1
Der Mann hinter der Gefängnistür geht auf und ab. Er beobachtet mich und meine vier Begleiter und redet dabei von einem Neuanfang. Bereue ich meine Taten? Nein. Bin ich dankbar für einen Neuanfang? Ja. Ich tat damals, was ich tun musste. Dies hat mich hergeführt. Mitten auf dieses verdammte Schiff auf dem Weg ins Nirgendwo.
Während die Wache weiter redet, schaue ich mich um. Ich kenne meine vier Begleiter nicht. Wir sitzen seit Stunden in unserer nassen Zelle und haben kein Wort miteinander geredet. Aber worüber sollten wir uns auch unterhalten? Über unsere Vergangenheit? Ganz bestimmt nicht. Dass wir hier sind bedeutet, dass jeder von uns ein Verbrechen begangen hat. Mehr müssen wir nicht voneinander wissen. Unsere unbekannte Vergangenheit verbindet uns. Genauso wie unsere ungewisse Zukunft. Und die Sehnsucht nach einem Neuanfang.
Dennoch mustere ich mein Umfeld nun etwas genauer. Bald haben wir unser Ziel erreicht. Wraeclast. Unser gemeinsames Exil. Zu meiner Rechten steht ein alter aber dennoch sehr kräftiger Mann. Er hält einen langen Stab in der Hand. Von ihm geht eine Aura der Ruhe aus. Ich weiß, um was es sich bei ihm handelt. Um einen Templer. Einen Krieger, der sich nicht nur auf die eigene Körperkraft, sondern auch auf Magie verlässt. Seine Augen funkeln und man merkt, dass er viele aufregende Geschichten erlebt hat. Ob er jemals dazu kommen wird, sie jemandem zu erzählen?
Ich schaue nach links. Dort stehen drei weitere Gefangene. Eine von ihnen hält einen Bogen in der Hand und schaut sich nervös um. Das Schwanken des Schiffs hat ihr die ganze Fahrt über keine Probleme bereitet. Geschickt behielt sie stets das Gleichgewicht. Aufmerksam mustert sie uns. Immer und immer wieder. Als würde sie auf eine falsche Bewegung unsererseits warten. Sie ist eine Jägerin. Ich bin mir sicher, dass ein normaler Mensch einen ihrer Angriffe gar nicht erst kommen sehen würde. Geschweige denn sie selbst.
Ähnliches kann ich über den Mann links von ihr behaupten. Er hält ein Schwert in der Hand und hinterlässt den Eindruck, dieses sein Leben lang nicht losgelassen zu haben. Selbst während der wenigen Ruhepausen hier an Bord hielt er es fest umklammert. Leute wie ihn nennt man in meiner Region einen Duellanten. Auf ein direktes Duell mit ihm sollte man sich nur einlassen, wenn man ein guter Kämpfer oder lebensmüde ist.
Und dann hätten wir da noch die Letzte im Bunde. Sie sitzt abseits von uns in einer Ecke. Ihre bleiche Haut steht im Kontrast zu ihrer dunklen Kleidung. Wenn ich sie nicht bereits ein paar Stunden lang hätte beobachten können, hätte ich sie für eine schwache, kranke Frau gehalten. Aber dieser Eindruck trügt. Als das Schiff vor einiger Zeit von einer großen Welle getroffen und durchgeschüttelt wurde und alle, bis auf die Jägerin natürlich, das Gleichgewicht verloren, erhob sich die Frau plötzlich in die Luft und schwebte. Als sich alles beruhigt hatte, sank sie wieder zu Boden, setzte sich und rührte sich nicht mehr. Eine Hexe. Von allen Anwesenden interessiert sie mich am meisten. Die Anderen kann ich einschätzen. Bei ihr weiß ich nicht, woran ich bin.
Ich wende mich von meinen Begleitern ab und denke nach, während ich meinen Hammer ruhig in der Hand halte. Normale Menschen würden ihn riesig nennen. Ich finde ihn gerade richtig. Das liegt natürlich daran, dass ich alle anderen Personen an Bord um mindestens einen Kopf überrage. Ich betrachte meine Arme. Sie sind übersät von Tätowierungen. Sie auf meiner dunklen Haut zu erkennen, ist nicht leicht. Aber ich trage sie auch nicht, damit sich andere an ihrem Anblick erfreuen können. Sie erzählen meine Geschichte und erinnern mich an meine Taten. Ich bin ein Marodeur. Ein Abtrünniger. Ich habe gelernt, mich nur auf mich selbst zu verlassen. Und mein Äußeres sorgt dafür, dass ich von anderen in Ruhe gelassen werde.
