Wie wird man einem Spiel gerecht, das so vielschichtig und bedeutend wie The Last of Us ist? Das ohne Frage der wichtigste Titel ist, den die alternde PS3 exklusiv in ihrem Portfolio verbuchen kann? Sicherlich nicht mit dem üblichen Waschmaschinentest-Duktus der hiesigen Spielepresse (wie immer ausgenommen: der großartige Carsten Görig), denn deren Wertungskorsett sorgt eher für Würgereiz, als Lust auf ein ungewöhnliches, großartiges Spiel zu wecken. Versuchen wir es also gar nicht. Holen wir stattdessen aus. Ganz weit aus.
Bevor es losgeht, seien verschiedene Spiele, Bücher und Serien/Filme empfohlen, ein wenig Geschichtsstunde gibt’s oben drauf auch noch (ja, richtig gelesen. Vier langweilige Stunden pro Woche in der Schule. Freundeskreis senden einen Gruß). Warum? Weil The Last of Us umso mehr hergibt, umso mehr das Nachdenken lohnt, wenn man sich zuvor mit dem einen oder anderen Medium abseits digitaler Spiele auseinandergesetzt hat. Weil es eines jener Spiele geworden ist, die das geradezu fordern; die schreien “Schau her! Ich bin mehr wert als nur den Rush in dreieinhalb Stunden! Ich will deine volle Aufmerksamkeit, ich bin keine schnelle Nummer, sondern tauge zur Liebe deines Lebens!”
Beginnen wir mit The Road von Cormac McCarthy, einer Dystopie, in der nicht so ganz klar ist, wer oder was große Teile der Menschheit ausgelöscht hat. Sicher ist nur: Ein Mann und ein Kind sind auf dem Weg zum Meer, wo sie sich an das klammern, was bleibt, wenn alles andere vergangen ist: Hoffnung. Die Welt liegt in ihren letzten Zügen, röchelt leise sterbend dahin und jeder Schritt auf dem Weg der beiden macht das nur deutlicher. Auf knapp 300 Seiten sehen wir einer sterbenden Menschheit dabei zu, wie sie in ihren letzten Minuten alles vergisst, was sie Mensch sein lässt: Die Überlebenden berauben einander, bekämpfen sich statt zusammen zu halten und schrecken selbst vor Kannibalismus nicht zurück. Ohne (abseits der ohnehin sichtbaren Referenzen) zu spoilern finden sich hier zahlreiche Parallelen zu The Last of Us – und eine äußerst lohnende Lektüre. Alternativ tut es auch der Film, wenn man damit leben kann, dass er verglichen mit der Literatur die üblichen “Aber das Buch war besser, weil…”-Schwächen aufweist.
Wo wir schon mal beim Medium sind: Filmisch lohnt natürlich The Walking Dead. Zugegeben, die Serie habe ich nach den ersten zwei oder drei Folgen durchaus gelangweilt abgebrochen und seither nicht wieder aufgenommen (ich hatte mit weniger Action gerechnet und mehr Zwischenmenschlichem, aber vielleicht wird das ja noch und ich gebe der Sache irgendwann nochmal eine Chance), deshalb sei vielleicht eher auf die Telltale-Umsetzung verwiesen (das mit Activision und TWD: Survival Instinct vergessen wir bitte einfach stillschweigend, ja? Danke.). Geht es doch darin ebenfalls um eine Reise, ebenfalls um einen Mann und ein Mädchen, ebenfalls darum, wie die Überlebenden einander helfen oder eben auch nicht – und natürlich darum, dass keine Entscheidung ohne Konsequenzen bleibt. Soviel sei verraten: Derartige Pseudo-Machtspielchen gibt es in The Last of Us nicht, die Handlung und deren Ausgang sind vorgegeben. Das macht die Naughty Dog-Version der Zombie-Apokalypse aber nicht weniger tiefgründig. Im Gegenteil. Die Macher der narrativ eher seicht dahinplätschernden Uncharted-Reihe packen in jeden Blick, den sich Ellie und Joel zuwerfen, mehr Tiefgang, mehr Leid, mehr Freude, mehr Hoffnung, als sich in ganzen The Walking Dead-Abenden finden lassen. Wir wollen später noch einmal darauf zurück kommen.
