My Bonnie has drowned in the sea,
My Bonnie has long since been eaten,
So I’ll kill every last fish I see.
The Aquatic Adventure of the Last Human hat mich nun auch dazu gebracht, endgültig dem Polyneux-Namensschema zu folgen und den Spieletitel aus der Überschrift zu lassen, weil bei der Länge sonst kein dummer Witz mehr hinein gepasst hätte.
Wie würde die Erde laut Entwickler YCJY aussehen, wenn wir das mit dem Klimawandel nicht in den Griff bekommen? Welche Klimakatastrophe wäre es, die uns mit der größten Wahrscheinlichkeit den Garaus macht? Dürre? Die Eiszeiten? Unwetter? Supervulkane? The Aquatic Adventure of the Last Human hat sich ganz im Sinne seines Namens für den steigenden Meeresspiegel entschieden: Alle bewohnbaren Flächen auf der Erde sind schon lange, lange überflutet. Und viele tausend Jahre nach der schleichenden Katastrophe, die den endgültigen Untergang der Menschheit eingeläutet hat, begibt sich der letzte Mensch im Universum per Raumschiff und U-Boot zurück auf die Erde. Das Spiel lässt wenig Hoffnung auf ein Happy End oder zumindest eine zufriedenstellende Lösung für die Menschheit. Wir steuern den ausnahmslos letzten Menschen in seinem Tauchboot auf der Suche nach etwas, dessen Form dieser nur selbst kennt.
Spielerisch bewegen wir uns dabei in einer Mischung aus Metroidvania und Titan Souls, denn letztendlich ist Aquatic Adventure bis auf die Bosskämpfe und die ein oder andere schwimmende Mine vollkommen friedlich. Die süßen Fische, Seepferdchen und Quallen kann ich töten, wenn ich will – sie schlagen aber nicht zurück und beschwören auch keine aggressiven Verwandten, wie es ihre gefiederten Pendante in jedem ordentlichen The Legend of Zelda-Titel tun würden.
In den friedlichen Erkundungssequenzen geht es darum, die atmosphärische Musik (Der Soundtrack ist auch außerhalb des Spiels absolut kaufenswert) aufzunehmen, die wunderschönen Hintergründe zu betrachten und ein gelegentliches Power-Up für das U-Boot aufzusammeln, mit dem ich mich durch die Unterwasserwelt bewege. Die eigentlich bedeutenden Upgrades wie Waffen, Schilde oder ein Ausweichmanöver kriege ich dagegen nur, wenn ich zuvor einen Boss besiege – und hier fährt The Aquatic Adventure of the Last Human dann endlich auch Gameplay auf.
Leider.
Denn das einzige was mich an TAAotLH (nein, die Abkürzung ist auch nicht besser) stört, ist das eigentliche Gameplay. Die Steuerung des U-Boots ist eher funktional als gut und auch nicht im Entferntesten präzise. Nun will das Spiel schwer sein, und macht das auch relativ deutlich – aber das über schlechtes Gameplay zu erreichen, hat noch keinem Spiel geholfen. Die Bosse sind dermaßen beeindruckend und so wunderbar kreativ, dass ich mir nichts mehr wünschen würde als das perfekte Spiel, um spannende, adrenalintreibende Kämpfe mit ihnen zu bestreiten, bei denen ich auch gerne zehn, zwanzig Mal sterben darf. Das tue ich jetzt auch. Nur eben nicht, weil der Boss mich bezwungen, sondern weil mein träges U-Boot die Drehung nicht rechtzeitig geschafft hat.
Das hat schließlich dazu geführt, dass ich während mehrere Bosskämpfe abbrechen und bis zum nächsten Tag warten musste, um das Spiel nicht zu verfluchen. Was einfach nur schade ist, denn stilistisch, artistisch und musikalisch ist Aquatic Adventure ein Meisterwerk, das ich gerne am Stück in mich aufsaugen würde. So steht sich der Titel nicht nur in seiner Botschaft, sondern auch in seinem Spaßfaktor ein wenig selbst im Weg, denn ich kann mir vorstellen, dass viele Leute das Ende gar nicht erleben werden.
Mariannengraben des Internets
Was einem sofort ins Auge sticht, wenn man die Shopseiten von The Aquatic Adventure of the Last Human überfliegt, sind die aggressiven Hasskommentare von Klimawandel-Leugnern. Das wäre ja lächerlich übertrieben, was das Spiel da macht. Faktisch nehme die Eisbärpopulation seit Jahren wieder zu, und Simulationen würden zeigen, dass höchstens die Küstenregionen von steigenden Meeresspiegeln betroffen sein würden. Die allerdings ja gar nicht zu beweisen seien, denn selbst in den wärmsten Phasen unserer Erde wäre der Eisanteil auf der Oberfläche nie unter soundso-viel Prozent von heute gefallen. Da weiß man gar nicht, wo man anfangen möchte.
Zunächst einmal lassen mich solche Leute mittlerweile relativ kalt. Nachdem mir solche Diskussionen und Leute in der Vergangenheit regelrechte Bauchschmerzen bereitet haben, werden sie einem irgendwann egal. Hier in München rennt man an jeder Ecke in einen homöophatisch-chemtrailisierten Verschwörungstheoretiker, der einem von der jüdischen Weltregierung erzählt. Muss wohl an den Kraftlinien liegen, die hier besonders stark sein sollen. Ob die Kraftlinien von Gott oder von den Doomsday-Maschinen der Juden kommen, habe ich allerdings noch nicht in Erfahrung bringen können.
Zweitens sollten wir denjenigen Leuten direkt den Rücken kehren, die sich über Übertreibung in der Kunst echauffieren. Selbst dem hartnäckigsten Leugner der Tatsache, dass Videospiele Kunst sein können, dürfte selbiges bei Aquatic Adventure recht schwer fallen. Mit dem Fokus auf die friedvolle Atmosphäre der Unterseewelt, den wunderschön gepixelten Fischen und dem starken Kontrast zu den ebenso schön gepixelten, aber deutlich weniger friedvollen riesigen Bossen machen YCJY deutlich, dass sie ihr Spiel als bemalte Leinwand sehen. Auch wenn die Botschaft auf dieser Leinwand überdeutlich klar ist und manchen doch zu sehr ins Auge springen mag, kann ich ein Medium, dass eine unterliegende Botschaft mit den Mitteln ihres Handwerks vermittelt, nicht anders definieren als im Sinne der Kunst. Und ob wir nun letztendlich an steigenden Meeresspiegeln verenden oder nicht ist dank des praktischen Konzepts der künstlerischen Freiheit doch eigentlich egal. Wer sich aufregt, der tut das doch letztendlich nur, weil er Angst vor der Verbreitung einer Ansicht hat, die er nicht teilt. Und schon allein, weil es solche Leute auf seine sonst sehr unschuldige Art provoziert, mag ich The Aquatic Adventure of the Last Human sehr gerne. Also immer schön ruhig bleiben.
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