Die Wache hört endlich auf zu reden. Ich weiß nicht, was sie da gerade alles von sich gegeben hat. Es interessiert mich nicht. Ich weiß, worauf ich mich eingelassen habe. Nur eine Sache ist hängengeblieben. Das Wort Neuanfang.
2
Wasser. Nichts als Wasser. Überall. Neben, unter und über mir. Ich versuche, zu schwimmen, doch ich weiß nicht mehr, wo oben ist. Das Meer hat Hunger und will mich verschlingen. Der Sturm hilft ihm dabei.
Als ich mit den anderen Gefangenen vom Schiff geworfen wurde, konnte ich das Festland vor mir erkennen. Als ich das Wasser berührte, wurde ich vom Chaos übermannt. Nach wenigen Sekunden konnte ich das Schiff schon nicht mehr ausmachen. Die Richtung des Festlands? Verloren. Genauso wie ich. Aber ich wollte nicht aufgeben. Ich spannte meine Muskeln an und tat das, was ich mein Leben lang getan hatte: Ich kämpfte. Aber nicht etwa gegen Gegner aus Fleisch und Blut. Ich kämpfte gegen die Wellen. Und machte dabei keine gute Figur. Das Erste was mich verließ, war meine Waffe. Der Hammer war einfach zu schwer und zog mich mit sich in die Tiefe. Ich ließ ihn los und schwamm. Ohne meine Waffe fühlte ich mich noch hilfloser. Ich versuchte, mich an der Oberfläche zu halten und vertraute auf mein Schicksal. Nach und nach verließ mich dann etwas Anderes. Meine Kraft.
Mittlerweile kann ich nicht mehr gegen die Wellen und den Sog ankämpfen. Ich lasse mich treiben. Zwar bewege ich noch Arme und Beine, tue dies aber lediglich, weil es zur Gewohnheit geworden ist. Die Hoffnung auf Rettung ist verschwunden. Plötzlich bin ich wieder an der Oberfläche. Ich atme ein. Dann erfasst mich eine riesige Welle. Ich bin wieder unter Wasser. Mir wird schwarz vor Augen. Ich versuche, meinen letzten Atemzug so lange wie möglich zu genießen. Mit einem Grinsen verliere ich das Bewusstsein. Ist das mein Neuanfang? Ich hatte es wenigstens versucht.
3
Ich öffne meine Augen. Bin ich tot? Nein. Ich liege auf dem Boden. Im Sand. Langsam erhebe ich mich. Ich bin erschöpft. Wie lange war ich bewusstlos? Ist das wichtig? Wo bin ich? Aufzustehen fällt mir schwer aber irgendwie schaffe ich es. Zunächst strecke ich mich, um die Durchblutung meines Körpers wieder anzuregen. Mir ist kalt. Der Sturm tobt noch immer über mir. Es regnet, donnert und blitzt. Aber auch das ist nicht wichtig. Ich habe schon Schlimmeres erlebt.
„He du.“, ertönt plötzlich neben mir eine Stimme. Ich schnelle herum und merke sofort, dass diese abrupte Bewegung meinen Körper fast überfordert. Aber ich ignoriere die Schwäche. Vor mir sehe ich zwei Männer. Einer sitzt an einen Stein gelehnt auf dem Boden. Der andere liegt neben ihm. Ich kenne beide nicht. Es ist keiner meiner Mitgefangenen. Aber das wundert mich nicht. Wir waren viele.
