Zum seitenlangen Gesichtervergleich in einschlägigen Spielemagazinen kommt es heute ja nicht mehr. Die Zeiten des ganz großen Lamettas sind bei FIFA wie auch Pro Evolution Soccer (PES) vorbei. Schade, eigentlich. Diese „Duelle“ waren gleichzeitig so dumpf wie amüsant. Das ist aber kein Grund, nicht mit gewohnter Polyneux-Qualität auf die beiden Fußball-Platzhirsche zu schauen. Trotz vermeintlich klarer Ausgangslage.
Heutzutage gilt FIFA als kommerzieller Gewinner, die Cash Cow, während PES der Ruf anhaftet, irgendwie immer noch Realismus pur zu sein, nur eben in der Rolle des armen Cousins von FIFA. Das liegt an den Lizenzen, EA Sports hat sich die Rechte von weltweit so ungefähr jeder Liga über Kreisklassen-Niveau gesichert und kommt daher – nicht zu Unrecht – als das „offizielle“ Fußballspiel rüber, nicht zuletzt wegen (oder trotz?) des Verweises auf den vorbildlich seriösen Weltverband im Namen. Konami arbeitet für PES 19 immerhin mit einzelnen Vereinen zusammen, was es dann letztlich so gerade eben noch über den Status eines Fantasy-Fußballspiels erhebt.
Aber natürlich ist hier offiziell gar nichts offiziell. Weder bei FIFA 19 noch bei PES 19. Oder beim von mir heiß erwarteten Football Manager 19, der in seiner ausufernden Komplexität nicht annähernd mit der Ballklopperei von FIFA und PES zu vergleichen ist. Letztlich dreht es sich bei FIFA und PES um den immergleichen Sport, der in den letzten Jahren seine Innovationen – neben in Videospielen nur suboptimal umsetzbaren Videoschiri und Torlinientechnik – in taktischen Spielereien fand. Hier ist (Gegen-)Pressing der letzte Schrei, dort der Konter aus der tiefstehenden Abwehr heraus und bei anderen immer noch der Tiki-Taka-Ballbesitz. Nichts, was Videospiele nach vorne bringen kann.
EA Sports hat es immerhin versucht, seiner Spielereihe einen neuen Anstrich zu verpassen. Und das gar nicht mal so übel, sei es durch die (heute schon wieder vergessene) Integration von Frauenfußball oder den Singleplayer-bzw. Story-Modus „The Journey“, der eine echte Bereicherung für FIFA ist und in den Bewertungen und Kritiken leider konsequent unter den Tisch fällt. Konami übte sich an nichts dergleichen, hier war man eher damit beschäftigt die veraltete Engine auszutauschen, um nicht völlig im Kampf gegen FIFA unterzugehen.
Man liest es heraus: Das Spiel selbst erlebte in den letzten Jahren keine Impulse, nur – bzw. vor allem – das Drumherum. EA Sports verdient sich mit Ultimate Team dumm und dämlich und könnte doch eigentlich die ganze Kohle in den Sport selbst stecken. Den Fußball im Videospielgenre auf eine neue Stufe stellen. Mindestens. Und PES? Eigentlich bliebe der schöne Platz in der Nische als Hardcore-Realismus-Variante – das dort verdammt gut zu verdienen ist, beweist Sports Interactive mit dem Football Manager.
Also schauen wir, wie das Duell diese Saison ausfällt. Konzentrieren werde ich mich nicht (nur) auf den Kokolores, also NICHT auf den Gesichtervergleich…, sondern auf das Spiel selbst. Und dabei beginnt PES 19 mit einem nicht zu unterschätzenden Vorteil: Es erschien einige Wochen vor FIFA 19 und war mir persönlich damit schon sehr gut vertraut, bevor ich die ersten Schritte mit FIFA machte. Warum das gut und schlecht zugleich ist, werden wir jetzt im großen Polyneux-Foppes-Test-Parcours sehen, den die beiden Spiele durchlaufen müssen. Ob sie es wollen oder nicht.
Chapter 1: Läuft es bei dir oder geht hier gar nix?
