Nachdem ich Serious Sam 3: BFE auf meinem Rechner installiert hatte, war ich ob der ersten zwei Level geschockt: Sam und ich mussten uns durch ein nicht sonderlich hübsches, aber dafür um grafischen Realismus bemühtes Kriegsszenario kämpfen. Dabei begegneten uns auffallend wenige Gegner, für deren Tötung uns lediglich Vorschlaghammer, Pistole und Pumpgun zur Verfügung standen. „Was zur Hölle habt ihr mit meinem geliebten Sam gemacht? Seriously!?“, entfuhr es mir.
Hartnäckig wie ich bin, spielte ich aber trotzdem weiter. Und siehe da: Ab Level 3 nahm das Spiel dann doch noch an Fahrt auf. Wir bekamen mehr Waffen und endlich auch die für die Serie so charakteristischen Gegnermassen. Zudem ließen wir allmählich das triste Häuserkampfszenario hinter uns. Ich gewann an Zuversicht, dass das Spiel nach dem schwachen Start nun immer mehr aufblühen würde. Und tatsächlich machten die nächsten paar Level richtig Spaß, obwohl mir schon auffiel, dass die Gag-Dichte eher bescheiden war, die Secrets im Vergleich zu den Vorgängern einen schlechten Witz darstellten und Eastereggs so gut wie gar nicht vorhanden waren. Das würde aber alles noch kommen, dachte ich mir. Vermutlich war ich an den witzigen Sachen einfach vorbei gelaufen, ohne sie zu sehen.
Im weiteren Verlauf wurden die Gegner zwar immer zahlreicher und das Spiel immer schwerer, aber meine Hoffnung auf echten Spielspaß immer geringer. BFE zog sich für mich irgendwann nur noch wie Kaugummi unnötig in die Länge. Gegen Ende des vorletzten Levels verlor ich dann endgültig die Geduld, suchte mir (seit Jahren zum ersten mal wieder) den Code für den God-Mode aus dem Netz und beendete das Spiel als verachtenswerter Cheater. Meine Entschuldigung ist, dass ich einfach nur noch den Wunsch verspürte, dieses Trauerspiel endlich zu beenden, um meiner Enttäuschung in Form dieses Textes Luft zu verschaffen…
Ich habe die ersten beiden Auftritte von Sam Stone geliebt. Und das lag nicht nur daran, dass ich damals noch des öfteren auf LANs ging und der sensationell spaßige Coop-Modus noch heute ein breites Grinsen ins Gesicht zaubert, wenn ich daran zurückdenke. Nein, die ersten beiden Encounter machten mir auch solo richtig viel Spaß, weil die Spiele neben irrwitzigen Gegnerhorden auch eine riesige Portion Humor boten. All die vielen Gags, bekloppten Secrets und Eastereggs im Spiel machten die Serie innerhalb des mehrheitlich eher grimmigen FPS-Genres zu etwas ganz Besonderem. Durch die Selbstironie des Protagonisten und die vielen parodistischen Anspielungen auf Genre-Kollegen und -Klischees, war Sam für mich schon damals der legitime Nachfolger des in der Entwicklungshölle verschollenen Dukes.
Als dann einige Jahre später Serious Sam II erschien, war ich einer der wenigen Kritiker, die das Spiel für großartig hielten. Viele Rezensenten störten sich seinerzeit an der noch ausgeprägteren Albernheit und dem noch cartoonigeren Look des Nachfolgers. Dabei war es in meinen Augen nur konsequent, dass der Entwickler Croteam die große Stärke, und gleichzeitig auch das wichtigste Alleinstellungsmerkmal der Serie, noch weiter betonte: Serious Sam war immer eine Fun-Shooter-Serie, bei der es nie um Horror, Splatter oder sonst wie gelagerte Schockmomente ging. Und gerade dem im Moment so beliebten (Pseudo-)Militär-Realismus im FPS-Genre trat Sam im Vorbeigehen souverän in die Eier, um ihm anschließend noch einen trockenen One-Liner zu drücken, während er sich vor Schmerzen auf dem Boden wand. Und ganz nebenbei gelang den Kroaten mit Serious Sam II sogar das, was dem Duke kürzlich gehörig das Genick gebrochen hat: Die Modernisierung des Gameplays, ohne dabei an Identität und Kernkompetenz zu verlieren.
