Achievements – Wir lieben sie, wir hassen sie, wir müssen sie alle holen oder wir lassen sie alle links liegen. Wir streiten uns darüber, ob ein höherer oder niedrigerer Gamerscore etwas über unsere Erfahrung und Kompetenz als Spielerinnen und Spieler aussagt, ob die Over-Achiever unter uns die einzig wahren Connaisseurs oder doch nur Zeitvertreiber mit einer Zwangsstörung sind. Es gibt gute Achievements und schlechte Achievements, Achievements, die ein Spiel bereichern und solche, die die Atmosphäre zerstören. Grobi hat vor Kurzem schon einen großartigen Artikel zu diesem Thema geschrieben, den sich jede Person, die sich für dieses Thema interessiert, unbedingt noch einmal ins Gedächtnis rufen sollte. In diesem Artikel soll es jedoch nicht ausschließlich um Achievements gehen, sondern auch ein klein wenig um Social- und Casual-Games, Ubiquitous Computing und anderen Kram gehen. Und ich werde viel verlinken – Ich hoffe also, ihr habt ausreichend Zeit mitgebracht.
So richtig interessant gemacht hat das Thema für mich überhaupt erst ein halbstündiges Video vom diesjährigen “D.I.C.E. Summit”, auf das ich durch PlayStar aufmerksam wurde. Jesse Schell, ein Entwickler von MMOs, Casual- und Download-Titeln und, wie man sieht, ein mitreißender Redner, geht darin zunächst einmal auf den unglaublichen Erfolg von Facebook-Spielen wie “Farmville” ein. Es geht um Zahlen, die so groß sind, dass es einem schwer fällt, sich überhaupt ein halbwegs klares Bild davon zu machen. (Überhaupt sollte jede Publikation, in der es um Wirtschaft oder Astronomie oder so einen Quatsch geht, ein Kapitel enthalten, das versucht, einem die Dimensionen begreifbar zu machen, mit denen sie sich befasst). Und weil der Casual-Markt immer wieder irgendwie als marginal abgetan wird, verweise ich auch immer wieder gern auf den Bericht von meinem Besuch bei der “Casual Connect 2010”, der mir selbst ein bisschen die Augen geöffnet hat.
Schell führt den Erfolg von Social Games auf mehrere Faktoren zurück: Das Spielprinzip vieler Titel beruhe auf psychologischen Tricks – Angesichts von Nachrichten über herbe Verluste bei der Zahl der Freizeit-Farmer auf Facebook, seitdem dort die Nutzung der extrem nervigen Benachrichtigungen eingeschränkt wurde, halte ich diese Behauptung für durchaus glaubhaft. Mit Psychologie kenne ich mich aber leider nicht besonders gut aus. Dennoch möchte ich euch die Lektüre des Blogs “The Psychology of Video Games” dringend ans Herz legen. Dort werden nämlich regelmäßig auf unterhaltsame Art und Weise interessante psychologische Phänomene rund um das Thema Spiele beleuchtet. Daß man bei Farmville & Co. zusammen mit seinen Facebook-Freunden, die in der Regel ihre realen Namen verwenden, spielt, emotionalisiert das Geschehen – Dies fällt zum einen auch in das Ressort Psychologie…
Außerdem ist dies aber auch Ausdruck einer weiteren Modeerscheinung, die viele neuartige Formen von Spielen in letzter Zeit häufiger heimsucht: Nämlich, wie die Realität immer stärker Einzug in die Virtualität hält – Die reale Welt und unsere schöne Welt der Spiele prallen immer stärker auf einander. Wir werden von Plastikgitarren, Fitness- und Skateboards, Kameras und Bewegungssensoren, Pulsmessern und Pedometern heimgesucht. Dazu folgen uns die Games auch noch auf Schritt und Tritt überall hin: Auf tragbaren Spielekonsolen wie DS und PSP, die wie auch Mobiltelefone beinahe ständig online sind. Auch Netbooks, Zunes und Ipods bringen mittlerweise Achievements und Freundeslisten mit. Und, so blöd es sich auch anhört, Waschmaschine und Kühlschrank werden sie in Zukunft vermutlich auch mitbringen. Glaubt ihr nicht? Dann schaut einmal hier: Schon heute machen vereinzelte Fahrzeughersteller wie Honda oder Ford aus umweltschonender Fahrweise ein Videospiel, indem man für zurückhaltenden Druck auf das Gaspedal Punkte oder ähnliche Belohnungen erhält.