Erst jetzt bemerke ich, dass der am Boden liegende Mann tot ist. Ertrunken. Und der andere? Er ist nicht wirklich besser dran. Zwar lebt er noch, aber ein großer Splitter ragt aus seiner Brust. Er bemerkt meinen Blick und lächelt. „Keine Sorge, hat nichts Wichtiges durchbohrt. Ich werde es überleben. Wenn du Hilfe holst. Sieh mal dort drüben.“ Langsam hebt er den Arm und deutet nach rechts. Ich folge dem Zeichen und sehe, worauf er mich aufmerksam machen will. Rauch. „Dort drüben scheint ein Dorf zu sein. Hol Hilfe. Ich will nicht so enden wie er hier.“ Mit diesen Worten wendet er sich an die Leiche neben ihm. „Wir scheinen die einzigen Überlebenden zu sein.“
Er hat recht. Ich sehe mich um. Der Strand ist übersät von Leichen. Es sind unzählige. Zu viele, als dass sie alle von unserem Schiff hätten stammen können. Auch das wundert mich nicht. Seit Jahren werden Verbrecher hierher gebracht. Zumindest die, die auf einen Neuanfang hoffen. Kaum jemand scheint sich diesen Wunsch jemals erfüllt zu haben.
Plötzlich höre ich einen Schrei. Er kommt von meinem Freund. Er ist nicht mehr allein. Jemand hat sich über ihn gebeugt. Das ist doch unmöglich! Es ist der Kerl, der vor wenigen Sekunden noch tot dagelegen hat. Er ist wieder lebendig geworden und macht sich am Kopf seines Gegenübers zu schaffen. Ich weiche zurück und mache mich kampfbereit.
4
Der Ertrunkene hat mich bemerkt. Langsam kommt er auf mich zu. Ich überlege nicht lange. Ich mag meinen Hammer verloren haben, meine Kampfbereitschaft aber noch lange nicht. Ich spanne meine Muskeln an und treibe jedweden Gedanken an Erschöpfung aus meinem Kopf. Ich habe schon in vielen Schlachten gekämpft. Ich weiß, worauf es ankommt.
Mein Gegner macht keinen besonders schnellen Eindruck. Seine schlurfenden Bewegungen verraten mir, dass ich ihn problemlos überwältigen kann, wenn ich mich nur schnell genug bewege. Und das tue ich auch. Ich renne auf ihn zu und schlage mit meinen bloßen Fäusten auf ihn ein. Es reichen wenige Hiebe und der Ertrunkene sackt zusammen. Ist er endlich richtig tot? Ich will seine Antwort nicht abwarten. Stattdessen drehe ich mich wieder in die Richtung aus der ich zuvor den Rauch habe aufsteigen sehen.
Um den Rauch zu erreichen, muss ich mehrere hundert Meter Strand überqueren. Das wird mich garantiert ein paar Minuten kosten. Aber das ist gar nicht das größte Problem. Viel schlimmer ist, dass plötzlich auch die anderen Leichen um mich herum anfangen, sich zu bewegen. Als hätten sie auf mich gewartet. Das ist gar nicht gut.
Ich schaue an mir herunter. Was habe ich dabei? Nicht viel. Meine zerrissenen Gefängnisfetzen. Diese bieten mir keinen guten Schutz. Aber was ist das da an meinem Gürtel? Ich scheine doch noch ein wenig Glück zu haben. Die Tränke, die man mir vor dem Wurf ins Wasser gegeben hatte, sind noch da. Zwei Lebenstränke und ein Manatrank. Das ist besser als nichts. Ich kann das schaffen. Wenn ich nur eine Waffe finde.
In diesem Moment schlagen meine Sinne Alarm. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass etwas auf mich zugeflogen kommt. Ein Stein. Ich springe nach vorne und weiche dem Geschoss nur knapp aus. Ich blicke sofort in die Richtung, aus der es geflogen kam. Ein insektenartiges Wesen steht vor mir. Ein Sandspucker. Das hat mir gerade noch gefehlt. Diese Mischung aus Insekt und Krebs lebt an Stränden und bespuckt seine Beute mit zuvor aufgenommenen Steinen, um sie zu betäuben. Und offensichtlich hatte sich dieses Ding mich als Beute ausgesucht.
Keine Zeit für Klagen. Wenn der Sandspucker Ärger will, soll er ihn haben. Um mich umzuhauen, muss man sich schon mehr einfallen lassen als kleine Steine. Ich renne auf ihn zu. Er trifft mich mit einem seiner Steine. Dann mit noch einem. Und noch einem. Aber ich ignoriere seine Angriffe. Natürlich spüre ich den Schmerz aber ich nehme ihn in Kauf. Schließlich erreiche ich ihn und erwidere seine Attacken. Meine Schläge lassen seine Schale einreißen bis sie zersplittert. Der Sandspucker hat keine Chance. Aber für Freude über meinen Sieg ist keine Zeit. Während meines Kampfes haben mich zwei Ertrunkene erreicht. Sofort widme ich mich ihnen und lasse sie Bekanntschaft mit meinen Fäusten machen. Erst als ich auch sie niedergestreckt habe, gönne ich mir eine kurze Pause.
