Throwback ins Jahr 2018: Ni No Kuni 2 erscheint, und als überraschend beste Mechanik punktet nicht etwa das Kampfsystem oder die putzige Story, sondern das integrierte Meta-Game, bei dem ich ein ganzes Königreich vom kleinsten Wohnhäuschen an aufbaue und Fakten auf der Weltkarte des drolligen Fantasiereichs schaffe. Es bereitet mir ungemeine Befriedigung, physische Veränderung auf der Weltkarte eines Spiels zu sehen, für die ich verantwortlich bin. Das macht mich für Bau- und Bastelspiele wie Minecraft oder Terraria oder auch Aufbaustrategie wie Anno oder Age of Empires natürlich anfällig, und tatsächlich habe ich in alle davon viele, viele hundert Stunden versenkt. Andererseits zieht es mich aber auch stark zu Rollenspielen und anderen storygeleiteten Games, die ihren Progress in wachsenden Städtchen ausdrücken oder mich nebenbei ein Gebiet wiederbeleben lassen (Bravely Default und Okami grüßen herzlich).
Also nein, das hier ist keine Review des murksigen neuen Ni No Kuni-Mobile-Games, das mit Crypto-Anbindungen Häme auf sich zieht, sondern eine Ode ans Wachsen von digitalen Städten und Schlösschen durch Spielfortschritt. Und just in diesem Jahr erschien ein Spiel, eigentlich nur ein Appetithappen für eine ganz andere Art von lang vermissten Game, das eigentlich aus nichts anderem besteht. Die Rede ist von Eiyuden Chronicle: Rising, dem Action-Prequel zum Kickstarter-Erfolg Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes, das wiederum ein spiritueller Nachfolger zur Suikoden-JRPG-Reihe ist. Reichlich verworren, das ganze. Erst recht für Fans, die sich vor allem ein JRPG gewünscht haben und nun einen 2D-Plattformer mit Kämpfen und Crafting in Händen halten.
Tatsächlich hat mich Rising in mehr als einer Sache an eines meiner liebsten Spiele der letzten Jahre, Sakuna: Of Rice and Ruin, erinnert. In Sakuna durchstreife ich als gleichnamige Göttin des Krieges und der Ernte eine mythologisch angehauchte Welt zweidimensional und sammle dabei Zutaten, Baumaterialien und Werkzeuge, um anschließend meine Basis zu erweitern, Reis anzubauen und stärker zu werden. Zwar kann sich das sehr simpel gehaltene Kampfsystem von Rising und auch das ambitionierte, aber etwas hakelige Plattforming mit Teleportern und Airdashes nicht mit Sakunas fast Devil-May-Cry-artiger Perfektion messen, die Bezugspunkte sind aber dennoch vorhanden. Fast jede Aufgabe, die ich für die Dörfler in Eiyuden Chronicle: Risings Spielweltmittelpunkt, dem abgeranzten Städchen New Nevaeh erfülle, sorgt für die Eröffnung eines neuen Ladens oder sogar einer ganzen Seitengasse voller neuer Services. Später kann ich auf die gleiche Weise die schäbigen Strohhütten der Dörfler zu prachtvollen, chinesisch wirkenden Fachwerkhäusern aufwerten. Das verbessert nicht nur das Stadtbild, sondern erweitert auch die Angebote der Bewohner für meine Figuren, die entsprechend immer stärkere Waffen, immer mehr Bewegungsoptionen und immer mächtigere Gebrauchsgegenstände erhalten. Eine selbstverstärkende Spirale auf die beste Art – selten hielt mich “nur noch eine Quest” so lange am Stück im Bann. Denn die Aufgaben sind zwar simpel, meist nicht mehr als einfachste Fetch Quests, aber sie sind auch ebenso fix erledigt. In zehn Minuten habe ich so manches mal fünf, sechs, sieben der insgesamt etwa 200 Aufgaben erledigt und dabei einige nette Dialogzeilen der sympathisch geschriebenen Figuren miterlebt. Gerade die drei Hauptfiguren CJ, Garoo und Isha – eine Plünderin, die vor Sammelwut keinen Gegenstand liegen lassen kann, ein Känguru mit grummeliger Attitüde und eine geldgierige Magierin – sind so gut ausgearbeitet, dass ich mir sehr gut vorstellen kann, sie im Nachfolgespiel Hundred Heroes wiederzutreffen.
Vermutlich werden die meisten Rezensionen von Rising recht enttäuscht konstatieren, dass das ja gar nicht wie Suikoden ist, schließlich ist es ein 2D-Action-Plattformer und kein JRPG. Als Nicht-Wirklich-Fan der Suikoden-Reihe – ich mag Teil Eins ganz gern, habe aber schon den zweiten als too much of the same aufgegeben – brauche ich mich diesem Chorus zum Glück nicht anschließen. Ich will auch gar nicht zu viele Worte über Suikoden und das in der Zukunft liegende Hundred Heroes verlieren, da der Genuss von Rising für mich damit überhaupt nichts zu tun hat. Eine Sache muss ich aber zu diesem Zusammenhang loswerden: Das stückweise Entstehen und Aufwerten von New Nevaeh, die optische Erweiterung alter und das Erschließen neuer Stadtteile durch mein Einwirken, mein Erfüllen von Quests, hat viel gemein mit dem großen Reiz von Suikoden, neue Teammitglieder zu gewinnen und diese wiederum in neu eingerichteten Zimmern und Werkstätten in der eigenen Basis zu finden. Eiyuden Chronicle: Rising mag kein Suikoden-Klon sein, aber es fängt den Belohnungsgeist von sichtbaren, fassbaren Veränderungen der Spiellandschaft so gut ein wie vorher wohl wirklich nur Ni No Kuni 2 und einige obskurere 3DS-Titel, die heute kaum mehr jemand kennt. Ich bin sehr angetan und habe nun umso mehr Lust auf Hundred Heroes.
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