Zwei Spiele seien dringend nahegelegt: Das offensichtliche und jüngere der beiden ist I am alive, einerseits wegen der offensichtlichen Anleihen an The Road, andererseits wegen der Parallelen in spielmechanischer Hinsicht: Joel hat ebenso mit knappen Vorräten Haus zu halten, muss die Gegend durchsuchen, muss eher schleichend töten als offen in den Kampf zu stürmen, rennt besser das eine oder andere Mal weg, statt die Konfrontation zu suchen. Wer sich derartige Spielelemente vorab zu Gemüte führen will, ist hier ganz gut beraten. Übrigens auch die Fehler betreffend: “Zu repetitiv, wird aus dem eingangs neuartig wahrgenommenen Spielprinzip allerdings viel zu schnell biedere Routine” – das geht problemlos auch als großes (und einziges!) Manko von The Last of Us durch. Trotz Charakterentwicklung via Upgrades, trotz Crafting-System, trotz der Möglichkeit, Waffen zu modifizieren, trotz innovationen Elementen wie Zeit verbrauchender Heilung/Waffenwechsel. Irgendwann kennt man das. Hier hat Naughty Dog das Rad nicht neu erfunden.
Einen Titel, den der eine oder andere vielleicht nicht oder nicht mehr kennt, ist Enslaved: Odyssey to the West, das großartige Spiel um Monkey und Trip, die (natürlich in einer postapokalyptischen Welt) gen Westen reisen müssen und auf dem Weg dorthin vor allem auf Kooperation untereinander angewiesen sind. Hier entleiht sich The Last of Us einiges: Die Art, wie Ellie und Joel miteinander umgehen, wie sie zusammenarbeiten, aber auch die Optik, die überwucherten Hochhäuser, die von der Natur zurückeroberten Großstädte. Wenig verwunderlich, hat Mark Richard Davies doch vor The Last of Us als Lead-Designer an Enslaved mitgearbeitet.
In einer Hinsicht will der Vergleich nicht passen, denn hier ist The Last of Us deutlich progressiver: An Enslaved fiel mir 2010 noch ein rückständiger Umgang mit Geschlechterrollen auf. Heute lese ich fast belustigt über die Zeilen – ist die Sexismus-Debatte seit #Aufschrei doch in aller Munde, glücklicherweise auch abseits der Fachmedien angekommen und hat an Tiefgang gewonnen. Mit dem nicht ganz so erfreulichen Nebeneffekt, dass man leider kaum weitergekommen ist als zur bloßen Feststellung, dass es ein Problem gibt. Und die Lager sind drei Jahre später gespaltener denn je. Halt. Denn im Falle von The Last of Us lohnt (ähnlich Bayonetta) ein genauer Blick. Und zwar ein derart genauer, wie ihn nur das beste Spielemagazin der Welt zu leisten vermag. Deshalb sei statt einem weiteren Eingehen auf die Frage, wie Geschlechter dargestellt werden, ob The Last of Us sexistisch (im Sinne der allgemein geteilten Definition des Begriffs, sicher nicht im Sinne dessen, was Sarkeesian und Co. als problematisch deklarieren) dieser EDGE-Beitrag wärmstens empfohlen.
Was Enslaved wichtiger macht, ist die Parallele bezüglich der “Frontier”, zu Deutsch des “Grenzlandes”, jenem unerkundeten, gefährlichen Gebiet, dessen Durchquerung oder Eroberung nicht nur geschichtlich einige Stunden Grundkurs eingenommen hat, sondern filmisch in zahlreichen Western abgehandelt wurde, von denen die ehrlichsten und blutigsten (und vermutlich deshalb realitätsnahesten) natürlich aus Italien kommen und Titel wie Spiel mir das Lied vom Tod oder Keoma tragen. Um nichts anderes geht es letztlich in The Last of Us: Eine Reise zweier Menschen in einer Welt, deren letzte noch vorhandene Bewohner nur Freund oder Feind sein können, in der das Ungewisse die Oberhand hat. Ein langer Marsch durch die Nacht (wer’s übrigens nicht so mit Leone und Castellari hat: 28 Days Later taugt auch ganz gut als Referenz).