Es kribbelte nach meinem ersten Match gegen die KI in PES 19 (PC, übrigens). Das mache ich immer so. Erst mal ein Gefühl für das Spiel bekommen und dann direkt in den Online-Saison-Modus eintauchen. Alles andere finde ich langweilig. Und dann ging es los, bzw. nicht: Fehlermeldung XY, kein Zugriff auf das Netzwerk möglich, ewiges Warten – erst auf das Spiel, dann auf dessen Absturz, aber nichts dergleichen geschah. Ich schaute auf den Bildschirm, unten links bewegte sich vergeblich der Ladekreis. Nach zehn oder elf Anmelde-Versuchen funktionierte es dann doch, mit ein bisschen „Glück“. Oft aber auch nicht. Nee, liebe Leute bei Konami, so geht´s nicht. Sogar heute Morgen, wo das generelle Netzwerk-Problem doch angeblich längst behoben ist, wartete ich wieder rund zehn Minuten vom Start des Spiels bis zum Anpfiff des ersten Online-Matches.
Bei FIFA 19 läuft alles wie geschmiert. Das Matchmaking passt. Ehe man sich versieht, läuft das Spiel. So soll´s sein.
PES 19: 2 Punkte // FIFA 19: 10 Punkte
Chapter 2: Gesichtervergleich, aha, jetzt also doch
Ok, ich gebe es zu. Nur mit Intellekt macht der große Polyneux-Foppes-Test-Parcours keinen Spaß. Außerdem brauche ich einen Grund, um über Cristiano Ronaldo zu lästern. Natürlich ist er einer der besten Kicker aller Zeiten, da gibt es keine Zweifel. Aber auch der größte vorstellbare Narziss der Sportwelt. Und er glotzt mich mit offenem Mund vom FIFA 19-Cover (der Standardversion) an. Das nervt. Hat zwar nichts mit dem Spiel selbst zu tun, aber, wie gesagt, es nervt. Das gibt Abzüge. Weil Emotionen auch zählen, vor allem negative.
Bei PES 19 wirkt es so, als hätte Konami ein Stockfoto für´s Cover bei Shutterstock gekauft und dann erst bemerkt, dass dort Philippe Coutinho abgebildet ist. Der nun kein Ronaldo, sondern einfach nur ein hervorragender – wenn auch viel zu teuer eingekaufter – Profi von Barcelona ist. Das gefällt mir, denn es spiegelt tatsächlich so einiges von dem wider, was FIFA 19 und PES 19 auszeichnet.
PES 19: 9 Punkte // FIFA 19: 4 Punkte
Chapter 3: The Show must go on
Boah, wie egal ist denn diese Kategorie, in Theorie wie in der Praxis? Hm? Beide Spiele haben Mucke in den Menüs, die komplett austauschbar ist. RockPopHipHopRap-Dingens. PES kommt optisch – wie immer – verstaubter rüber, FIFA ist mir zu bunt. Na und?
PES 19: 5 Punkte // FIFA 19: 5 Punkte
Chapter 4: Den Guardiola machen oder wenigstens vorgeben, ein Taktikfuchs zu sein
Ich gestehe: In Formation und Aufstellung nebst Taktik UND Sondertaktiken in Offensive UND Defensive stecke ich viel Zeit. Bei beiden Spielen macht es mir Freude, herum zu tüfteln. Letztlich lande ich aber eh jedes Jahr bei einem echten oder verkappten 433. Wobei ich – seltsamerweise – bei FIFA stets dazu neige, das Team eine Spur offensiver einzustellen als bei PES. So reicht mir bei FIFA 19 ein defensiver Mittelfeldspieler, bei PES 19 sind es zwei. Übrigens jeweils bei Paris St. Germain, das ist MEIN diesjähriges Team.