Ich atme einmal tief ein und aus und greife an meinen Gürtel. Ein Lebenstrank. Ich trinke einen Schluck und leere das Glas um etwa ein Drittel. Das reicht. Ich spüre, wie sich die Lebenskraft wieder in mir ausbreitet. Ich mag natürliche Waffen im Kampf bevorzugen, ohne einen Lebenstrank ziehe aber auch ich nicht in die Schlacht. Ich stecke den Trank wieder zurück an meinen Gürtel. Wenn ich mich hier am Strand so umsehe, sollte das Gefäß in wenigen Minuten wieder gefüllt sein. Ich habe nie verstanden, wie es sein kann, dass sich ein Trank durch das Töten von Gegnern von alleine wieder auffüllt. Aber ich habe gelernt, diese Frage nicht mehr zu stellen, sondern einfach die sich daraus ergebenden Vorteile zu genießen. Ich habe in meinem Leben schon viele Lebenstränke aufgefüllt.
Jetzt aber weiter in Richtung Rauch. Ich muss dem nachgehen. Aber was ist das? Eine Truhe? Wo kommt die her? Von einem gekenterten Schiff? Möglich. Ich sehe hinein und finde einen Bogen. Eine Waffe! Was für ein Glück. Ich nehme den Bogen in die Hand. Es ist ein magischer Bogen. Er benötigt keine Pfeile. Diese bilden sich automatisch in meiner Hand, wenn ich die Sehne spanne. Wie schon gesagt: Ich verstehe nicht viel von Magie, ich nutze lediglich die Vorteile. Ich spanne den Bogen. Aber es bildet sich kein Pfeil. Verdammt. Was ist los? Ich schaue mir den Bogen genauer an. Schriftzeichen. Oh nein. Ein Schutzzauber. Ich muss erst die eingravierten Schriftzeichen identifizieren, um ihn zu benutzen. Magie hat auch ihre Nachteile. Vielleicht sind ja… tatsächlich. In der Kiste befinden sich drei Schriftrollen. Ein Blick genügt und ich erkenne sie. Schriftrollen der Weisheit. Lese ich die auf ihnen geschriebenen Zeilen vor und halte dabei den Bogen in der Hand, übersetzen sie mir die Schriftzeichen auf der Waffe. Dann muss ich diese nur noch aussprechen und ich kann den Bogen nutzen. Magische Sicherungen waren mir schon immer ein Klotz am Bein.
Aber will ich für einen Bogen wirklich eine meiner Schriftrollen benutzen? Lese ich die Wörter vor, löst sich die Rolle auf und kann nie wieder benutzt werden. Ich bin kein Jäger. Ein Bogen wäre natürlich praktisch. Immerhin eine Waffe und selbstverständlich kann ich mit einem umgehen. Aber was, wenn ich andere verzauberte Waffen finde? Ich will meine wenigen Schriftrollen nicht verschwenden. Verdammter Mist. Ich nehme den Bogen erst mal nur mit. Im Notfall identifiziere ich ihn. Aber zunächst halte ich Ausschau nach besseren Waffen. Waffen, die zu mir passen.
Jetzt muss ich mich aber um andere Dinge kümmern. Zum Beispiel die drei Ertrunkenen, die mich soeben entdeckt haben. Und zwei Sandspucker kommen mir auch gefährlich nahe. Das wird ein langer Tag.
5
Fast geschafft. Dort hinten sehe ich eine Art Mauer. Die ist definitiv nicht auf natürlichem Weg entstanden. Aber noch bin ich nicht da. Dafür habe ich mittlerweile Waffen und Rüstung. Bei den Ertrunkenen handelte es sich hin und wieder offensichtlich auch um Krieger. Ein paar von ihnen trugen Rüstungen oder Waffen bei sich. Diese habe ich, nachdem ich meine Gegner besiegt hatte, an mich genommen. Was mir von der Größe her passte, trage ich nun am Körper. Ein Wunder, dass es hier tatsächlich noch andere Menschen meiner Größe gab. Aber ich gehe vor wie immer: Nicht darüber wundern, sondern die Vorteile nutzen.