Das waren sie nun, sportliche fünf Absätze nur mit “Was man vorab wissen könnte”. Es gäbe noch so viel mehr. Wir sollten langsam mal zum Punkt kommen und der Punkt ist das Reisen. Videospiele sind letztlich nichts anderes als genau das: eine Reise. Wir begleiten eine Figur für eine gewisse Zeit, einen gewissen Lebensabschnitt. Wir treffen sie entweder zur Geburt (Fallout 3), als Kind (Ocarina of Time) oder als Erwachsener (Alan Wake). Zusammen erleben wir einen Trip von A nach B, sind am Ende wo anders als am Anfang oder wieder am Anfang und dennoch weitergekommen im Leben (so, Link, nun darfst du deine verlorenen sieben Jahre nachholen). Dann nehmen wir Abschied und das ist wichtig, denn eine Reise ohne Ende ist keine, mehr noch: eigentlich wissen wir von der ersten Sekunde an, dass es eine letzte Sekunde geben wird. Wir vergessen das nur gerne. Dennoch ist der Moment des Verabschiedens unausweichlich. Dann heißt es, das restliche Leben der Figur dem zu überlassen, was wir uns vorstellen, das passieren könnte. Oder ein grausiges Sequel erdulden müssen, obwohl wir eigentlich gar keines haben wollten, obwohl es das mit dem Vorgänger hätte sein müssen und nun die gute Erinnerung ruiniert ist, weil wir alles wollten, nur nicht so eine dämliche Vorstellung um den Fortgang der Dinge, wie sie uns nun präsentiert wird (ja, das meint dich, Terminator Salvation, oder dich, Batman: The Dark Knight Rises und ganz sicher euch, Matrix Reloaded und Matrix Revolutions).
Idealerweise endet die Reise mit dem Ankommen, mit einem “guten” Ende, mit dem, was wir dachten, das passieren würde, das uns zufriedenstellt, weil wir wollten, dass es so kommt. Wir haben schließlich darauf hingearbeitet. Joel hat Ellie ein ums andere Mal dafür gerettet und später rettet Ellie Joel und Naughty Dog schaffen damit nicht nur einen genialen Wechsel auf der Führungsebene, sondern zeigen auch, dass sie es eben doch drauf haben mit der Charakterentwicklung. Denn beide kommen nicht als die raus, als die sie in die Sache reingegangen sind – und das unterscheidet sie von vielen Videospiel-Kollegen, die nach 20 Stunden genauso dämlich sind wie davor (Hi, Duke!), aber auch vielen Endzeit-Heroen, deren Weltanschauung trotz dutzender, moralischer Entscheidungen auf gleichem, niederen Niveau stagniert (komm schon, Fallout: New Vegas, da wäre mehr drin gewesen!). Nicht so hier. Das hier ist anders. Eine Reise nicht nur durch die USA, nicht nur durch die letzten Überbleibsel einer Menschheit, deren Nach-Untergangs-Verhalten jedem Humanisten die Kotze hochkommen lässt, sondern auch durch das Wesen der beiden Protagonisten. Der eingangs mürrische Einzelgänger wird zum Beschützer, das eingangs störrische Gör zur Furie.
Das hätte man narrativ auf verschiedene Arten enden lassen können: Die beiden könnten Erlösung finden, Naughty Dog hätte es “gut” enden lassen können, alle könnten glücklich sein, es könnte Hoffnung geben (oder wenigstens die Hoffnung auf Hoffnung, quasi Meta-Hoffnung). Es könnte auch schlecht enden, einer von beiden oder beide könnten die Reise nicht überleben (Gelegenheiten dazu gäbe es genug). Um es kurz zu machen und am Ende doch noch ein ganz klein wenig zu spoilern: Die Macher haben sich für keinen dieser Wege entschieden, denn beide Optionen sind vor allem eines: billig. Stattdessen bleibt ein Ende, das noch am ehesten mit “traurig stimmend” beschrieben wird, das ebenso zweideutig ist wie die letzte Szene der Sopranos, das Fragezeichen hinterlässt statt Punkten. Und dennoch definitiver nicht sein könnte. Die beiden sind weit gekommen, sind zu anderen Menschen geworden und wir haben sie einerseits als Zeugen, andererseits als Lenker über zahllose Gefahren, Hürden, Abgründe und Lichtstreifen am Horizont begleitet.
