Wir öffnen für euch jeden Tag ein Türchen in unserem Adventskalender und präsentieren euch jeweils einen unserer ganz persönlichen Lieblings-Autoren, die einen kleinen Gastbeitrag für uns und euch verfasst haben. Zum 12. Dezember nimmt uns Sven mit in seine Kindheit.
Weihnachten in der DDR
Gastbeitrag von Sven Wernicke, schreibt unter anderem auf seinem Blog auf polygamia.de
Tja, hätte Manu gewusst, dass ich alles beim Wort nehme. Seine Schuld! Er sagte, ich könne für den Polyneux-Weihnachtskalender eine „kleine Anekdote“ schreiben. Über das, was ich z.B. 1982 zu Weihnachten bekam. Okay, alles klar. Bitteschön.
Früher, vor 29 Jahren. Ich war jung und sicher unschuldig. Mit meinen vier Jahren konnte ich ja noch nichts Böses angestellt haben. Vermute ich. Als Kleinkind wusste ich auch nichts von Kalten Kriegen und einer großen Mauer. Oder von einer Bundesrepublik Deutschland. In der DDR vermisste ich keine Bananen, ich kannte sie vermutlich in diesem zarten Alter gar nicht. Ich war ein glücklicher, zufriedener und etwas wohlbeleibter Knirps. Das beweisen einige Fotos. Und ich hatte tolles Spielzeug. Es war nicht notwendig, dieses an einen Fernseher oder Monitor anschließen zu müssen. Das wäre eh doof gewesen, wir hatten sowas 1982 nicht. Außer eine olle Schwarz-Weiß- Glotze (bis übrigens ins Jahr 1989!). Ich vergnügte mich vorwiegend mit einer geilen Ritterburg, auf denen Gummi-Indianer gegen Soldaten und Ritter kämpften. Außerdem besaß ich einen schnieken, nein sensationellen Steinbaukasten. Der war zwar uralt, aber fantastisch. Ich überlege übrigens nach wie vor, mir diesen wieder zuzulegen oder zu Weihnachten (2011) schenken zu lassen. Dumm nur, dass er mittlerweile als Neuauflage an die 100 Euro kostet. Seufz.
Was ich nur mit vier Jahren zu Weihnachten bekam? Nicht einmal meine Eltern wussten es genau. Aber sie waren sich recht sicher: Es müssen Autos gewesen sein. Jedoch nicht irgendwelche, sondern Miniaturpanzer der Nationalen Volksarmee (NVA). Sie waren ungefähr so groß wie Matchbox- Vehikel, zeigten aber die mächtige Militärgewalt der Deutschen Demokratischen Republik. Die Nachbauten echter Kriegsmaschinen unterm Weihnachtsbaum? Aus heutiger Sicht empfinde ich das als dezent befremdlich, damals allerdings war das schon eine prima Sache. Ich weiß noch, wie ich mit meiner NVA-Armada epische Schlachten austrug und die Gummiindianer endlich eine Chance gegen die Ritter des Mittelalters und der Infanterie der Neuzeit hatten. Was für ein Spaß. Austragungsort war freilich besagte Ritterburg. Fast authentisch. Glaubte ich jedenfalls…
Erst vier Jahre später keimte mein Interesse für digitales Entertainment auf. Meine Erziehungsberechtigten kauften ein paar russischen und ziemlich beängstigenden Soldaten ein Telespiel ab. Für 150 Mark (DDR). Längst weiß ich, dass dies eine plumpe Game&Watch-Kopie war. In dieser musste ein Wolf Eier fangen, die ein Hase von den Bäumen warf. Die Protagonisten waren zugleich berühmte Trickfilmstars des Ostblocks. Ich hatte so etwas zuvor nie gesehen, folglich war ich überwältigt von dieser technischen Spielerei. Die Indianer? Die Burg? Die NVA-Panzer? Sie alle rückten mehr und mehr in den Hintergrund, ich verbrachte Wochen mit diesem bescheuerten LCD- Ding (so ähnlich wie das hier), mit dem ich nicht einmal in der Schule angeben durfte. Es gab auch keine Hintergrundbeleuchtung und nur zwei fast identische Spielmodi (langsam und schnell – oder so). Ja, es muss der Beginn meiner Spiele-Affinität gewesen sein. Weihnachten 1986. In der DDR.
4 Kommentare
Kommt mir alles so furchtbar bekannt vor!
Die matchboxgroßen Panzer hatte ich damals auch die “passenden” Indianer und Ritter selbstverständlich auch. War ja das tolle am Osten das wi Kids alle das selbe Spielzeug hatten, war immer alles zueinander Kompatibel ;)
Besonders geliebt hab ich aber meine Metalbaukästen. Kräne, Traktoren und LKW’s jeden Tag auf’s neue zusammen und auseinder bauen, was ein Spass! Jetzt liegen sie in der Garage, sollte sie mal entstauben ;)
Mein erstes LCD Spiel bekam ich damals in Polen, wo ich sonst? Hab mich auch ewig damit beschäftigt in 2 Geschwindkeiten mit meinem Auto andere zu überholen, daher kommt wohl meine heutige Rennspielaffinität ;)
Oh, ja. Die Metallbaukästen. Die sehe ich regelmäßig bei meinen Flohmarktbesuchen. Oder die kabelgebundenen, “ferngesteuerten” Autos. Der Polizeiwagen oder der gelbe Sportwagen. Hach, genial. Hätte ich Platz und Geld, ich würde mir einiges davon wieder kaufen. :)
Oh, ein polnisches LCD-Spiel? Auch nicht schlecht. Das Rennspiel von der Art kenne ich noch, war aber aus der Wendezeit. Da kaufte ich mir von meinem Begrüßungsgeld (das durfte ich als Knirps behalten!!) ein solches bei Woolworth in Goslar. Dorthin ging die erste Reise in den Westen. :D
Finde es großartig, dass tatsächlich einer meinen “z.B.”-Vorschlag um die Stimmung zu setzen aufgenommen hat. Danke, Sven! Schöner Einblick für mich Westkind.
Das Hase und Wolf LCD-Spiel gibts hier:
[url]http://www.pica-pic.com/#/nu_pogodi/[/url]
Die persönliche Schallmauer lag damals bei Spiel A (langsam) bei ca. 1000 Eiern. Da komm ich heute nichtmal annähernd hin. Muss die Verweichlichung durch Railshooter sein. Oder ich bin alt geworden. Oder beides.
Danke für den Rückblick.