Leider bringen die vielen Fundsachen auch Probleme mit sich. Ich kann nichts mehr tragen. Ich habe noch immer meinen nicht identifizierten Bogen dabei. Als Bewaffnung dienen mir zwei alte, verrostete Schwerter. Aber ich habe auch noch zwei kleine Stäbe und einen weiteren Bogen dabei. Und damit habe ich mich eindeutig überlastet. Gerade habe ich einen weiteren Ertrunkenen erschlagen und dieser hinterließ ein verzaubertes Schwert. Dieses habe ich identifiziert. Es ist nicht so gut wie die Schwerter, die ich gerade benutze. Aber eine Reserve kann ja nicht schaden. Jedoch kann ich einfach nicht mehr tragen. Vielleicht werfe ich einen der Bögen weg? Das ist vermutlich die sinnvollste Entscheidung. Ich ziehe ein Schwert einem Bogen vor. Ja. Auf Wiedersehen Bogen, hallo Schwert.
Was mache ich denn da? Ich überlege, was ich mitnehme? Ich muss weiter. Warum lasse ich mich von dem ganzen Müll hier ablenken? Verdammt. Weiter. Moment. Was funkelt denn da? Dort drüben habe ich vor ein paar Sekunden einen Sandspucker erschlagen. Was ist das? Ein blauer Stein. Ist das etwa? Tatsächlich. Verdammt noch mal. Heute muss mein Glückstag sein. Wenn man mal von der ganzen Geschichte mit dem Schiff absieht. Dieser Stein. Das ist ein sogenannter Funken! Ein magischer Gegenstand. Das muss ich doch gleich mal… ja… hier an meinem Schwert. Da ist ein kleiner, leerer Sockel angebracht. Passt der Stein dort hinein? Ja! Ha. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, was der Stein macht.
Irgendwie fühle ich mich seltsam. Meine Hände beginnen zu kribbeln. Oh, ich weiß was das zu bedeuten hat. Wo ist ein Ertrunkener? Ah, dort drüben. War ja klar, dass ich an diesem Strand nicht lange nach einem von ihnen Ausschau halten muss. Dann will ich doch mal… HA! Wahnsinn. Wenn ich meine Hände nach vorne ausstrecke, schießen drei Blitzkugeln aus ihnen hervor und braten jeden Gegner, der mit ihnen in Kontakt kommt. Das ist gut, sehr gut sogar. Aufgrund meiner geringen Magiekenntnisse richtet der Angriff leider nicht viel Schaden an. Und allzu häufig kann ich ihn auch nicht einsetzen. Aber momentan ist das besser als nichts. Und zur Not habe ich auch noch meinen Manatrank dabei. Da ich den Bogen nicht nutzen kann, muss ich eben auf andere Fernangriffe setzen. Vielleicht finde ich hier ja auch noch andere Attacken. So langsam macht mir das alles fast schon Spaß. Meine Kampfeslust ist wieder da.
6
Puh. Ich bin müde. Zwar sorgen meine Lebenstränke dafür, dass ich immer wieder zu Kräften komme, trotzdem brauche ich langsam mal eine Pause. Aber ich glaube, dass ich nicht mehr lange auf diese warten muss. Durch meine neuen Stiefel fällt mir das Laufen im Sand nicht mehr ganz so schwer und meine Handschuhe sorgen dafür, dass ich meine Schwerter besser halten kann.
Und dann war da vor wenigen Augenblicken auch noch dieser Stärkeschub. Als ich einen Sandspucker erschlug, fühlte ich mich von einer Sekunde auf die nächste plötzlich stärker denn je. Als hätte ich zusätzliche Kraft gewonnen. Anscheinend wecken diese Kämpfe die Lebenslust in mir. Dass ich dieses Gefühl noch einmal erleben darf, hätte ich mir nach der langen Zeit im Gefängnis niemals zu träumen gewagt. Und jetzt stehe ich hier an einem mir unbekannten Strand, kämpfe gegen allerlei Monster und komme so wieder zu Kräften. Meinten die Leute etwas das, als sie von einem Neuanfang sprachen?