Um am Ende was zu lernen? Nun, das mag jeder für sich interpretieren. Allein, dass ein Spiel dem Menschen vor dem Bildschirm die Möglichkeit gibt, derart lange über sein Ende nachzudenken, darüber, was Mensch sein in Extremsituationen bedeutet, über einzelne Szenen und deren Bedeutung mit anderen Spielern zu philosophieren, große Fragen zu stellen wie “Ist es ein Leben wert, für die mögliche Rettung aller hingegeben zu werden?”, allein das macht The Last of Us zu einem Ausnahmewerk, das technisch noch so schwach sein könnte (was es übrigens nicht ist, in Sachen Optik und Detailverliebtheit gibt es kaum vergleichbar schöne Titel), es würde dennoch in jede Sammlung gehören. Nicht mehr und nicht weniger.
12 Kommentare
Ich habe keine PS3, werde wohl nie eine haben und genauso auch The Last of Us.
Aber ich habe den Artikel trotzdem zu Ende gelesen! Schön geschrieben und wird dem Spiel (was ich so gehört habe) wohl am ehesten gerecht als Porzentwertungen!
Also ich weiß ja nicht. Der Artikel ist, keine Frage.
Ich habe Enslaved mehrmals durchgespielt (ich glaube ich bin der einzige Mensch auf diesem Planeten der das Spiel wirklich richti toll fand), The Road habe ich gelesen und gesehen und auch von The Walking Dead habe ich so ziemlich alles konsumiert was es gibt.
So am Rande: Du solltest The Walking Dead noch eine Chance geben. Das Zwischenmenschliche rückt später noch deutlicher in den Mittelpunkt.
Aber zurück zu meinem “Also ich weiß ja nicht”. Ich fand The last of us gut, aber nicht beeindruckend. Mich hat es ziemlich kalt gelassen. In Punkto Gameplay, Story und Design empfand ich es als Durchschnittskost. Grafik, Inszenierung und Atmosphäre waren allerdings wirklich super.
Aber vielleicht habe ich auch nur schon zuviel Bücher und Filme dieser Art erlebt wodurch mir The Last of Us dann nur noch wie ein “Best of” vorkommt.
Tolles Spiel aber der Hype ist, wie fast immer, deutlich überzogen.
Ich habe etwas getan wofür ich eigentlich gelyncht gehöre. Ich hab eine komplette Gameplay-Reihe des Spiels auf Youtube geschaut. Ich habe keine PS3, nachdem ich aber den Prolog gesehen hatte war ich irgendwie angefixt.Es schaut sich wie ein Film und die Bindung zwischen Spieler und Charaktere ist selten so eng.
Dieser Kommentar beinhaltet ein paar Spoiler:
@MayoMitKaese: Ach naja, ich denke du bist nicht alleine mit Enslaved. Ich fand es auch ziemlich toll und allgemein hatte das Spiel nach meiner Erinnerung viel positive Resonanz. Warum der Artikel als Frage durchgehen soll weiß ich aber jetzt nicht genau.
Diese ganz Hyperei geht mir ja auch immer ein bisschen auf den Senkel muss ich gestehen, von daher bin ich auch wieder ganz froh, dass ich nur den ersten Trailer vom Spiel sah und ich mich somit schön überraschen lassen konnte, was da so kommt.
Ich finde The Last of Us ist, wie Volker es auch schon beschreibt, ein Ausnahmetitel, weil es in einem Aspekt extrem heraussticht gegenüber anderen Titeln. Will sagen, Ausnahmetitel ist nicht gleich Meisterwerk. Das ist sowieso auch wieder so ein Begriff, den man in Verbindung mit dem Spiel fast überall im Netz findet. “Meisterwerk”, was soll das eigentlich sein? Solche Floskeln hört man oft bei der Oscarverleihung oder Promipartys; aber The Last of Us ist ein Videospiel und wenn man es in diesem Rahmen betrachtet, ein ziemlich gutes.
Eigentlich möchte ich evtl. auch noch einen kleinen Text dazu schreiben, aber ist egal, ich schreibe es einfach mal hier. Was TLoU für mich zu einem besonderen Spiel macht, ist, dass es den Mut hat (und das macht es zu einem Ausnahmetitel) eine Geschichte zu erzählen, die absolut nicht manipuliert. Die einzige Stelle im Spiel, die den Spieler ziemlich stark manipuliert mit den üblichen Mitteln, ist der Prolog. Da bekommt fast jeder feuchte Augen, da wusste der Autor ganz genau, welche Knöpfe er drücken muss, dass der Spieler emotional im Dreieck springt.