Aber leider kann Serious Sam 3: BFE in wirklich keinem Punkt mit seinen großartigen Serien-Vorgängern mithalten.
Aber Achtung! Jetzt kommt wieder die SpielerZwei’sche Ambivalenz: Meine Enttäuschung über BFE ist bis zu einem gewissen Grad eine Frage der Sichtweise. BFE steht ja bekanntlich nicht für „Big Fucking Ehm… Gun“, wie man als FPS-Fan vielleicht vorschnell assoziieren könnte, sondern für „Before First Encounter“. Es ist ganz klar als Prequel angelegt und fügt sich rein storytechnisch auch gut in die Serie ein. Und damit lässt sich natürlich auch eine ganze Menge der Designentscheidungen für den aktuellen Teil rechtfertigen. Man könnte sagen, dass es nur konsequent ist, dass man nahezu alle Schauplätze, Waffen und Gegner im Spiel kennt. Und natürlich kann man in einem Prequel nicht ohne weiteres Elemente einbauen, die man erst mit dem Abschluß-Teil eingeführt hat. Hinzu kommt noch, dass Serious Sam II ohnehin nicht allen Leuten so gut gefallen hat wie mir. Insofern kann man BFE auch als 1A-Old-School-Back-To-The-Roots-Whatever-Serious-Sam sehen.
Zusammen mit den HD-Remakes der letzten Zeit kann man den Eindruck gewinnen, dass man beim Croteam in Bezug auf das eigene Werk derzeit ohnehin eher rückwärts gewand denkt und die Zukunft in Form von Sequels und entsprechender Weiterentwicklung komplett ausgeblendet hat. Das Prequel macht in einer gewissen Hinsicht auch Sinn, weil Serious Sam II die übergreifende Handlung um den Oberbösewicht Mental, wenn auch auf eine recht groteske Monty-Python-Art, bereits 2005 abgeschlossen hat. Es blieb also nur die Wahl, eine neue Sam-Saga zu starten, die mit den Vorgängern nicht mehr in direktem Zusammenhang steht, ein völlig neues Spiel ohne Sam zu entwickeln oder eben dieses Prequel namens BFE an den Start zu bringen. Ich hätte mich wahrscheinlich für ein ganz neues Spiel entschieden, aber das Pflegen von erfolgreichen Marken ist in der Branche ja gang und gäbe und Croteams Wahl von daher nicht sonderlich überraschend.
Dennoch weigere ich mich, die Back-To-The-Roots-Sichtweise zu teilen, weil man auf diese Weise über gravierende Defizite des Spiels hinweggeht. Am negativsten fiel mir das Fehlen des serien-typischen Blödsinns auf. Die coolen One-Liner sind immer noch vorhanden und in den Zwischensequenzen musste ich auch das eine oder andere Mal lachen, aber irgendwie war mir das alles dann doch viel zu unspektakulär, weil die von den Vorgängern gewohnten Verrücktheiten im Spieldesigns fast vollständig fehlen. Ich habe mich beim Spielen so manches Mal gefragt, ob es dafür eine befriedigende Erklärung gibt, die mir lediglich entgangen ist, oder ob die Jungs vom Croteam einfach über die Jahre ihren anarchischen Humor verloren haben. Vielleicht steht BFE ja auch für „Before First Ehm… Laugh“? Wie dem auch sei, wenn ich als Entwickler das vielleicht größte Alleinstellungsmerkmal meiner Serie aus den Augen verliere, ist auf jeden Fall etwas ganz gehörig schiefgelaufen…
Ich empfand vor allem das Leveldesign als viel zu unkreativ. Im direkten Vergleich zum extrem abwechslungsreichen Serious Sam II, das im Laufe des Spiels mehrfach den Planeten und damit auch die komplette Umgebung sowie viele der Gegner wechselte, ist BFE erschreckend ideenlos. Aber auch wenn ich lediglich die beiden älteren Encounter-Spiele zum Vergleich heranziehe, kommt mir BFE immer noch wie ein uninspirierter Schatten seiner selbst vor. Auf den ersten Blick scheint das Leveldesign zunächst sehr nah an The First Encounter dran zu sein, erreicht aber letztendlich nie dessen Qualität. Hat man die Level erst einmal leergeschossen und läuft anschließend noch mal ein wenig umher, stellt man fest, dass sie im Vergleich zu TFE eigentlich erschreckend simpel und klein geraten sind. Das Spiel hält einen in den späteren Abschnitten zwar ewig lange auf, indem es alle zwei Meter neue Monsterhorden spawnt, aber tatsächlich kann man die leeren Gebiete eigentlich innerhalb kürzester Zeit durchlaufen. Hinzu kommt noch, dass die Secrets hier lediglich daraus bestehen, dass man ein wenig Munition in einer versteckten Mauernische oder eine Rüstung auf einem Häuserdach findet. In Anbetracht der tollen Geheimräume in den anderen Teilen, ist das einfach ein schlechter Witz.
