Ich mag Action-Spiele. Besonders 1st- und 3rd-Person-Shooter. Was ich allerdings überhaupt nicht mag, sind die häufig damit verbundenen grenzdebilen Action-Klischees. Insbesondere die struntz-dummen Charaktere und Dialoge in vielen Genre-Vertretern verursachen bei mir oft ähnliche Reaktionen, wie der Genuss einer Runde Asi-TV am Nachmittag: Ich möchte nachher immer irgendjemanden schlagen. Vorzugsweise die verantwortlichen Autoren.
Gefühlt kommen auf jeden guten One-Liner von Action-Helden mindestens 100 unerträglich blöde Sprüche, die sich eigentlich nur ein RTL2-abhängiger Hauptschüler ausgedacht haben kann. Ganz besonders schlimm wird die Sache, wenn man es mit einem ganzen Team von Protagonisten zu tun hat, die sich das ganze Spiel über miteinander „unterhalten“. Wenn ich mir über die gesamte Spielzeit infantiles Machogelaber von Schwarzenegger-Karrikaturen anhören muss, ist meine Immersion komplett zum Teufel, egal wie gut der Rest des Spiels auch sein mag. Mir will es einfach keinen richtigen Spaß machen, mit ein paar unsympathischen Proll-Blödies stundenlang durch die Gegen zu rennen. Insofern hat der ansonsten blasse und profillose Mr. Freeman tatsächlich einen Punkt auf der Habenseite, wenn er einfach die Klappe hält und lieber seine Brechstange für sich sprechen lässt.
Es gibt aber auch positive Ausnahmen. Eine davon kommt dieser Tage von den Yakuza-Entwicklern um Toshihiro Nagoshi und heißt Binary Domain.

Das Ganze ist ein Dystopie-Szenario aus dem SciFi-Baukasten, inklusive inzwischen abgeschmolzener Polkappen und einer abartig weit auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich. Die Zutaten sind allseits bekannt und finden sich in unzähligen Büchern, Filmen und Videospielen. Dennoch ist die Welt von Binary Domain glaubwürdig und spannend in Szene gesetzt.

Da kann man jetzt natürlich sofort „Gears of War!“, „Vanquish!“, „Bulletstorm!“ oder „Mass Effect!“ rufen, tut dem Titel damit aber tatsächlich unrecht, denn in dieser speziellen Kombination machen die einzelnen Elemente Binary Domain letztendlich doch wieder zu einem sehr eigenständigen Spiel. Vor Allem, wenn man noch die inhaltlichen Aspekte hinzunimmt, die hier und dort selbstverständlich an Blade Runner, AI, Deus Ex und ähnliche Stoffe erinnern, aber an keiner Stelle direkt plagiieren. Man kann Binary Domain durchaus unterstellen, insgesamt eine Art Flickenteppich zu sein, wenn man denn unbedingt als Popkulturanalyst unterwegs sein will. Da die Einzelteile aber so gut zu etwas Eigenem verwoben wurden, sollte man sich stattdessen lieber zurücklehnen und von diesem Spiel gekonnt unterhalten lassen.


Leider, oder auch zum Glück, ganz wie man es sehen möchte, ist die Nummer mit der Spracheingabe aber nur optionale Spielerei und kann auch problemlos per Dialogmenü über das Gamepad erledigt werden. Dennoch hätte ich es wirklich gemocht, wenn es denn besser funktioniert hätte…


Und auch die eigentliche Geschichte des Spiels beschränkt sich nicht darauf, ein reines Alibi für die Shootouts zu liefern, sondern nimmt sich im weiteren Verlauf sogar der grundlegenden Blade Runner-Frage an: Ist künstliches Leben weniger wert als organisches? Und auch wenn es gegen Ende (und vor allem nach den End-Credits) dann doch noch mal etwas sehr kitschig zugeht, wird dieses Thema hier insgesamt weitaus befriedigender behandelt, als es beispielsweise Deus Ex: Human Revolution mit der technologischen Perfektionierung des Menschen gemacht hat.