Aber: Die 20 Stunden danach erzählt das Spiel eine absolut normale und authentische Beziehungsgeschichte zwischen zwei Figuren, so etwas habe ich bisher in keinem Spiel miterlebt. Mit “normal” meine ich, dass das Spiel einfach kaum bis keine klassischen Methoden benutzt, mich emotional aufzuwühlen. Da gibts keine großen Szenen wo sie ihn anschreit weil sie ihn liebt, da gibts keine “der alte Mann bricht sein Schweigen am Lagerfeuer und erzählt ihr die Geschichte seines Verlustes”. Das ist mutig, weil es die meiste Zeit über die Wellen recht flach hält, um dann am Ende mit einer unglaublichen Brutalität zuzuschlagen.
+++++++++++++++++++++++ACHTUNG MEGASPOILER:
Die Lüge am Ende, der Schwur, den er ihr gibt, das ist im Grunde die eigentliche Brutalität. Aber derartige Lügen und Schwüre passieren zwischenmenschlich tagtäglich. Ohne mit der Wimper zu zucken wird betrogen und gelogen, jeden Tag. Jeder weiß es ist falsch, aber wir machen es immer und immer wieder, auch wenn wir es oft nicht böse meinen. Ich meine, der Blick von Ellie nachdem Joel ihr “ich schwöre” sagt, das war einfach ganz großes Kino und dann ihr “okay” am Schluss. Das war einfach nur gut. (ich vermute, sie glaubt ihm kein Wort)
+++++++++++++++++++++++MEGASPOILER ENDE.
Wenn man sich das mal in der Realität anschaut. Wann öffnet man sich denn wirklich mal und erzählt sich alles, oder schwelgt in gefühlsduseligen Abenden auf dem Balkon. Sehr selten bis gar nicht, die meisten brauchen dafür ne Pulle Wein oder eine depressive Phase. Und TLoU hat mir aufgezeigt, das TWD von Telltale zwar gut, aber auch wahnsinnig manipulativ in seiner Erzählweise ist. Viele Szenen zwischen Lee und Clem sind extrem drauf ausgelegt, die Kehle zu kitzeln und mitzuflennen und das ist auch vollkommen okay, so machen Filme das auch in einer Tour und manchmal will man so einen Schnulz ja auch haben. Ich finde es aber durchaus mutig und auch abwechslungsreich, wenn da mal ein Spiel kommt, was eine normale, weniger übermenschliche Figurenzeichnung hat und kaum pathetisch ist.
Ellie hat als Videospielfigur sicherlich wenig Konkurrenz, aber zeigt mir mal bitte eine 14 jährige in einem anderen Videospiel, die so fantastisch ist und auch so glaubhaft im Teenageralter rüberkommt. Ich meine, schon allein die Art wie sie aus ihrem Witzebuch vorliest, oder der Blick von ihr auf Joels Uhr und ihre altkluge Ansage, sie sei kaputt. Herausragend fand ich das. Irgendwo habe ich mal gelesen (weiß leider nicht mehr wo), dass dieses Spiel für Väter auch noch etwas mitreissender sein könnte, bei TWD hatte ich die gleiche Aussage auch schonmal gehört. Vielleicht ist das so, kann ich nicht beurteilen. Was ich aber beurteilen kann ist Ellies Sichtweise. Sie hat mich sehr an mich erinnert, wo ich in dem Alter war und ich bin ja auch zu einem Großteil allein bei meinem Vater aufgewachsen. Ich kann jetzt nicht sagen, dass es das Spielgefühl bzw. das Hineinversetzen dadurch anders war, glaube eher nicht, aber Ellie war manchmal schon ein kleines Spiegelbild für mich.
Zum Gameplay: Pff, naja, was hat die Welt denn nun erwartet? Vor ein paar Jahren hat man das noch gefeiert und jetzt ist es auf einmal nur noch oll. Ich weiß nicht, man kann sich hier durchballern oder man kann sich in den allermeisten Fällen durchschleichen. Ich frage mich wie manche hier auf einen Bodycount von 400 und mehr kommen, wenn sie das aber nicht wollten. Ich habe das Ding 3 Mal durchgespielt und auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad bin ich vielleicht auf 100 gekommen, weil ich nur am flüchten und schleichen war. Klar hätte es mehr wie ein I am Alive werden können, ich weiß nicht ob das im Vorfeld so angekündigt oder ob das wieder nur Wunschdenken der Spielerschaft war. Wenn aber Naughty Dog ein Action-Adventure angekündigt hat, dann haben sie das abgeliefert, I am Alive hatte diesbezüglich ein ähnliches aber dennoch anderes Konzept.
