ist, dem ein “Safehouse” gehört, in dem ich schlafen und Vorräte lagern kann und von dem aus ich zu meinen Missionen aufbreche. Warum er mir hilft, was zur Hölle hier eigentlich passiert ist und ob’s sowas wie Heilung gibt – alles unklar. Klingelt’s schon? Nein? Dann sagen wir halt, wie es ist: Die Macher haben als Inspiration Dark Souls angegeben. Wer hätte es gedacht. Passt ja: Da erfährt man schließlich nur von der Story, was man sich Meter für Meter erarbeitet.
Das ist nicht die einzige Parallele. Am auffälligsten ist die Möglichkeit, Abkürzungen zwischen den Levelabschnitten freizuschalten – so man sie findet. Die Maxime: Geh gefälligst erkunden, Typ!
Das und das allgegenwärtige Sterben. Denn ZombiU ist hart. Sauhart! Keine Munition und stattdessen nur den Prügel, während zwei Schlurfis auf dich losgehen? So gut wie tot. In eine Sackgasse geflüchtet und Nachladen vergessen? Tot. Keine Medipacks mitgenommen, weil in dem verdammten Rucksack nur Platz für 12 Gegenstände ist? Tot. Das geht hier alles recht flott und kaum ist das Ableben über die Bühne, geht’s im Safehouse auch schon wieder neu los. Allerdings mit anderem Charakter. Identifikationsmöglichkeiten gibt’s quasi keine, außer einer Kurzbeschreibung des neuen Menschen, den ich steuern soll, sind da keinerlei Informationen. Ich ziehe mal mit einem Schaffner los, dann mit einem Junkie, dann mit einer Polizistin. Völlig egal. Wichtig ist nur, dass ich es bis zu der Stelle schaffe, wo ich zuletzt draufgegangen bin. Denn da liegt der Rucksack mit meiner Ausrüstung und die hätte ich gerne wieder. Mit Nachdruck. Blöd nur, dass die Typen, die mich umgemacht haben, noch drum herum stehen. Das gute, alte Souls-Prinzip. Funktioniert auch hier prima.
Es ist das Wechselspiel aus langsamen, fast schon gemütlichen Erkundungen und panikartiger Flucht, die ansteht, wenn mal wieder ein Trupp Untoter naht, das ZombiU zu einem gelungenen Titel macht. Eben noch in aller Ruhe die Gegend nach Sammelbarem abgesucht, nur um wenige Sekunde später alles, was ich über das Überleben zu wissen glaubte, vergessen zu haben. Nur weil der Pistole die Munition ausgeht und Panik die Überhand gewinnt. Das ärgert mich dann, wenn ich deshalb draufgehe, schließlich hätte ich es besser wissen müssen: Granate nehmen oder ein Leuchtfeuer, um die Typen abzulenken und die Biege zu machen. Stattdessen musste ich ja den Kampf suchen und mal wieder den Kürzeren ziehen. Alles meine Schuld. Ich hab die beiden Souls durch, ich kann das ab. Tritt mir also ruhig in die Fresse, ZombiU, dafür mag ich dich nur noch mehr.
Mit steigender Anzahl durchgebrachter Charaktere werde ich nämlich besser. Weil ich dich bezwingen will, du Scheißspiel. Weil ich dich als würdigen Gegner wahrnehme, als harten, aber fairen Sparringspartner. Verdammt, das war es wohl, das gefehlt hat! Ein Spiel, das mir entgegenschreit “Nimm mich ernst, sonst mach ich dich kaputt!” Das mich belohnt. Dass mir das Gefühl gibt, etwas Großes geschafft zu haben – auch wenn das “Große” nur das Freischalten einer neuen Abkürzung, das Auffinden einer neuen Waffe (derer es übrigens schon arg viele gibt) oder das Aufrüsten selbiger (yup, auch das geht) war. Oder dem Besserwerden mit verstärktem Gebrauch einzelner Waffen: Ein halbes Dutzend Zombies mit der Pistole umgeacht? Pistole Level zwei. Noch ein Dutzend? Level drei. Nun bloß am Leben bleiben! Denn gehe ich drauf, geht das Auflevel-Spielchen von vorne los.
Je ernster ich das nehme, desto besser werde ich darin. Desto länger überlebe ich, desto weniger gewinnt Panik die Überhand, sondern durchdachtes Vorgehen. Denke ich zumindest. Denn am Ende hab ich es doch nicht geschafft und das hat mich nochmal besonders hart in die Weichteile getreten. Ohne das Finale zu spoilern, aber: Was die Entwickler da an Konsequenz zeigen, ist schon eine äußerst angenehme Sauerei. Es bleibt quasi nichts außer der Option, nochmal ganz von vorn zu beginnen. Danke! Wirklich! Dafür verzeihe ich dem Spiel auch, dass es nicht durchgehend gruselig war, dass sich zu vieles zu oft wiederholt hat und dass die Story nicht über Grundschulaufsatzniveau hinausgekommen ist. Es ist eigenständig, es macht von den Möglichkeiten der Wii U wunderbar Gebrauch und es ist fordernd schwer. Das war es, das ich wollte. Und nun schleunigst wieder brauche, wenn die Gaming-Winterdepression nicht wiederkehren soll.
1 Kommentar
Schöner Artikel, tolles Spiel, nichts zu ergänzen…