Die Call of Juarez-Reihe ist ein armes Schwein: Landen Teil eins und zwei hinsichtlich Bewertungen und Spieler-Zuspruch im belanglosen Mittelfeld irgendwo zwischen “In Ordnung” und “Gibt besseres”, unterbietet Teil drei noch jede Erwartung und lässt nach der Logik eines an Verkäufen interessierten Marktes nur den Rückschluss zu, dass es das nun war mit dem Wildwest-Ballerspiel. Zumal in der Zwischenzeit mit Red Dead Redemption ein Titel vorliegt, der die Genre-Krone vermutlich auch in den nächsten Jahren nur im Duell abgeben wird – und dafür findet sich weiterhin kein potenter Gegner, ist der Markt der Western-Shooter doch ohnehin ein arg überschaubarer. Kurz: Eigentlich hätte es Gunslinger gar nicht geben dürfen. Und dennoch ist der neue Ableger der Call of Juarez-Serie via Xbox Live, PSN und für PC verfügbar. Klappt’s dieses Mal mit dem Sprung an die Spitze?
Zu Beginn sieht es ganz danach aus: Die Kulisse ist stimmig und von staubiger Einöde bis Geisterstadt gleichermaßen Genre-typisch wie auch abwechslungsreich. Der Soundtrack könnte aus der Feder von Morricone stammen, die Charaktere von Leone gezeichnet sein: Karge, kantige Typen, Raubeine, keine freundlichen Gestalten. Jene pikaresken Italowestern-Figuren, die irgendwoher kommen und irgendwohin reiten und in der Zeit, die zwischen An- und Abreise vergeht, etwas persönliches zu erledigen haben, das meist Jahrzehnte zurückliegt und nur bleihaltig geklärt werden kann.
Ein Blick zurück, ein Schuss nach vorn
Narrativ mag das keinen Quantensprung darstellen, aber die Gunslinger-Macher lösen das Problem der eher dünnen Erzählung dahingehend ganz geschickt, dass sie den Spielhelden Silas Greaves die Story in Form des Rückblicks auf das eigene Leben erzählen lassen. Mit grantiger Whisky-Kehle berichtet der Kopfgeldjäger davon, mit wem er wann geritten ist, hinter welcher Gang er weshalb her war und – man ahnt es bereits – schließt mit jedem Kapitel unaufhaltsam die Lücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart ein wenig mehr. Was natürlich in einem Showdown enden muss, wie sollte, wie könnte es auch anders ausgehen. Außerdem räumt er mit der einen oder anderen Legende um die eigene Person auf, denn nicht alles hat sich so abgespielt, wie es die Groschenromane berichten. Wer das bis Gunslinger noch nicht gewusst hat, ist danach schlauer.
Wo Erzählung und Präsentation noch ansprechend daherkommen, gibt sich die Spielmechanik bieder und bekannt. Greaves wehrt sich mit Flinten und Pistolen gegen nicht gerade klug agierende Feinde, kann dabei auf einen Zeitlupen-Modus zurückgreifen (Red Dead Redemption sendet einen Gruß), muss hier und da in Quicktime-Events gegen hinterhältige Angreifer bestehen und verfügt über das übliche Bewegungs-Repertoire (sprinten, springen, Deckung nehmen), das seit Call of Duty scheinbar jedem Shooter oktroyiert werden muss. Jeder Kill gibt Punkte und wer schnell sowie gekonnt (etwa per Distanzschuss) viele Gegner erledigt, bekommt Bonuspunkte. Das macht die Sache angenehm arcade-lastig und erfreut SpielerInnen, denen der Highscore nicht hoch genug sein kann. Außerdem hängen die Punkte natürlich mit einem Auflevel-System zusammen, das Silas mit fortschreitendem Spielverlauf die Möglichkeit gibt, verschiedene, neue Fähigkeiten zu erlernen. Besser zielen, länger konzentrieren oder die in jedem Abschnitt verstreuten Collectibles leichter erkennen – zu erlernen gibt’s im ansonsten eher lernresistenten Westen doch einiges. Dass sich die Fähigkeiten nur unmerklich auf den Spielverlauf auswirken, ist umso inkonsequenter. Immerhin: Die Duelle am Ende zahlreicher Level bringen nochmal ein neues, wenn auch gelegentlich enervierendes Feature rein. Wer die Reihe kennt und mit dem Modus bislang nicht warm wurde, darf sich besonders freuen, denn Gunslinger verfügt über einen zusätzlichen Modus, in dem sich ausschließlich duelliert wird. Dazu gibt’s einen Arcade-Modus, der dann noch arcadiger daherkommt als das ohnehin arcadig daherkommende Hauptspiel.
Der Ritt Richtung Sonnenuntergang?
Reicht’s damit zum großen Wurf? Angesichts des fairen Anschaffungspreises von rund 15 Euro ist man beinahe geneigt, mit “Ja” zu antworten. Doch die altbekannte Spielmechanik und repetitives Abspulen immer gleicher Herausforderungen lassen Gunslinger eben am Ende erneut zu dem verkommen, was Teil eins und zwei der Reihe zuvor schon waren: Ein “In Ordnung”-Spiel, inklusive aller Stärken und Schwächen, die mit dem Begriff üblicherweise assoziiert werden. Für Ballerspiel-Freunde ein unterhaltsamer, aber nach Spielende schnell vergessener Zeitvertreib, der SpielerInnen – soviel muss man dem Titel anrechnen – immerhin den katastrophalen, dritten Teil vergessen lässt. Und das ist ja auch schon was.
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3 Kommentare
Der erste Teil of COJ war seinerzeit keinesfalls “belangloses Mittelfeld”, sondern vielfach gelobt, und genremäßig wirklich ganz “gut”.
Außerdem gibts immer KEIN Red Dead Redemption für PCs (bitte mal besser recherchieren!), also auch KEINEN Western Referenztitel, außer eben COJ1+2.
Hallo schwarzekatze,
über Geschmack lässt sich zwar nicht streiten, aber ich habe den ersten nicht sonderlich in Erinnerung behalten. Geradlinig ohne Ende, in Sachen Steuerung nicht gerade das Nonplusultra, dafür aber mit schöner Atmo. Nichts, an das man sich eben erinnern würde, wie man es an das grandiose “RDR” tut. Dass der Rockstar-Titel nicht für den PC erschienen ist, war mir beim tippen durchaus bewusst, allerdings spiele ich nur beruflich am PC, privat nicht – man bitte das also zu verzeihen ;) Dass es zu wenige Western-Shooter gibt, bedauern wir schließlich vermutlich beide. Ich versteh auch Jahre nach RDR nicht, warum sich Entwickler nicht an das Genre trauen wollen..
Grüße,
Volker
Hab’s dank Steam-Sale jetzt auch gespielt: Das Gameplay ist im Grunde nur eine bessere Schießbude, aber das Western-Ambiente und die Art, wie die Geschichte erzählt wird, sind schon sehr nett. Für Zwischendurch und kleines Geld durchaus empfehlenswert.