Kritik habe ich aber auch, so ist es ja nicht. ^^ Ich habe irgendwie ein Problem damit, den Autoren die Reise von einer Zeitspanne von einem Jahr abzunehmen. Zum größten Teil sind hier vermutlich die Zeitsprünge während der Geschichte schuld, die sind imho sehr unglücklich gesetzt und das hat mich dann doch ziemlich rausgerissen. Vor allem ist es mir beim Sprung Herbst/Winter aufgefallen. Die Verletzung von Joel war so drastisch und dann liegt er da plötzlich in einem Haus mit genähter Wunde, draußen alles zugeschneit und er leidet vermutlich an Wundstarrkrampf oder so. Also diese Wochen dazwischen, die vermutlich für beide der absolute Fight gewesen sein müssen, werden irgendwie verschluckt. Normalerweise stört das nicht so, wie es z.B. beim ersten Zeitsprung war, aber dort fand ich das voll störend. Ich will jetzt gar nicht soweit ausholen und hinterfragen, wie Ellie oder sogar Joel selbst die Wunde genäht haben, aber die allgemeine Entwicklung war da für mich schwer zu greifen. Weiß nicht, ob es nur mir so ging. Am Ende habe ich dann wirklich ein Problem, ein komplettes Jahr im Spiel erlebt zu haben. So fühlt es sich irgendwie nicht für mich an.
Aber trotzdem, ich fand The Last of Us ziemlich gewaltig, spielerisch solide, hat Spaß gemacht zu schleichen, auch die Horror-Elemente waren sehr unterhaltsam. Und charakterlich und erzählerisch grandios, bis auf die Ausnahme mit dem elendigen Wintersprung. :)
Lol, eine Sache natürlich noch in meinem Geschwaller vergessen:
Bezüglich Geschlechterrollen usw. Ja, es war schon ziemlich auffällig, das Naughty Dog darauf geachtet haben, hier alle zufrieden zustellen. Homosexualität, Afroamerikaner, starke Frauen etc. Ohne Frage ziemlich gut. Mir stellt sich im Nachhinein aber auch ein bisschen die Frage, ob es hier nicht auch zuviel des Guten war. Ja ich weiß, die Entwicklung kann nicht schnell genug gehen, aber ich fand es in TLoU schon beinahe zu auffällig, alles abgedeckt zu haben. Ich hoffe, ich werde jetzt nicht gesteinigt. =)
Der Zeitsprung Herbst/WInter ist wirklich der krasseste/unglaubwürdigste, aber er dauert gerade lang genug das der Spieler glauben könnte Joel seit tot. Dramaturgisch großartig gemacht.
die ersten szenen im winter über dachte ich wirklich, es hätte ihn erwischt. das war schon grandios. auch, wie man damit die rollen neu verteilt: ellie nicht mehr das kind, joel nicht mehr der beschützer. und das am ende dann auf die spitze getrieben, denn mal im ernst: natürlich glaubt sie ihm nicht. glauben wir. wissen’s aber nicht. grade das macht es so toll.
ich hab vorgestern irgendwo gelesen, es solle teil 2 und 3 geben. ich hoffe, die haben mit der geschichte um die beiden nichts mehr zu tun. das soll bitte bitte ein einzelstück bleiben, keine “matrix”.
[i]ich hab vorgestern irgendwo gelesen, es solle teil 2 und 3 geben. ich hoffe, die haben mit der geschichte um die beiden nichts mehr zu tun. das soll bitte bitte ein einzelstück bleiben, keine “matrix”.[/i]
Oh je. Selbst mit anderen Figuren rümpfe ich da etwas die Nase. Naja mal abwarten, solange da nichts offiziell bestätigt ist, passiert da auch nichts. Kenn man ja auch von The Last Guardian.