Jesse Schell allerdings spinnt daraus in seinem Vortrag ein (zumindest aus meiner Sicht) Horrorszenario: Seine Prophezeiung lautet, dass es zukünftig Achievementpunkte für das Zähneputzen, Einkaufen, Fernsehen, bei der Arbeit, in der Schule, das Reisen, für einfach alles geben wird, alle Gerät vernetzt sein werden und Finanzämter, Regierungen und Unternehmen Zugriff auf sämtliche Bewegungs-, Konsum- und Handlungsprofile haben werden. Ihr glaubt immer noch nicht, dass das in nächster Zeit so kommen wird? Dann seht euch doch einfach einmal das folgende Produkt an, das man schon heute kaufen kann: Die “Eye-Fi”-Speicherkarten für Digitalkameras können, ohne Zutun des Photographen, ein Access Point in der Nähe vorausgesetzt, Fotos und Videos auf einen Server hochladen, mit Geoinformationen versehen und automatisch auf Facebook, Flickr und so weiter veröffentlichen.
Chris Hecker, Designer von “SpyParty” und Mitentwickler von “Spore”, hatte Schells Ideen auf der diesjährigen “Game Developers Conference” einiges entgegen zu setzen. Hecker hält dessen Vision anscheinend für den völlig falschen Weg. Und er kann das anscheinend auch mit wissenschaftlichen Studien untermauern. (Anscheinend, weil ich bisher nur Zusammenfassungen des Vortrags gelesen habe und wohl auch keine Studien existieren, die sich direkt mit Games befassen). Hecker räumt ein, dass stupide, langweilige Aufgaben besser von der Hand gehen können, wenn man dafür belohnt wird. Es gibt natürlich auch bereits eine App dafür; sie vergibt Achievements für waschen, bügeln, putzen und alle anderen erledigten Frondienste oder Freizeitaktivitäten. Doch die Sache hat einen Haken: Die Tätigkeit an sich wird dadurch nicht spannender, man bewältige sie allein für die Belohnung und würde sich ohne Belohnung niemals wieder damit beschäftigen. Zudem ist die Existenz öder Tätigkeiten in Videospielen natürlich per se ein Zeichen schlechten Designs.
Hecker argumentiert, diese Entwicklung führe dazu, dass Entwickler langweilige Spiele produzieren würden und die Spieler für das Spielen auch noch bestechen müssten. Er denkt ebenfalls, dass Erfolgsanreize, die nicht direkt mit dem Spielgeschehen zusammenhängen, dafür sorgen werden, dass man die Teile des Spiels, die einem eigentlich viel eher gefallen könnten, unabsichtlich vernachlässigt. Denke man als Entwickler darüber nach, wie man Spieler außerhalb des Spiels belohnt, kapituliere man bereits vor der Aufgabe, ein für sich genommen spannendes Produkt zu gestalten. Anstatt alle Aktionen der Spieler auszuwerten und zu analysieren, solle man sich darauf besinnen, einfach danach zu fragen, ob das Spiel Spaß mache. Ausführlicher kann man zu diesem Thema hier und hier noch einmal etwas lesen. Oder, um es mit Fox Mulder zu sagen: “Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.”…
Zum Schluss wieder einmal ein großes Dankeschön an Max Fiedler, der uns diesen passenden Header gezaubert hat. Für mehr Grafiken, Bilder und Artworks von Max surft auf seiner Seite www.pigsell.com oder bei flickr vorbei.