4 Kommentare
Ich muss zugeben positiv überrascht zu sein. Binary Domain hatte ich mal so gar nicht auf dem Radar. Und deinem Review nach zu urteilen wäre es für mich wohl dem enttäuschenden Syndicate vorzuziehen gewesen, dessen Singleplayer Kampagne ich einfach nur öde finde.
Das der SP von Syndicate ziemlich stumpf sein soll, habe ich an anderer Stelle auch schonmal gehört. Ich glaube, das Ding lebt zum größten Teil nur von der Coop-Erfahrung. (@ netter älterer Herr: BD gibts in UK mittlerweile schon günstiger, mal bei Zavvi oder so schauen, es lohnt!)
Zu Binary Domain: Im Januar las ich davon zum ersten Mal und wollte es dann auch gleich spielen, ich hörte von ein paar Parallelen zu Vanquish. Habe es nun auch durchgespielt und bin ziemlich begeistert, auch wenn mir dieser ganze Schnick Schnack mit der Sprachsteuerung und das etwas strange Moralsystem bissel auf die Nerven gegangen sind. Gut, Sprachsteuerung ist optional, aber warum sagt mir das Spiel trotz Deaktivierung in einer Tour im HUD, das ich kein Mikro angeschlossen habe. Ich war positiv überrascht, wie gut die KI des Teams funktioniert hat, wenn man die Befehle dann per Pad eingegeben hat. Im Gegensatz zu Vanquish ist es natürlich wirklich nicht so rasant, aber mit Gears of War-Vergleichen tue ich mich auch etwas schwer, dafür ist es dann doch viel dynamischer als dieses. Und Gears taugt hauptsächlich wirklich nur im Coop, dass ist hier nicht so. Aber gut, ich spiele zu selten Shooter, um da jetzt eine ganze Bandbreite an Vergleichen auflisten zu können.
Ich fand die Farben im Spiel wunderbar und auch die Präsentation der Bosse. Teilweise schön pompös und immer draufhaltenswert, hehe. Waffenauswahl war auch übersichtlich und spielerisch war auch zwischen den Kapiteln bzw. den einzelnen Abschnitten etwas Abwechslung drin. Mir hats superviel Spaß gemacht. Und hey, ich habe Sushi in einem Videospiel gesehen, WOW! ;D
Habe Binary Domain nun auch in zwei Tagen locker durchgezockt und mir hat es wahnsinnig gut gefallen. Eigentlich stehe ich nicht so auf 3rd Person Shooter, aber wenn man auf einen Flur voll mit Robotern raufhält (siehe das Robo-Mülldepot) und so viel Metal herumfliegt, dann ist das schon geil. Generell wie die Roboter auf die Schüsse reagieren und es sich lohnt, nicht nur Kopfschüsse zu verteilen.
Die Handlung hat mir eigentlich auch ganz gut gefallen, aber zum Ende hin war es mir dann doch wieder zu viel Kitsch und die üblichen Klischees. Da wird ein gegenseitiger Vernichtungsangriff auf alles ausgeführt, weil… Konzerne und KI’s sind voll Evil? Aber mich haben auch die deutschen Sprecher genervt. Für mich funktioniert deutsche Sprachausgabe bis auf wenige Fälle einfach und ich fand es dann auch angenehm, wenn die Sprachen zwischenzeitlich ins Japanische wechselte.
Aber hat mir insgesamt doch gefallen.
Es ist echt eine Schande, dass sich das Spiel so schlecht verkauft hat. Damit kann es sich in die lange Reihe von wirklich guten Spielen stellen, die an der Ignoranz des tumben Mainstream-Publikums scheiterten…
Sowas ärgert mich immer besonders für die Entwickler. Welche Lehren können sie daraus ziehen? Beim nächsten Mal Mainstream-Klumpatsch wie alle anderen machen? Aus der Branche aussteigen? …?