Obwohl ich schon neugierig wäre, was Naughty Dog draus machen würden. Klar denkt man sich jetzt erstmal WAS??? Aber who knows, manchmal überrascht das Leben ja doch – wie auch das Ende von TLoU. =)
Hoppla, mein erster Kommentar hier, dann noch ein so langer, ich bitte um Nachsicht:
Wirklich eine sehr treffender Rezension, kein Test wohlgemerkt, lange her, sowas mal auf Deutsch gelesen zu haben. Ich bin mit The Last of Us noch nicht durch, ich habe auch The Road NOCH nicht gelesen (hab mit McCarthy so meine Schwierigkeiten), dennoch fällt mir dem doch häufig auftauchenden Vergleich ein Unterschied in der Konzeption auf, der für mich den ästhetischen Weg ganz gut beschreibt, den Videospiele noch zurücklegen sollten: In The Road ist nicht bekannt, was die Apokalypse ausgelöst hat, sie ist einfach da, richtig? The Last Of Us gibt diese Pilzerklärung, was immerhin besser ist als xte Zombie-Tote-sind-wieder-fidel Nummer (das darf nur noch TWD), dennoch bleibt es Pulp, was sich ja von den Spielcharakteren nicht behaupten lässt. Aber der Umstand, nicht zu wissen, was zur Apokalypse geführt hat, produziert, so scheint mir, auf der einen Seite eine weitaus stärkere allegorische Situation und ist damit dem Geist der Apokalypse sehr viel näher (jawohl, ich meine die Johannes-Apokalypse), auf der anderen Seite ist auch der Effekt weitaus unheimlicher und das Unbehagen umfassender, weil auch die eigenen Erklärungsmuster sozusagen ihre Apokalypse erleben. Ein ähnliches Wagnis fehlt mir bei The Last of Us, wo doch das meiste so großartig ist (fantastisch die Nebengeschichte mit Ish und dem Dampfer).
Persönlich herausgefordert fühle ich mich beim WESTERN-Thema, DEM Filmgenre schlechthin (starke These, ich weiß, beim Western kann ich nicht anders): Ich finde gerade nicht, dass es Anklänge zum Italo-Western gibt, vom Antihelden mal abgesehen. Die Frontier ist da der stärkste Grund, denn die ist im Italo-Western immer schon passé. Wohl aber ist The Last of Us ein struktureller Western, der das Frontier-Thema neu aufrollt. Erinnern fühlte ich mich aber eher an John Fords The Searchers (1956, John Wayne, für alle, die ihn nicht kennen: gilt so in etwa als der Moby Dick des Westerns):
John Wayne als Ethan Edwards kommt aus dem Bürgerkrieg heim, durchaus also post-apokalyptisch, und erlebt, wie die Familie seines Bruder von Indianern getötet, seine beiden Nichten entführt werden. Daraufhin widmet er sein weiteres Leben, über zehn Jahre, der fanatischen und zerstörerischen Suche nach der Jüngeren der beiden (Natalie Wood) und durchkämmt die Frontier. Der Film löst dabei bis zum Ende die Spannung nicht auf, ob er sie töten (in seinen Augen ist sie indianisch “infiziert”) oder letztlich nur nach hause bringen will. Ford verdichtet das ganze zur Urszene der amerikanischen Birth of a Nation, von der Ethan Edwards aber als Figur der Frontier immer ausgeschlossen bleiben wird. Das ist dann der klassische Frontierkonflikt. Wohl aber ist die gewissermaßen mit Indianischem angereicherte Natalie Wood der Unterpfand, dessen die neue amerikanische Zivilisation bedarf. Mir kommt es so vor, als rolle The Last of Us dieses Thema von hinten wieder auf. Ellie ist durch die Infektion gegangen und scheint immun zu sein. Joel und sie aber durchwandern die Reste jener untergegangenen Zivilisation, deren neue Fragmente Ethan, also John Wayne zu sichern half. Und das sind natürlich auch die Reste jenes rassistischen und brutalen Amerikas, für das die Figur des Ethan Edwards steht. Es würde sich lohnen, einmal darüber nachzudenken, ob die Zombies von heute nicht analog zu den rassistisch verzerrten Indianern der B-Western des frühen Hollywoods funktionieren (wohlgemerkt: The Searchers ist nahezu frei von solchem Zerrbild).
Jedenfalls bin ich sehr gespannt auf das Ende von The Last of Us, wie und ob es eine Lösung des Frontierkonflikts geben wird.
Ach ja, und es ist schon wirklich eine Freude, ein Videospiel zu haben, dass man in solche Kontexte stellen kann.
keine Fehlerverbesserung: …, [i]das[/i] man in solche Kontexte stellen kann (ei jei jei, unschön)