Um ganz ehrlich zu sein, hat mich die Ankündigung, es würde neben einem neuen Mad Max Film im gleichen Jahr auch noch ein Spiel erscheinen, nicht gerade aus den Socken gehauen. Auf Fury Road habe ich mich natürlich gefreut wie Bolle, weil ich seit den frühen Achtzigern ein absoluter Fan der Film-Reihe bin und eigentlich schon seit 1985 auf eine weitere Fortsetzung gewartet habe. Aber erst ganze 30 Jahre nach Beyond Thunderdome hat es tatsächlich noch geklappt und das Ergebnis ist wider Erwarten ein Instant-Klassiker des modernen Action-Kinos geworden, der vielleicht nicht so stilbildend wie Road Warrior ist, aber insgesamt dennoch mit diesem annähernd gleichziehen konnte. Dass der vierte Mad Max Film nach all diesen Jahren tatsächlich so großartig geworden ist, hatte ich in meinen kühnsten Träumen nicht zu hoffen gewagt.
Aber ein Spiel zum Film? Wer freut sich denn auf sowas? Wenn mich fast 40 Jahren Videospielerfahrung eines gelehrt haben, dann dass Film-Tie-ins mehrheitlich digitalen Kernschrott bedeuten und daher eher mit Vorsicht zu genießen sind. Aber um gleich mal die Luft aus meinem nicht vorhandenen Spannungsbogen zu nehmen: Das Mad Max Game ist eine der positiven Ausnahmen von der Regel. Zumindest ich hatte ziemlich viel Spaß mit dem Spiel. Allerdings ist es aus verschiedenen Gründen ganz sicher nicht Jedermanns Tasse Tee…
Die meisten Kritiker werfen Mad Max mehr oder weniger direkt vor, es kopiere den sogenannten “Ubisoft-OpenWorld-Baukasten”. Damit ist das grundlegende Spielprinzip gemeint, nach dem die Franzosen seit 2007 ihre Serien Assassin’s Creed, Far Cry (ab Teil 2) und Watch_Dogs (war zumindest anfangs mal als Serie geplant…) stricken. Das könnte man so stehen lassen, wenn man außer Acht lässt, wer das Mad Max Game für Warner überhaupt entwickelt hat. Nun ist es aber so, dass die Avalanche Studios mit Just Cause schon 2006 dieses Feld beackert haben. Eigentlich ist es ja auch egal, wer sich das Ganze als Erster ausgedacht hat, denn in den letzten Jahren haben ohnehin viele andere Entwickler ähnliche Spiele herausgebracht (z.B. Mordors Schatten von Monolith Productions oder die Saint’s Row Spiele von Volition Inc.). Ich erwähne es nur deshalb, weil in sehr vielen Rezensionen der bekannteren Publikationen der Eindruck suggeriert wird, Avalanche hätten für Mad Max quasi bei Ubisoft ihre Ideen “geklaut”…
Anyway. Für Leser, die die letzten zehn Jahre in einem Atomschutzbunker verbracht haben, fasse ich den “Ubisoft-OpenWorld-Baukasten” gerne noch mal schnell zusammen: First- oder Third-Person-Action in einer offenen Spielwelt, die in verschiedene Teilgebiete unterteilt und mit allerlei Haupt- und (meist repetitiven) Nebenmissionen gefüllt ist.
Und Mad Max ist genau das. Wer also Spiele wie beispielsweise Far Cry 3 und 4 grundsätzlich doof findet, der wird auch in der postapokalyptischen Wüste nicht glücklich werden. Da erübrigen sich dann auch die ganzen Nebenkriegsschauplätze der Kritik, wie z.B. die Framerate-Probleme oder die überladene Gamepad-Steuerung. Diese beiden Punkte finden sich übrigens in den meisten Besprechungen der Konsolen-Versionen von Mad Max, sind in der von mir gespielten PC-Version aber eigentlich obsolet. Die Qualität der Grafik hängt natürlich vom jeweiligen Rechner ab, aber ich für meinen Teil habe diesbezüglich rein gar nichts zu bemängeln. Sieht alles klasse aus, läuft super-flüssig und hat kaum Ladezeiten. Ebenso unproblematisch sieht es bei der Steuerung per Maus und Tastatur aus: Die Tasten sind alle frei belegbar und die Maus auf Wunsch invertierbar. Was jedoch auch auf die PC-Version zutrifft, ist die teilweise etwas träge Reaktion der Spielfigur, wenn sie zu Fuß unterwegs ist. Das klingt aber dramatischer als es ist, weil man sich relativ schnell daran gewöhnt, dass Max Rockatansky seine bereits ausgelösten Angriffe gerne zu Ende bringt, bevor der nächste Block oder die nächste Seitwärtsrolle möglich ist. Das Arkham-mäßige Nahkampfsystem ist zwar nicht ganz so perfekt wie in den Batman-Spielen von Rocksteady, funktioniert aber trotzdem ganz gut und entwickelt mit etwas Übung durchaus einen ähnlichen Flow. Das Highlight des Spiels sind natürlich die Road-Fights mit den individuell aufrüstbaren Endzeit-Karren. Der wilde Mix aus brachialem Von-der-Straße-Rammen und geschickt in Bullet-Time einzelne Teile der gegnerischen Fahrzeuge mit Schrotflinte, Harpune, Sprenglanze und Sniper-Gewehr zu zerlegen, macht richtig Spaß und lässt dem Spieler viel Raum für diverse Kampfstrategien.