Jetzt aber weiter. Vor mir befindet sich ein Wall. Er wurde aus dicken Pfählen errichtet und mit großen Steinen verstärkt. Dort hinten erkenne ich ein Tor. Es ist geschlossen. Hoffentlich…
Was ist das? Der Boden erzittert? Ist das der Sturm? Nein. Da ist etwas hinter mir. Ich drehe mich um. Was… verdammt… noch mal… ist das denn?
7
Es kommt selten vor, dass ich jemandem gegenüber stehe, der größer ist als ich. Wenn es passiert, muss ich mich an diesen Anblick erst einmal gewöhnen. Normalerweise schaue ich auf die mich umgebenden Menschen herab. Diesmal nicht. Aber um ehrlich zu sein, spielt die Größe meines Gegenübers kaum eine Rolle. Selbst wenn er gleichauf mit mir gewesen wäre, hätte sich Verunsicherung in mir breit gemacht.
Vor mir steht ein menschenähnliches Wesen. Seine Haut hinterlässt einen verwesten Eindruck. Es sieht aus wie ein riesiger Ertrunkener. Aus seiner Brust ragt ein Schwert. Dieses Schwert ist beinahe so groß wie ich. Zudem ist sein ganzer Körper von Pfeilen durchbohrt. Wer auch immer er ist, er hat offensichtlich nicht viele Freunde. Man will ihn tot sehen. Mir wird sofort klar, dass ich mich auf einen schweren Kampf vorbereiten muss.
Ich habe Recht. Mein Gegner geht zum Angriff über. Glücklicherweise kann er das Überraschungsmoment nicht richtig nutzen. Er ist genauso langsam wie die Ertrunkenen, die ich bereits zu dutzenden erschlagen habe. Vorteile erkennen und nutzen. Darin bin ich mittlerweile gut. Ich renne ein Stück zurück und lasse den Unbekannten langsam näher kommen. Dann hebe ich beide Arme und lasse Blitzkugeln aus ihnen hervorschießen. Immer und immer wieder. Die Haare auf meinem Arm richten sich aufgrund der immensen Spannung um mich herum auf und mein ganzer Körper beginnt zu kribbeln. Natürlich lasse ich mich davon nicht beeindrucken. Mit fast jedem Schuss treffe ich den Angreifer.
Dann halte ich inne. Ich fühle, dass mich meine magische Energie, das sogenannte Mana, verlässt. Natürlich. Ich bin ein Krieger, kein Magier. Aber ich weiß mir zu helfen. Der Manatrank an meinem Gürtel. Ich nehme einen kräftigen Schluck und spüre sofort, wie mich die Magie neu durchfließt. Wieder ein paar Schritte zurück. So wird er mich nie einholen.
Leider macht sich meine Magieschwäche schon nach wenigen Sekunden von Neuem bemerkbar. Ich kontrolliere meinen Manatrank. Einen Schluck kann ich noch trinken. Dann war es das erst einmal. Da ich keine Ertrunkenen mehr um mich herum habe, die ich zum Auffüllen des Tranks erschlagen kann, muss ich wohl oder übel in den Nahkampf gehen. Ha! Was heißt hier „wohl oder übel“? Als wäre das schlimm. Ich liebe den Nahkampf! Dieses feige Blitzkugelnschießen aus der Entfernung ist nicht mein Stil. Aber wenn ich mir meinen Gegner so angucke, interessieren mich Stilfragen gerade überhaupt nicht. Meine Blitzkugeln treffen und ich bemerke, wie der Angreifer nach jedem Treffer ins Schwanken gerät. Ich verletze ihn. Zwar nur ein wenig aber immerhin. Darum nutze ich die Magie noch so lange wie möglich.
Nun ist jedoch der Punkt erreicht, an dem ich mich ihm frontal stellen muss. Fest umklammere ich meine Schwerter und renne schreiend los. Das Monstrum scheint sich fast schon darüber zu freuen. Endlich kann es mich packen. Denkt es zumindest. Ich werde ihm nicht die Gelegenheit geben, mich tödlich zu treffen.