Nebenbei möchte ich das einfach mal bemerken und damit mein großes Herz für staatlich gelenkten Sport demonstrieren. Flagge zeigen. Ist doch supi, wenn ein mit ordentlich Sanktionen belegter Staat wie Katar auf sämtliche Fairplay-Regeln der UEFA pfeift, sich für seinen französischen (?!) Fußballklub völlig überteuert Weltstars für PR-Zwecke zusammenkauft und diese dann dem Ex-Mainzer Jugendtrainer Thommy Tuchel als Coach anvertraut, oder? Das möchte ich unterstützen. Und zwar so richtig. Hier bin ich mit vollem Herzen transparent und stehe mit geradem Rücken für die sogenannte Sache ein, was immer das für eine seltsame Sache ist.
Wobei ich nicht nur transparent bin, sondern zuweilen bei PES 19 transpiriere und damit sind wir zurück beim Taktikdings. Ein Grund für meine defensive Zurückhaltung bei PES 19 ist der Umstand, dass die Defensive anders funktioniert als bei FIFA 19 (siehe unten), hier trennen aus meiner Sicht beinahe Welten die Spiele. Bei PES 19 lässt sich das Spiel wirklich gut lesen, unterschiedliche Formationen mit den verbundenen Taktikeinstellungen (offensive AV etc.) haben – für mein Gefühl – weitaus mehr Auswirkungen als bei FIFA. Bei defensiver Unordnung komme ich tatsächlich gegen beschlagene Spieler ganz schnell ins Schwitzen. Zum ersten Mal kam mir an dieser Stelle ein Gedanke in den Kopf (also jetzt im Vergleich der beiden Spiele…) der sich dort massiv festbiss: PES 19 wirkt in der Umsetzung von Taktiken auf dem Papier hin zum Geschehen auf dem Platz authentischer und „echter“. FIFA 19 ist da ein stückweit wilder. Kleine Umdrehungen an den Stellschrauben haben selten so eine große Wirkung wie bei PES 19.
PES 19: 10 Punkte // FIFA 19: 7 Punkte
Chapter 5: Geilo, Foppes, aber mit Gefühl…(echt jetzt?)
Jetzt aber zum Spiel selbst. Fangen wir nun mit FIFA 19 an, das – wie erwähnt – damit zu kämpfen hat, das ich PES 19 zum Release schon gewöhnt war. PES 19 fühlte sich für mich direkt „richtig“ an, sei es bei der Spielgeschwindigkeit, den Offensiv- wie den Defensivaktionen. Auch Schüsse, lange Pässe etc. wirken absolut stimmig. Vor allem läuft es nicht so einfach mit den Dribblings. Sich kurz mal durch die Reihen zu tanzen und ein Traumtor nach dem anderen zu ballern, funktioniert halt nur mit Ronaldo bei FIFA 19 (hier verteile ich schon mal einen ordentlichen Minuspunkt).
Eine Vorstellung davon zu haben, wie man Fußball spielen möchte, so ganz generell, ist bei PES 2019 dem späteren Erfolg förderlich. Bei FIFA 19 eher optional, da wird eine Grundphilosophie zu einer Geschmacksfrage – was ja auch nicht unwichtig ist. So ähnlich wie bei den „Entscheidungen“ bei den Telltale Games-Abenteuern. Man weiß, so wichtig ist das alles nicht, was man tut oder sein lässt, aber es gehört zur Immersion und dem Spielgefühl einfach dazu.
Vorgenommen hatte ich mir Liverpool- bzw. Kloppo-artig zu spielen, also hinten geordnet, aber bei Ballbesitz wie die Doofen auszuschwärmen und mit voller Power den Abschluss zu suchen. Und auf den zweiten Ball heiß zu sein, wenn was schief geht. Trotzdem sind meine Spiele bei PES 19 keine Torfestivals, selten fallen drei Tore für ein Team oder mal vier Tore insgesamt. PES 19 klingt womöglich nach Arbeit und das ist es auch. Aber eine Arbeit, die Spaß macht.
Mein erstes Online-Match bei Fifa 19 verlor ich 4:7 und selten fielen anschließend weniger als vier Tore in einem Spiel. Zudem fühlten sich diese Spiele allesamt künstlich an. Da sind wir wieder beim PES 19-Vorteil, denn die Realismus-Latte hängte Konami hoch auf. Bei FIFA 19 habe ich manchmal das Gefühl, dass die Spieler eher schweben als laufen und der Ball ein Luftballon ist, besonders bei Weitschüssen habe ich nicht das Gefühl, dass Wumms dahinter ist. Hier lässt die Immersion zu wünschen übrig. Das Problem hatte FIFA übrigens früher schon einmal, keine Ahnung, warum es jetzt wieder auftaucht. Letztes und vorletztes Jahr kam mir dieser Gedanke nicht.
