Wie bei allen Assassin´s Creed-Vorgängern auch, war ich bei Origins erleichtert, als der (vermeintlich) letzte Kampf endlich ausgestanden war. Zum Finale hin spielen sich die Assassin´s Creed-Solokampagnen immer ein wenig zäh. Ist kein Wunder bei dieser verquasten Story, bei der, wahrscheinlich inklusive weiter Teile des Autorenteams, kaum jemand durchblickt, warum sich wer mit wem gegen was verschworen hat. Gilt andersherum übrigens genauso: Wofür die Helden, die sich gegen die Verschwörung auflehnen, eigentlich kämpfen, verbleibt ebenso im Dunklen. Bei Origins macht Ubisoft aus der erzählerischen Not eine Tugend und dampft die Solokampagne direkt zu einem Spielmodus von vielen zusammen, der aufgrund seiner außerordentlich hohen Qualität zwar heraussticht, aber eben nicht mehr „das Spiel“ ist. Origins ist erst beendet, wenn Ubisoft die Server abschaltet und nicht wenn die Kampagne beendet wurde. Das mag vor dem Hintergrund alter Gewohnheiten verstören, verpflichtet aber auch den Entwickler dazu, die Qualität hochzuhalten.
Wie oben angedeutet, profitiert die Story von dieser Strategie nicht. Nun, irgendwas mit Weltherrschaft und Macht bleibt das übergeordnete Thema. Das funktioniert immer, sogar wenn Ubisoft dieses Szenario über verschiedene Zeitlinien laufen lässt, die seit dem allerersten, von mir zutiefst verehrten, Assassin´s Creed einfach nicht zusammenpassen wollen. Die Gegenwartsebene fühlt sich auch in Origins noch wie eine Klammer an, die die schrägen Vergangenheiten halbwegs zusammenhält — und vielleicht ursprünglich sogar mal das ganze historische Kuddelmuddel zu einem sinnhaften Ende führen sollte (ich tippe auf Revelations, aber dann kam doch AC III). Das Gefühl stellte sich ein, dass Ubisoft so lange jährlich ein Assassin´s Creed-Spiel veröffentlichen wird, wie es Geld auf dieser Welt gibt. Das konnte natürlich qualitativ nicht gut gehen und auch vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung von Ubisoft, Origins einen zeitlosen Anstrich zu geben, ungemein clever. Damit sind sie nicht die Ersten, siehe GTA V Online, aber wahrscheinlich aktuell die Besten. Auch deswegen, weil sie eine gute Balance zwischen kostenlosen und kostenpflichtigen Inhalten halten. Zeitlich begrenzte Events gibt´s für umme, die Erweiterungen und Gedöns gegen Kohle.
Der erst auf den zweiten Blick kommerziell gewiefte Games as a Service-Ansatz mag einigen nicht gefallen — vor allem denen, die ein Problem mit Ubisoft haben. Und noch mehr dürften jene verunsichert sein, die trotz ideologischer Großzweifel gar nicht genug von Ubisoft-Videospielen bekommen können und fröhlich brandschatzend über 100 Stunden ihres Lebens in das unethische The Division versenken, nur um es anschließend lauthals zu verteufeln. Für mich persönlich entfällt nur der letzte große Seufzer, denn Assassin´s Creed Origins bekommt von Entwicklerseite einfach kein „echtes“ Finale spendiert. Dafür bin ich dann selbst verantwortlich, in dem ich dem Spiel den Rücken kehre. Mache ich aber (noch) nicht — und da sind wir dann bei den Verlockungen des Game as Service-Ansatzes, der bei Origins nicht zuletzt deshalb wunderbar funktioniert, weil er vergleichsweise unaufdringlich umgesetzt wurde.
Im Verdrängungswettbewerb langfristig den Kopf oben zu behalten, ist schließlich auch ein großer Erfolg. Kommerziell vor allem deswegen, weil die Zeit, die in Assassin´s Creed Origins investiert wird, keinen Konkurrenzprodukten zugutekommen kann. Dafür müssen aber die Rahmenbedingungen und die Inhalte stimmen. Bei ersterem glänzt Origins mit einer fantastischen Spielwelt, einem zwar nicht revolutionär, aber spürbar verbesserten Gameplay und einem Missionen-Mix, der der Serientradition folgt, aber interessanterweise nicht lauwarm aufgegossen wirkt. Bei den Inhalten zeigt sich Ubisoft lernfähig: Anstelle einen kostenpflichtigen DLC nach dem anderen rauszuhauen, werden mit den Prüfungen der Götter erst einmal zeitlich begrenzte Boss-Kämpfe etabliert, neue Schwierigkeitsgrade eingeführt undsoweiterundsofort. Wer Gefallen am alten Ägypten á la Assassin´s Creed gefunden hat, findet einen Grund, regelmäßig zurückzukehren. Was noch auffällt: Ubisoft arbeitet stetig an Origins. Und das auch an Stellen, die nicht kriegsentscheidend sind, wie beispielsweise bei der aufgeräumten Map.
Wenn zum Service eine sinnige Produktpflege gehört, wie sie Ubisoft derzeit auch bei Rainbow Six Siege, Wildlands & Co. betreibt, ist dies eine Strategie, die sich andere AAA-Publisher genauer anschauen sollten, sofern sie dies nicht schon längst machen. Ausreichend Anschauungsunterricht für durchgehend erfreuliche Politur bietet dafür beispielsweise Playerunknown´s Battlegrounds als reines Mehrspielererlebnis. Bei einem zunächst als klassischen Singleplayer aufgezogenen Spiel sollte der Games as a Service-Ansatz dann aber inhaltlich stimmig sein. Es macht keinen Sinn, nach der Kampagne immer noch mit dessen Helden Bayek durch Ägypten zu streunern. Es ist ein altes Problem und wurde von mir bislang achselzuckend ignoriert, wenn nach der Kampagne noch ein paar Nebenmissionen offen waren. Denn nach der Solokampagne ist bei mir Feierabend (gewesen). Nun beziehen sich manche Nebenmissionen immer noch auf die politische Großwetterlage, die ich als Bayek schon längst gelöst habe. Auch die letzten Phylakes, die ägyptischen Killer, sind immer noch hinter mir her, obwohl keiner ihrer Auftraggeber noch lebt. Da stockt es ein wenig mit der Immersion.
Mir hätte es gefallen, wenn man nach der Kampagne mit einem neuen Helden in Ägypten gestartet wäre. Den hätte man schön hochleveln können und zwar nicht mit zuvor links liegen gelassenen Nebenmissionen, sondern mit genau den Inhalten, die Ubisoft für das Spiel nach dem Spiel bereitstellt — seien es die Hordenkämpfe oder die Konfrontationen mit den Bossen. Die Spielwelt lässt das zu, zumindest meine Motivation wäre dafür groß genug, weil Assassin´s Creed Origins für sich gesehen bestens funktioniert. Die Zeit, in der Ubisoft mittelmäßige Spielereihen auf den Markt wirft, scheint ja nun vorbei zu sein. Aber irgendwas muss sich Ubisoft noch aufsparen für das neue Assassin´s Creed, das uns Ende diesen Jahres womöglich beglückt.
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