Alle sagten mir, dass alles anders wird, wenn das Kind erstmal da ist. Wissende Blicke, die damals auf mein genervtes Augenrollen trafen. Aber es stimmt tatsächlich, zumindest beinahe. Vieles ändert sich. Beispielsweise verschieben sich die Hobbys und das in Richtung längst vergessener oder sogar völlig unbekannter Gefilde. Endlos langes Burgen am Strand bauen, Kinderlieder trällern, schaukeln und sogar bei Wind und Wetter das Pferd zu führen, auf dem die Tochter thront, sind nun Freizeitbeschäftigungen von mir. Und das ist alles absolut gut so. Keine Beschwerden. Was mich jedoch bis heute überrascht, ist der revolutionäre Wandel, der schleichend mein Videospielverhalten erfasste. Auf dieser meiner privaten Insel sollte sich eigentlich nichts ändern. Aber dann kam erst, ojeojeoje, My Horse auf mein Smartphone und mit Minion Rush war dann alles vorbei.
Wenn schon „Gamer“ (stöhn) als Bezeichnung irgendwie seine Richtigkeit für mich haben soll, dann nur als „Core Gamer“. Mobilkram interessiert mich prinzipiell nicht und alles was nach Casual müffelt, erntet bestenfalls Verachtung. Dafür wird nur ein Spiel, höchstens zwei (Simulation/Sport + Action/Rollenspiel) gleichzeitig gespielt und die bitte, wenn nur irgendwie möglich, dann zu einem befriedigenden Ende gebracht. Gut, auch ohne die beiden Mobile-Kracher musste ich schon aus Zeitgründen und bombastischer Steam- bzw. Playstation-Bibliothek Abstriche machen. Alles immer noch okay, aber das mich der Ehrgeiz bei My Horse und viel später erst recht bei Minion Rush packte, geht eigentlich gar nicht.
My Horse installierte ich für meine Tochter, als sie noch richtig klein war. Während sie gerne die digitalen Pferde pflegte und fütterte, trieb ich in der Reithalle mein Unwesen und ließ es erst gut sein, als ich bei jeder der albernen Übungen neben den drei Sternen auch ein Abzeichen erhielt. Das schien wichtig zu sein. Erwähnte ich schon, dass ich zu Pferden persönlich null Bezug habe? War auch egal. Irgendwann ließ die Begeisterung nach und neben den innerfamiliären, aber pädagogisch wertvollen Diskussionen darüber, wie lange und was das Kind spielen soll/darf, fehlte einfach der richtige Knaller. Die Tochter wollte zwar, aber nichts begeisterte. Nicht einmal Fahrradfahren oder Joggen bei GTA V.
Dann kam Minion Rush. Temple Run mitsamt all seinen Ablegern fand nur mein allermäßigstes Interesse, aber Minion Rush ist eben anders. Sehr gut ausbalanciert und bei den Mikrotransaktionen hart, aber fair. Ab einem bestimmten Punkt muss man sich den Fortschritt durch echtes Können verdienen, wenn man kein Bares auf den Tisch legen will. Gestandene „Core Gamer“ erinnern sich vielleicht noch dunkel daran, dass sowas mal Standard war – nur ohne Mikrotransaktionen für die Luschen. Minion Rush beginnt jedenfalls mit Dave und während man mit ihm durch das Marmeladenlabor düst, müssen verschiedene Aufgaben erfüllt werden. Eine bestimmte Anzahl an Bananen müssen aufgesammelt, über Hürden gesprungen, mit der Rakete geflogen, dem XXL-Minion anderen Minions zertreten oder dem Gefrierstrahler weiteres Unheil angerichtet werden. Das alles funktioniert wunderbar und fügt sich perfekt ins Minion-Universum ein, obwohl Minion Rush von Gameloft vertrieben wird.