Wenn ich Serious Sam 3: BFE mit möglichst wenigen Worten umschreiben müsste, würde sich das in etwa so lesen: „BFE ist im Grunde nur ein weiteres HD-Remake der ersten beiden Teile. Nur mit dem Unterschied, dass man im Vergleich zu den echten HD-Remakes von The First Encounter und The Second Encounter noch zusätzlich gefühlte 90 Prozent des typischen Humors und das sehr gute Leveldesign ersatzlos gestrichen hat.“
Nachdem ich jetzt all diese negativen Dinge geschrieben habe, kann ich mir aber trotzdem gut vorstellen, dass BFE doch einigen Leuten richtig Spaß machen kann. Und zwar Dir! Ja genau, Dich meine ich! Du hast die Serious Sam Spiele doch immer nur im Netzwerk-Coop gespielt und Deinen Spaß primär daraus gezogen, irre viele Gegner zusammen mit deinen Kumpels abzuknallen, während ihr dabei eine Kiste Bier nach der anderen geleert habt. Dir und Deinen Freunden wird auch BFE wieder feuchtfröhliche, durchgezockte Nächte bescheren, denn das Kern-Gameplay funktioniert nach wie vor!
Alle anderen warten aber lieber mit mir zusammen darauf, dass das Croteam seinen Humor und sein Design-Mojo wiederfindet, die ihnen offenbar irgendwann im Laufe der letzten 5 Jahre unbemerkt unters Sofa gerollt sind…
7 Kommentare
“it’s the difficulty, stupid”
sorry für die provokante titelzeile, aber die pointe hat sich hier angeboten.
auf dem sonst schmachvollen “Easy”-Schwierigkeitsgrad fetzt auch BFE wie gewohnt. Leveldesign, Wiederholungen, nix Neues, ja, alles wahr, aber das Serious Sam-Feeling, ach, es packt einen noch immer. Wenn, ja, wenn man den prestigeschädigenden, aber dem Flow des SPiels weitaus angemesseneren Lulli-Schwierigkeitsgrad einstellt. Echt ehrlich.
Gut, die ersten zwei Stunden werden dadurch auch nicht besser. Nachher fetzt’s.
Just my 0,02€!
Dieses Spiel ist in Ordnung, weiß ich wirklich für First Person Shooter kümmern, aber das Spiel hatte anständige Grafik.
@mandaya: Oh, sollte ich das nicht deutlich genug geschrieben haben? Ich gebe Dir vollkommen Recht: Das klassische “Sam-Feeling” (also endlos auf Massen an Gegnern ballern) kommt in BFE schon rüber, keine Frage. Und das nicht nur auf “easy”, sondern auch auf “normal”. Ist halt nur gegen Ende irgendwann kack-schwer, aber auch das ist nicht wirklich meine Kritik. Was mich nur sehr enttäuscht hat, ist das fast völlige Fehlen der typischen “Sam-Beklopptheit”, die ich an der Serie immmer so geliebt habe. Und das Leveldesign fällt gegenüber allen anderen Teilen auch stark ab.