15 Kommentare
Moment, verstehe ich das mit dem Punktespiel beim Autofahren richtig? Man bekommt Punkte, wenn man energiesparend fährt? Derjenige der garnicht fährt bekommt demnach auch keine Energiespar-Punkte, und derjenige der den ganzen Tag total energiesparend die Straße hoch und runter fährt ist Energiespar-König.
Tolle Sache.
Die letzten Absätze erinnern mich eher an MMORPGs und ihre Erfahrungspunkte Belohnungen als an Achievements auf den Konsolen.
“Die letzten Absätze erinnern mich eher an MMORPGs…”
Genau deswegen hat Hecker unrecht. Was bitte schön ist an diesen Spielen (oder auch Social Games) nicht langweilig, außer dass sie eine soziale Komponente mitbringen? Und sie sind jetzt schon erfolgreich. Wieso sollte das in Zukunft abnehmen; nur weil ihm das nicht gefällt?
Achja, Spiele belohnen einen doch immer außerhalb ihrer selbst. Oder werden die Glückshormone nicht im Gehirn erzeugt sondern irgendwo virtuell?
Verstehe die Unterscheidung von extern und intern auch nicht so ganz, sehe das wir “Anonym” – die Glückshormone entstehen durch das Belohnungsprinzip, egal ob nun IM Spiel direkt oder auf einer Meta-Ebene. Wirklich extern wird es für mich erst bei den obigen Beispielen mit Real-Life-Tätigkeiten wie “Müll runterbringen”.
In Super Mario Galaxy auf der Wii habe ich keine Achievements, aber ich sammele trotzdem wie blöd Sterne. Das ist die Belohnung dafür, dass ich den Level schaffe. Ist doch aber im Endeffekt die gleiche Art von Belohnung wie ein Achievement auf der Xbox.
Da ist das “Schieße einem Cowboy den Hut vom Kopf”-Achievement bei RDR doch, obwohl extern, NÄHER am Spielgeschehen dran. Hier macht ja auch allein die Herausforderung an sich Spaß, da braucht es nicht mal ein Achievement für, das hätte ich garantiert auch ohne externen Anreiz ausprobiert ;)
Aber ich gehöre auch zu den Spielern, die ein Achievement nur in Angriff nehmen, wenn es Spaß verspricht. Ein “Finde 200 Tauben”-Sammel-Exkurs durch Liberty City macht mir persönlich keine Freude, daher reizt mich auch das Achievement nicht, das dennoch zu tun.
Ich sehe das so..
Gutes Gamedesign: Du schießt jemandem den Hut vom Kopf und es passiert folgendes: Kamera fokussiert auf das Geschehen, der Hut macht einen kleinen Looping.
Schlechtes Gamedesign: Du schießt jemandem den Hut vom Kopf und es passiert folgendes: Achievement unlocked.
Das ist mit externer Belohnung gemeint..
OT rant
Eye-Fi-Speicherkarten? Ehrlich? Was tun die denn bitteschön “schlimmes”? Die werden genau für diesen Zweck gekauft: übertragen der Fotos von der Kamera/Speicherkarte auf einen Server. Da kannst du ja auch automatische Türen verteufeln, weil sie sich ohne weiteres zutun öffnen, wenn man sich ihnen nähert.
Google (Streetview) ist da schon tausendmal schlimmer. Die sammeln nämlich Daten, die sie überhaupt nicht brauchen und sie auch nichts angehen. Aber Eye-Fi-Speicherkarten? Nee, du.
Meine Güte, nun krieg’ dich mal wieder ein! Ich verteufle hier überhaupt nichts. Ich nehme das Produkt nur als Beispiel dafür, daß einem nicht unbedingt bewußt sein muß, wie fortgeschritten und automatisiert Technologie heutzutage schon sein kann.