Innerhalb eines Gebietes muss eine bestimmte Anzahl an Leveln mit einer ebenso festgelegten Mindestanzahl an verdienten Früchten erfolgreich beendet werden, bis es in das nächste Gebiet geht. Dabei ähneln sich die Gebiete ebenso wie die Level doch auf Dauer äußerst auffällig, aber das ist mir bzw. uns ziemlich egal. Während ich auf dem Smartphone spiele, arbeitet die Tochter am Tablet an ihrem Minion Rush-Fortschritt. Einem Tablet von Gigaset übrigens. Ja, sowas gibt´s tatsächlich und gewonnen habe ich das als stolzer Dauerkartenbesitzer bzw. Abonnent bei einem Gewinnspiel von meinem geliebten 11 Freunde. Aus pädagogischen Gründen durfte ich aber das fragwürdig verarbeitete und leistungstechnisch eher maue Gerät meiner Tochter nicht schenken, weswegen sie nun im Gesamtfortschritt „auf dem Tablet vom Papa, auf dem nur ich spielen darf“ hart mit mir konkurriert.
Mit der Zeit wird Minion Rush immer kniffliger. Um erfolgreich ein Gebiet verlassen zu können, müssen immer mehr Früchte gesammelt werden und das bei immer schwierigeren Aufgaben. Da hält Dave irgendwann nicht mehr mit und falls irgendjemand sich fragte, was die seltsame Überschrift mit diesem komischen Text zu tun hat, kommt hier die Antwort: Mama ist wirklich die Beste. In Minion Rush. Im wahren Leben können das neben Säuglingen natürlich auch die meisten Studenten bezeugen, aber bei den Minions kann es einfach keine zwei Meinungen geben. Ob auf dem Mond, mit der Rakete, dem Bananenspalter oder dem XXL-Minion: Bei Mama dauert alles länger. Was heißt: Die Aufgaben werden leichter. Vor allem dann, wenn Mama-Minion so richtig mit Bananen hochgelevelt wird. Mama ist also super, wobei der Disco-Minion potenziell noch mehr draufhaben könnte, aber der kostet Bares oder aber man gewinnt ihn, wenn man in einem der auf einen Monat zeitbegrenzten Sonderlevel der beste Minion Rush-Spieler der Welt ist. Wobei: Keine Chance auf den Weltmeistertitel, den machen die kranken Leutchen unter sich aus, die innerhalb dieser Zeit nichts anderes zu tun haben, als Minion Rush zu spielen.
Beim letzten Sonderlevel lachte mich übrigens meine Tochter aus, weil der Level so plüschig war – um nicht zu sagen extrem kitschig – und ich eigentlich (im wahren Leben) augenblicklich in Deckung gehe, wenn irgendwo irgendwas rosa ist. Gespielt habe ich den Sonderlevel trotzdem und wenn ich mich dann wieder lauthals freute, weil ich so viele Liebesbriefe, rote Rosen oder pinke Herzchen-Pralinenschachteln einsammelte, gluckste zwar meine Tochter – schaute aber schon, dass ich ihr erfolgstechnisch nicht enteile. Bei aller Liebe des gemeinsamen Spiels (auf eigenen Geräten bzw. siehe oben), gönnen wir uns doch liebevoll nicht den Dreck unter den Fingernägeln.
Und dann kam Papa, den ich mir endlich durch mühsam erspielte Münzen leisten konnte. Papa kann eigentlich nichts. Außer dass er gratis wiederbelebt werden kann. Gendermäßig kommt mir das gerade merkwürdig vor, aber was soll´s…ist ja nur ein Spiel, ne? Die Wiedererweckungspower vom Papa ist bei manchen Aufgaben ein großer Vorteil, denn wenn man beispielsweise x Bananen sammeln muss, hilft eine zweite, schön langsame Runde nach der Wiederbelebung mehr als die Mama, die aber länger kann als Papa. Sozusagen. Das steigerte jedenfalls den familieninternen Wettkampf in ungeahnte Höhen, weil die Tochter der Mama felsenfest die Treue hält. Sie findet zwar, dass der Schnauzbart-Minion-Papa lustig aussieht, aber trotzdem keine Chance gegen die tolle Betonfrisur von Mama hat. Und außerdem…ist Mama eh die Beste. So muss es auch sein, nicht wahr?
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