Ist halt immer die Frage, was man von einem Spiel erwartet bzw. an ihm besonders mag.
Ach schade. Deine Meinung zu den ersten beiden Encounters teile ich. Habe mir die irgendwann sogar zusätzlich als HD-Remakes zugelegt und wieder Spaß damit gehabt. SS2 habe ich nie gespielt. Ich weiß nicht genau, warum. Ich habe mich mit der Zeit einfach allgemein ein wenig vom Shooter-Genre entfernt.
Dass der Humor flöten gegangen ist, finde ich sehr enttäuschend. Gerade die von dir angesprochenen Secrets habe auch ich immer sehr gemocht. Alleine die Entwickler mit den riesigen Köpfen gleich zu Beginn von Enc-1. Oder die Palme in der Wüste, ebenfalls zu Beginn, die einen bei Erreichen gleich mal mit übelst schweren Gegnern zuhaut… das sind Erinnerungen, die ich nicht vergessen werde. Oder der Oasenlevel. *seufz*
Übrigens: Ich hatte mich nie über das BFE informiert und irgendwo aufgeschappt, es stünde für “Big Fucking Everything”. Wieder was gelernt!
Danke. Danke. Danke. Danke. Ich weiß noch, als wir von DTP das Testmuster bekamen und ich extra einen halben Tag frei genommen hab, um endlich wieder Sam zu zocken, Eastereggs zu suchen und One-Line rausgerotzt zu bekommen. Ich LIEBE die ersten beiden Encounter und auch SS2 (ER HAT SS GESAGT!!) war noch super. Aber das jetzt? Gute Güte.
Hab das Game dann nach den ersten beiden Level links liegen lassen. Irgendwann zwischen In-Deckung-Gehen und Selbstschussanlagen deaktivieren ist mir die Lust abhanden gekommen. Und das bei der Werbeanzeige “No Cover. All Man”. Jo, am Arsch. Hatte dem Titel dann 2 Sterne gegeben, weil (wie du geschrieben hast) gar nichts gepasst hat. Flair weg, Humor weg (Serious Bomb!) und alles, was die Vorgänger ausgemacht hat, war einfach ausgetauscht gegen 08/15 Mist. Von der miserablen Performance mag ich gar nicht erst anfangen …
Kaum war der Test online, kam paar Stunden später eine böse Mail von DTP, was uns denn einfällt, so ein tolles Spiel so dilettantisch zu bewerten und dass wir in Zukunft bei so minderwertigem Journalismus keine Muster mehr bekommen. Fuck you. Danke.
ABER: Das auf der DVD enthaltene Serious Sam: Double D ist verdammt unterhaltsam. Das Ding in 3D wäre eine würdige Fortsetzung. Solltet ihr unbedingt mal zocken – werdet garantiert nicht enttäuscht werden ;)
Da muss man ja schon wieder froh sein, dass man den Mist nicht selber testen muss. ;)
[quote]Kaum war der Test online, kam paar Stunden später eine böse Mail von DTP, was uns denn einfällt, so ein tolles Spiel so dilettantisch zu bewerten und dass wir in Zukunft bei so minderwertigem Journalismus keine Muster mehr bekommen. Fuck you. Danke.[/quote]
Hahahaha! Denen hätte ich etwas von auf dem Postweg verloren gegangen Geldköfferchen oder fehlendem Bonusmaterial (bedruckte Papierbeilagen, wissen schon) erzählt. :D
Und just im Moment des Erscheinens von Serious Sam BFE dachte ich noch kurz mein Duke Nukem Forever gefunden zu haben. Haben die Entwickler denn keine Eier mehr in der Hose ein Spiel auch mal völlig gegen den FPS Einheitsbrei zu designen und/oder sich selbst treu zu bleiben?!
Entschuldigt mich, aber ich gehe jetzt mal kurz deprimiert Sein…