Ich kann Archivments nichts abgewinnen, hier wird dem Spieler die ein oder andere mehr oder weniger langweilige Gameplaykomponente aufgezwungen die er so nie gemacht hätte oder eben auch doch.
Für mich ist hier ein Paradebeispiel das “X Rollen auf dem Flugplatz”-Archivment von GTA4, viele Spieler werden dies wohl auch ohne zu tun der Entwickler getan haben und andere eben nur weil die Banane winkt. Der Spieler wird so, wie der Affe im Zirkus, zu etwas animiert ja fast gezwungen zu tun was er aus seinem natürlichen (Spiel-)Verhalten heraus tun würde.
Im Gegenzug gibt es auch die Spieler die ganz ohne Bananen etwas neues ausprobieren und so häufig das gesamte Gameplay eines Spiels umstülpen um Spaß damit zu haben. Schöne Beispiele sind die Trickjumper in Quake3 woraus dann sogar die Mod Defrag entstand oder auch die BF1942 Spieler die sich und Kumpels mit aberwitzig viel Sprengstoff einen Jeep und einem Flugzeug durch die ganze Map gebombt haben. Genau so etwas wollen Entwickler dem Spieler aber heute aufzwingen oder mindestens näher bringen und scheitern damit fast immer. Der Spieler macht sich hier im wahrsten Sinne des Wortes zum Affen um ein paar Punkte abzugreifen. Da ziehe ich doch die Freaks vor die es aus eigenem Antrieb tun. Das mitteilen dieser Aktionen hat aber schon immer einen hohen Stellenwert gehabt auch vor Web2.0, Gesichtsbuch und StudiVZ. Defrag z.B. hatte eine Onlinescore in welcher die Zeit eines Spieler Level X abgeschlossen hatte dokumentiert wurde und sowohl das Beispiel BF1942 als auch Quake wurden immer von einem Spec auf Video dokumentiert, welches dann durch Foren und ähnliches kommuniziert wurde. So neu ist die Idee also nicht sondern eher schon 10 Jahre alt.
Es ist natürlich wünschenswert, die Achievements interessant und abwechslungsreich zu gestalten. Andererseits scheitert es ja bereits bei gutem Gameplaydesign, und da sollen sich die Entwickler noch Gedanken machen über intelligente Achievements? Diese ganze Kacke dient nur zu einem Zweck und zwar die Spieler länger am Spiel bzw. an der jeweiligen Konsole zu halten.
Ganz übel finde ich Multiplayerachievements. Nicht nur, das die das designte Spiel an sich zerstören, sondern sie animieren die Spieler ja nicht unbedingt zum weiterspielen, sind sie alle einmal gesammelt. Die Entwickler schneiden sich damit meiner Meinung nach ins eigene Fleisch.
Die einzigen “Achievements” die mich je reizten liessen bei Erfolg sowas wie “You found a secret Area” verlauten.
Das was da achievementmäßig heutzutage -besonders auf der 360- abgeht, ist mir zu aufgesetzt und auf “Pimmel lang ziehen und vergleichen” getrimmt.
Es wäre vielleicht interessant, könnte man die Punkte, die man für ein gewonnenes Achievement erhält, wieder im Spiel investieren und irgendwas freischalten oder so.
So wie die Tickets bei Metroid Prime 3 oder Steine bei Meteos? Dann doch lieber gleich die entsprechenden Bonusmaterialien mit dem Fortschritt freischalten.
Zum Thema Achievements im Real-Life. there’s (soon) an App for that:
http://www.nerdcore.de/wp/2010/07/09/epic-win-todo-list-als-rollenspiel/
Es ist ja nicht so, daß ich das gestern schon bei Twitter gepostet hätte. ;)
warum hast du es dann nicht auch hier reingestellt für die Ewigkeit? :-) Twitter ist so vergänglich…
Das ist Absicht, damit uns endlich mehr Leser auch auf Twitter folgen. Viele hier wissen ja gar nicht, was sie dabei alles verpassen…! ;)