PES 19: 10 Punkte // FIFA 19: 7 Punkte
Chapter 6: Die Null muss stehen
Im letzten Kapitel erwähnte ich die massive Abwehr, mit der ich spielen möchte. Mir ist es wichtig, dass Hinz und Kunz (Ronaldo, zum Beispiel) nicht einfach durch meine Reihe spazieren. Ungerne schenke ich Tore ab – und werde sauer, wenn es doch passiert. Bei PES 19 halten sich meine Unmutsbekenntnisse noch in Grenzen. Es gibt 0:0, die mir Spaß machen. Das ist immer ein gutes Zeichen für ein Fußballspiel.
Vor allem liegt es daran, dass wunderbar zwei Spieler in der Defensive gesteuert werden können. Mit dem einen gehe ich voll auf den Ball, mit dem anderen besetze ich den Raum. Und das funktioniert sehr gut. Hier kommt FIFA 19 einfach nicht ansatzweise mit. Vom Prinzip her versucht sich FIFA 19 an einer ähnlichen Steuerung, aber das bisschen Mann ablaufen und Gegenspieler begleiten bringt´s nicht wirklich. Somit verzichtet FIFA 19 ganz massiv auf eine kontrollierte Steuerung des Teams, was mir gar nicht gefällt. Dass hingegen Grätschen bei FIFA 19 eine Freude sind und tatsächlich oft funktionieren, ist ein Pluspunkt. Bei PES 19 lasse ich die gepflegte Blutgrätsche direkt weg, denn die bringen leider absolut gar nichts.
PES 19: 9 Punkte // FIFA 19: 5 Punkte
Chapter 7: Wenn´s denkst, ist es eh zu spät
Tore, Tore, Tore. Ohne ordentlich Tammtamm und Dramatik vor den Toren wären weder FIFA 19, noch PES 19 die Evergreens der Videospielbranche, die sie sind. FIFA 19 bietet deutlich mehr an Spektakel als PES 19, sei es in der Präsentation oder auf dem Feld. Ersteres ist mir wurscht, letzteres nervt mich. Und das liegt wieder an der Defensive. Es ist zu einfach bei FIFA durchzumarschieren, immer noch. Dass viele Tore fallen, macht FIFA 19 deutlich kurzweiliger, aber nicht interessanter als seinen Kontrahenten. Bei PES 19 freue ich mich mehr über meine Tore.
Daher, machen wir es kurz: Wegen der Defensive gefällt mir auch die Offensive von PES 19 besser, ist einfach so.
PES 19: 9 Punkte // FIFA 19: 7 Punkte
Finaaaale, oooho….Finaaale….
Rechnen wir kurz zusammen: PES 19 erhält von mir 54 Punkte, FIFA 19 erreicht 45 Punkte. Der Drops ist also gelutscht. Die Frage ist nur: Was sagt uns das Ergebnis? Zum einen, dass beides ganz hervorragende Spiele sind. Dort, wo FIFA 19 nicht so gut performt, ist PES 19 eben richtig gut (Defensive).
Zum anderen sind – natürlich – beide Spiele nicht ohne Grund Platzhirsche im Genre. Das geht zu Lasten von Ecken und Kanten. Beide sind klassische Mainstreamprodukte, aus gutem Grund selbstverständlich, aber dadurch dürfen die Fans keine Abenteuer erwarten (außer bei The Journey, erfreulicher Weise), aber wahrscheinlich tut das auch kaum niemand.
Ein Abenteuer dürfte eher der Football Manager 19 werden, dessen Ambition – den kompletten Fußball in seinen allerkleinesten Feinheiten abzubilden – an sich schon wahnsinnig ist. Mehr von diesem Anspruch würde ich auch Konami und EA Sports wünschen.
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