Dennoch trifft es mich. Immer, wenn zwei oder drei meiner Schläge ihr Ziel finden, kontert mein Gegenüber mit einem Schlag seinerseits. Und was für Schläge das sind. Sie tun weh. Richtig weh. Ich wünsche mir ein paar Sandspucker herbei. Ihre Angriffe waren im Vergleich eine angenehme Massage. Der Kampf dauert nur ein paar Sekunden, dann muss ich mich zurückziehen und etwas trinken. Gut, dass der Gegner so langsam ist. Ich weiche zurück, hole einen Lebenstrank hervor und stärke mich. Dann gehe ich sofort wieder in den Nahkampf über.
Aber was ist das? Ich scheine ein paar schlimme Verletzungen verursacht zu haben. Das Monster schreit wütend auf. Und… verdammt… das gibt es doch nicht… es reißt sich das Schwert aus der Brust! Was hat es vor? Oh nein. Es nutzt das Schwert als Waffe? Ich habe ja viel erwartet… aber das? Konzentrier dich, Spa. Du kannst das schaffen.
Wieder stürze ich mich auf das Wesen. Seine Schläge sind nun noch schmerzvoller. Seinem Schwert weiche ich nur mit Mühe und Not aus. Ich konzentriere mich. Meine Schläge finden weiterhin ihr Ziel. Und von Mal zu Mal wird mein Gegner schwächer. Anfangs war es nur schwer zu erkennen, mittlerweile bin ich aber sicher: Er macht es nicht mehr lange. Bald habe ich ihn. Und während ich das denke, geschieht es: Mit einem letzten Aufschrei bricht er zusammen. Auch ich gehe in die Knie. Ich bin erschöpft. Ich greife an meinen Gürtel und komme wieder zu Kräften. Körperlich. Geistig bin ich müde und ausgelaugt. Ich weiß nicht, wie viele Wesen ich an diesem verfluchten Strand erschlagen habe. Aber mir reicht es jetzt. Für einen kurzen Moment genieße ich die Regentropfen auf meiner Haut.
Was ist das? Der Funken in meinem Schwert? Er leuchtet! Ich berühre ihn und sofort blitzt er auf. Dann sieht er wieder so aus wie früher. Aber ich selbst fühle mich anders. Das Kribbeln der Blitzkugeln scheint ein bisschen stärker geworden zu sein. Ich weiß, was das bedeutet: Diese magischen Steine ziehen genauso wie meine Tränke Energie aus von mir getöteten Wesen. Es ist, als würden sie Erfahrung sammeln, wenn ich sie im Kampf bei mir trage und so stärker werden. Damals hatte ich viele dieser Steine dabei. Selbstverständlich wurden sie mir vor meinem Exil abgenommen. Zeit, sich eine neue Sammlung anzulegen.
Dann höre ich es. Ein Knarren. Ich blicke in die Richtung, aus der ich es vernommen habe. Der Wall. Das Tor. Es öffnet sich langsam. Hinter ihm kann ich niemanden erkennen. Wer hat das Tor geöffnet? Ich weiß es nicht. Aber es ist Zeit, es herauszufinden. Doch zunächst muss ich mir eine Sache noch einmal genauer ansehen.
Ich hebe das Schwert des toten Riesen auf und betrachte es. Es sieht verdammt mächtig aus. Aber natürlich ist es mit einem Schutzzauber versehen. Ich habe noch ein paar Schriftrollen dabei. Um das Schwert werde ich mich kümmern, wenn ich mich hinter dem Wall befinde. Ein letztes Mal sehe ich mir die große Leiche am Boden an. Diese Schuhe. Sie haben meine Größe. Und scheinen von besserer Qualität zu sein als die, die ich gerade trage. Ohne Skrupel packe ich zu. Besseres Schuhwerk. Nützlich.
Jetzt ist es aber an der Zeit, mich dem Tor zu widmen. Langsam gehe ich auf es zu. Immer noch ist keine Menschenseele zu erkennen. Soll ich es wagen? Soll ich eintreten? Warum nicht. Schlimmer kann es nicht werden. Was wird mich erwarten? Zeit, es herauszufinden. Neuanfang, ich komme.
2 Kommentare
didn´t read lol
ne der text ist echt zu lang
shreib ein buch
ne haste ja schon^^
Wirklich zu lang, außerdem komplett ohne Einleitung. Worum gehts denn überhaupt, warum lohnt es sich zu lesen?