Mike Berlyn! Nick Montfort! Steve Meretzky! Don Woods! Aaron Reed! Dave Lebling! Brian Moriarty! Ernest Adams! Richard Bartle! Steve Meretzky, again! Andrew Plotkin! Bob Bates! Mike Gentry! Adam Thornton! Chris Crawford! Amy Briggs! Adam Cadre!
Wenn dir diese Namen etwas sagen, dann hast du GET LAMP entweder schon oder wirst es dir in den nächsten zwanzig Minuten zulegen. Wenn sie dir nichts sagen, wirst du den folgenden Artikel vermutlich querlesen und dir einen einzigartigen Einblick in die Entstehungsgeschichte von Videospielen entgehen lassen. Nicht meine Schuld.
Textadventures sind antik, ein beinahe ausgestorbenes Genre. Spielt man heute noch Spiele, die rein aus Text bestehen? Ich habe viele von ihnen gespielt und konnte mich trotzdem nicht dazu durchringen, dieses Jahr für die Beiträge des Textfire-Grand-Prix Zeit aufzuwenden. Dennoch: Interactive Fiction hat für das Geschichtenerzählen in Videospielen nicht nur den Weg bereitet, sondern setzt bis in die heutige Zeit hinein Maßstäbe. Adam Cadres interaktive Kurzgeschichte Photopia kann man kaum “Spiel” nennen. Sie lässt erschreckend wenig Eigeninitiative zu und ist in ein bis zwei Stunden durchgelesen. Wesentlich länger kann man darüber diskutieren, was Cadre sagen will, über Leben und Tod, über das Dasein an sich. Die offensichtlichste Antwort ist hier nicht unbedingt die zutreffende. Emily Shorts Alabaster ist ein Experiment. Wieviel Freiheit kann man Spielern im Dialog mit einem NPC zugestehen? Muss das Dialogsystem – wie in den meisten Spielen – als System außerhalb der übrigen Spielmechanik existieren oder könnte man beide miteinander verbinden? Wie in Shorts Galatea gibt es in Alabaster nur einen einzigen NPC. Aber die Vielschichtigkeit dieser Person, die Vielfältigkeit an Interaktionsmöglichkeiten ist allem, was man bisher selbst in Großproduktionen wie Mass Effect gesehen hat, eine Dekade voraus.
Jason Scott hat Jahre seines Lebens investiert, ist mehrere Male quer durch die Vereinigten Staaten geflogen, hat 80 Interviews unter anderem mit den oben genannten Personen geführt. Und das alles für eine Dokumentation über Textadventures. Herausgekommen ist ein schön verpacktes Set mit zwei randvollen DVDs, von denen die erste die Dokumentation “Get Lamp” in zwei Versionen enthält. Die interaktive Fassung, in der man Einfluss auf den Verlauf des Films nehmen kann, ist eine hübsche Idee, die dem Subjekt des Films entspricht. Sie leidet aber unter dem gleichen Problem wie Spiele mit verschiedenen Enden: man kriegt in einem Durchlauf nicht alles zu sehen. Ich bevorzuge die nichtinteraktive Variante. Hier sieht man die Bedquilt-Höhle in natura, die Pate stand für Will Crowthers Adventure, den Urvater und Namensgeber aller nachfolgenden Text- wie Grafikadventures. Hier erfährt man viel über den Aufstieg und Fall von Infocom, der großen Textadventure-Schmiede. Erzählt von den Leuten, die Infocom damals ausmachten. Größen wie Andrew Plotkin und Aaron Reed schließlich erzählen vom heutigen Entwicklungsstand der Interactive Fiction.
Die zweite DVD ist gefüllt mit kleinen Schnipseln, die für sich genommen sehenswert sind, aber konzeptionell bedingt nicht in den Hauptfilm passten. Ein siebenminütiges Feature zum oben genannten Photopia beispielsweise. Ein Feature um die Frage, ob die Erschaffung von Interactive Fiction eher Schreiben oder eher Programmieren ist, Diskussionen um den Dialog zwischen Spieler und Autor, um die vielgefürchteten Labyrinthe in Textadventures und – unvermeidlich – darum, ob Textadventures Kunst sind oder nicht. Die Meinungen gehen – Roger Ebert kann erleichtert aufatmen – weit auseinander.
Insgesamt ein schönes Set mit nur einem großen Haken: Wo ist das Interview mit Emily Short?
6 Kommentare
Ich hätte auf den Höhlenfilm gerne verzichtet und dafür lieber noch mehr Cadre und zarf gehabt. Und Emily Short.
So wenig Spiel Photopia auch sein mag, die Lösung zum Entkommen des Labyrinths ist wunderschön.
In diesem Zusammenhang möchte ich, wenn noch nicht bekannt, noch “Pick up the Phone Booth and die”, “The Baron” und “9:05” nennen – drei recht verschiedene, aus unterschiedlichen Gründen interessante Genrevertreter. Und alle sehr kurz.
@Kai: Graham Nelson wär auch noch nett gewesen. Kann mir nicht erklären, warum Short und er fehlen. Und zarf (aka Plotkin) ist ein absolutes Unikum, von dem kann man gar nicht genug sehen.
@SpielerDrei: Das Labyrinth ist ein Traum! Leider hab ich erst durch das Special auf der DVD erfahren, dass es für eine bestimmte Sequenz in Photopia sogar eine alternative Lösung gibt. Auf diese Lösung wär ich gerne selbst gekommen…
Alabaster ist übrigens auch sehr kurz. In zehn Minuten durchgespielt, aber 18 verschiedene Enden. Für mich einer der absoluten Pflichttitel 2009.
Danke für den Hinweis auf GET LAMP. Gibt es die DVDs nur auf deren Webseite?
Im Keller habe ich noch ein Original “Leather Goddesses of Phobos” für Atari XL mit 3D-Comic und Scratch-N’-Sniff-Karte. :-) Sogar ein paar Ausgaben der Infocom-“Zeitung” habe ich noch, für die man sich in USA registrieren konnte und die tatsächlich den Weg nach Deutschland geschafft hatten.
So toll ich die Infocom-Adventures damals fand, so wenig kam und komme ich aber damit zurecht, weit gekommen bin ich nie.
In den Interviews ist auch Scott Adams (nicht der Dilbert-Zeichner, sondern der andere) zu finden, der ja wirklich eine Massenproduktion laufen hatte und dessen Spiele ja auch die ersten mit einfachen 2D-Grafiken waren.
Ganz groß war noch A.S.Y.L.U.M. auf Atari XL und C-64 von William F. Denman, Jr. http://www.swobi.at/asylum/asylum.html
Das wohl erste Adventure habe ich damals anno 82/83 in der Schule auf dem Apple II gesehen: Escape from Rungistan. Bin nie aus der Zelle gekommen, aber das Spiel hinterließ irgendwie einen bleibenden Eindruck.
Ach ja, und Silicon Dreams für den Atari liegt auch noch im Keller. Nie weit gekommen, aber die Story finde ich großartig. Auch die beiliegende Kurzgeschichte war klasse! http://en.wikipedia.org/wiki/Silicon_Dreams_trilogy
Momentan gibt es die DVD nur direkt über Mr. Scott. Entweder über die Webseite oder bei den Kinovorführungen von “Get Lamp” in den USA.
“Bin nie weit gekommen” kommt mir übrigens seeehr bekannt vor. Ist bei aktuellen Genrevertretern zum Glück anders. Mammutwerke wie Reeds “Blue Lacuna” sind die Ausnahme, der Trend geht eher in Richtung kurz und schaffbar.