Das Mad Max Spiel ist offiziell kein direktes Spiel zum Film, aber irgendwie doch. Es hat zwar eine andere Story als Fury Road, aber bedient sich unzähliger Elemente, die ausschließlich im vierten Film der Reihe vorkommen (War Boys, Blutsäcke, Dinki-Di Hundefutter, Sprenglanzen, das Totenkopf-Logo von Immortan Joe, etc…) und spielt sogar in der gleichen Gegend (rund um Gas Town). Zeitlich ist das Spiel im Gesamt-Kanon zwischen dem dritten und vierten Film angesiedelt. In den Vertigo-Comics zu Fury Road wird sogar gesagt, dass Scabrous Scrotus der Sohn von Immortan Joe sei.
Und genau hier liegt der Grund, warum ich fast 50 Stunden durchgehend Spaß mit dem Spiel hatte, ohne dass nach hinten hin irgendwann die Luft raus ging, wie es oft genug bei Vertretern diese Genres der Fall ist: Die Avalanche Studios haben die Welt von Mad Max dermaßen gut eingefangen, dass es ein echtes Fest für Fans der Filme ist. Mir machte auch noch das Ausschalten des zehnten Benzin-Konvois und das Erobern des zwanzigsten War-Boy-Camps tierischen Spaß, weil das Spiel diese Welt, die seit dem zweiten Film von 1981 die universelle Blaupause für unzählige Endzeitfilme (und -spiele) ist, so authentisch nachbildet. Da hat man als Fan einfach ein Dauergrinsen im Gesicht, wenn man in der Wüste eine verschüttete Kirche erkundet oder mit dem V8 durch die Hallen eines riesigen Flughafens brettert.
Die Kritik, dass sich die verschiedenen Gebiete der Karte nicht genügend unterscheiden würden, wirkt in Anbetracht des Szenarios ziemlich bräsig. Da haben sich einige Rezensenten anscheinend schon zu sehr an die üblichen Absurditäten andere OpenWorld-Spiele gewöhnt, in denen man in wenigen Autominuten vom tropischen Regenwald in eisige Gletschergebiete gelangen kann. Man muss es Avalanche meiner Meinung nach eher positiv anrechnen, dass sie derlei “Standard-Videospiel-Quatsch” eben nicht gemacht haben. Dafür wurde mehr Wert auf die kleinen Details gelegt: So sehr mir Far Cry 3 und 4 insgesamt gefallen haben, so sehr ähnelten sich dann doch die Fleißaufgaben. Irgendwann begannen sich die Orte, an denen man einen Stützpunkt erobern, einen Offizier kaltstellen oder irgendein Wildschwein jagen musste, zu sehr zu ähneln. Das macht Mad Max deutlich besser, weil kein Ort und kein Camp wie lieblos auf der Karte platziert wirkt. Überall gibt es richtig coole Dinge und Orte zu entdecken. Neben dem obligatorischen Tag-Nach-Wechsel haben mir besonders die manchmal aufziehenden Sandstürme gefallen. Die sind nicht nur gut inszeniert, sondern auch richtig gefährlich. Normalerweise tut man gut daran, sich irgendwo zu verkriechen bis sie wieder vorbei sind, weil die umherfliegenden Trümmer und niedergehende Blitze sowohl den Wagen, als auch Max sehr schnell zerlegen können. Andererseits sind sie aber auch eine super Gelegenheit, um schnell an ganz viel Schrott (quasi die Währung im Spiel) zu kommen, weil während der Sandstürme besonders viel davon durch die Gegend geweht wird.
Selbstverständlich hat man, wie in diesem Genre üblich, die Wahl, wie viele der Nebenaufgaben man wirklich machen möchte. Ich kann mir gut vorstellen, dass man Mad Max auch in 15 bis 20 Stunden durchspielen kann, wenn man nur das Nötigste erledigt und ansonsten stringent der (wirklich sehr guten!) Story folgt. Dadurch wird das Gameplay dann automatisch weniger repetitiv, aber auch deutlich schwieriger, denn man wird natürlich nicht mehr in den Genuss aller Upgrades für Max und seine Wagen kommen sowie weniger Unterstützung der lokalen Warlords erfahren. Hilft man denen nämlich, ihre Festungen immer weiter auszubauen, erhält man dort nach und nach immer mehr grundlegende Ausrüstung, wie Benzin, Wasser, Nahrung und Munition, wodurch das Spiel selbstverständlich deutlich leichter wird. Gerade diese Mechanik kann man übrigens als Mad Max-Fan wirklich kritisieren, denn in den Filmen herrscht bekanntlich immer chronischer Mangel an diesen Dingen. Und je mehr Nebenaufgaben der Spieler erledigt, desto unwichtiger werden diese in den Filmen grundlegenden Beschränkungen. Wer also eine noch authentischere Version des Mad Max-Endzeitszenarios will, der sollte sich vielleicht nicht all zu sehr mit den Warlords anfreunden…
Nach dem inoffiziellen Mad Max-Spiel The Last V8 (C64) von 1985, bei dem besonders die Musik von Rob Hubbard wirklich cool war, und dem ersten offiziellen, aber ziemlich vergurkten NES-Titel von 1990 gibt es nun endlich ein wirklich gutes Spiel zu Millers kultigem Endzeitfranchise. Es erfindet zwar das Rad innerhalb seines Genres nicht neu und wird ganz sicher niemanden überzeugen können, dem derartige OpenWorld-Spiele ohnehin schon aus dem Hals hängen, aber für jeden Fan der Filmreihe ist es meiner Ansicht nach ein Muss!
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