Wer hätte das für möglich gehalten? Blizzard kündigt auf seiner Hausmesse, der alljährlich in Anaheim stattfindenden BlizzCon, ein neues Diablo-Spiel an und wird ausgebuht. Ein Fan bekommt tosenden Applaus für seine Frage an Entwickler Wyatt Chang, ob es sich bei der Ankündigung um einen Aprilscherz handele. Das Feedback bei Reddit und Twitter ist verheerend, bei YouTube befindet sich der Trailer auf gutem Weg zu einer halben Million Dislikes. Das alles nur, weil es sich bei dem angekündigten Diablo Immortal um ein Mobile-Spiel für Android und iOS handelt und nicht etwa um das erwartete Diablo 4.
Fast möchte man den Kommentatoren zustimmen, die das entstandene „toxische Umfeld“ und das Anspruchsdenken der Fans kritisieren, zur Mäßigung aufrufen und dazu, das Mobile-Spiel halt zu ignorieren, wenn es einen persönlich nicht anspräche. Diablo 4 käme ja bestimmt.
Hype, wem Hype gebührt
Die diesjährige BlizzCon hatte allerdings Vorgeschichte. Die erste und einzige Erweiterung für Diablo 3, Reaper of Souls, erschien bereits 2014. Zuletzt wurde auf der BlizzCon 2016 der Necromancer als neue spielbare Klasse angekündigt, die im Sommer 2017 veröffentlicht wurde. Auf der BlizzCon 2017 gab es für Diablo-Fans keine Neuigkeiten.
2018 häuften sich bei Blizzard die Stellenausschreibungen mit Diablo-Bezug. Im August kündigte man mit einem „The Future of Diablo“-Video an, dass mehrere Teams an mehreren Diablo-Projekten arbeiten und man später im Jahr Konkreteres zeigen würde. Das wurde allgemein – nicht zu Unrecht – als Wink in Richtung BlizzCon verstanden. Wohlgemerkt: Zu dieser Zeit konnte man noch Tickets für die BlizzCon kaufen. Als später der Ablaufplan für die BlizzCon veröffentlicht wurde, der Hype aufgrund des direkt auf die Eröffnungsveranstaltung folgenden Diablo-Panels durch die Decke ging und Blizzard schließlich die Erwartungshaltung durch einen Blogpost im Vorfeld etwas einzufangen versuchte, war das schon nicht mehr der Fall.
Auch wenn durch besagten Blogeintrag als sicher gelten konnte, dass Diablo 4 keine Ankündigung auf der diesjährigen BlizzCon erfahren würde: Gerüchtehalber im Raum standen seit dem StarCraft-Remake auch ein Remake von Diablo 2 oder eine neue Charakterklasse (beispielsweise Druiden) für Diablo 3. Als im Laufe der Eröffnungsveranstaltung neben einer neuen Erweiterung für Hearthstone und einem neuen Charakter für Overwatch auch ein Warcraft 3-Remake angekündigt wurde, war dann klar, dass man kaum noch mit einem Diablo-2-Remake rechnen konnte. Welche große Diablo-Ankündigung sollte also als würdiger Abschluss der Eröffnungsveranstaltung dienen?
Auf die BlizzCon zu fahren, kostet viele hundert Dollar für Ticket, Anreise und Übernachtung. Selbst das Virtual Ticket, um die Veranstaltung online verfolgen zu können, schlägt mit knapp 40 Euro zu Buche. Das bezahlen nur Hardcore-Fans der bestehenden Franchises, die nun mal durch die Bank zuvorderst PC-Franchises sind, wenn auch teilweise mit Konsolen- und Mobile-Ports. Blizzard selbst veröffentlichte kurz vor der Eröffnungsveranstaltung im Livestream sogar noch das Ergebnis einer Umfrage, worauf sich BlizzCon-Besucher am meisten freuen würden: 80 Prozent auf die Reveals, wohingegen eSports, Panels und Cosplay nur eine Nebenrolle spielen.
Ich verstehe, dass man die Ankündigung von Diablo Immortal ganz leicht mit einem „nicht interessiert“ abhaken kann, wenn man die Neuigkeit bei YouTube oder irgendeinem Spieleportal aufgeschnappt hat. Die Enttäuschung der bei der BlizzCon Anwesenden finde ich – im Gegensatz zu der Aufregung im Nachgang bei Reddit, etc. – aber nachvollziehbar. Sie waren für die Ankündigung eines reinen Mobile-Spiels ohne geplanten PC-Port einfach das völlig falsche Publikum. Die Möglichkeit, Diablo Immortal nach der Eröffnungsveranstaltung selbst anspielen zu können, nahmen entsprechend nur wenige Fans in Anspruch. Und auch wenn Blizzards Allen Adham später in Interviews zu Protokoll gab, bei den Konsolen-Ports von Diablo 3 und bei Hearthstone auf Mobilgeräten hätte es ja ebenfalls kritische Stimmen gegeben: Bei Hearthstone war Blizzard klug genug, es auf der PAX und eben nicht auf der BlizzCon anzukündigen.
Der originale Diablo-Klon
Und damit haben wir noch nichts zu Diablo Immortal selbst gesagt: Das Spiel entsteht in enger Zusammenarbeit mit NetEase, die unter anderem WoW nach China gebracht haben, im Mobilbereich aber vor allem mit Diablo-Klonen mit MMO-Elementen und zweifelhafter Monetarisierung glänzen. Auf Fragen, wie genau denn die Arbeitsteilung mit NetEase aussähe und wie groß Blizzards Anteil eigentlich sei, bleibt man so unspezifisch wie möglich. Wer Diablo 3 kennt, dem wird ein Großteil der Charaktermodelle und Animationen im gezeigten Gameplay-Video bekannt vorkommen. Alles außer den Charaktermodellen und Animationen sieht dagegen NetEases Diablo-Klones wie Endless of God ziemlich ähnlich. Fragen nach Mikrotransaktionen geht man ganz aus dem Weg.
Der Cinematic Trailer wirkt recht lieblos zusammengeklöppelt und zeigt kurioserweise zum Abschluss Diablo selbst, der im Laufe der Story von Diablo Immortal, die zwischen Diablo 2 und 3 angesiedelt sein soll, schwerlich selbst wird auftauchen können. Folgerichtig wurde im World-and-Q&A-Panel auch bereits Skarn, Herald of Terror, als Hauptbösewicht angekündigt, dessen Mission es sei, Diablo zurückzubringen. Gemäß der Geschichte von Diablo 3 werden die zukünftigen Spieler von Diablo Immortal das erfolgreich zu verhindern wissen, weshalb ich all die zur Schau gestellte Begeisterung, dass nun endlich die Ereignisse zwischen Diablo 2 und 3 erzählt werden, nicht so recht nachvollziehen kann.
Ich werde mir Immortal sicherlich anschauen, sobald es erscheint, erwarte aber nicht viel. Bis dahin gibt es – just seit dem Eröffnungstag der diesjährigen BlizzCon – Monsterschnetzeln schon wunderbar mobil in Form von Diablo 3 auf der Switch.
“Multiple projects by multiple teams”
Vielleicht hätte man die ganze Aufregung vermeiden können, wenn Blizzard sich ein Beispiel an Bethesda genommen hätte: Die haben die Ankündigung ihres mobilen Elder Scrolls-Titels mit einem Trailer für Elder Scrolls 6 abschlossen. Bis auf eine Render-Landschaft und den Titel wurde nichts gezeigt, Elder Scrolls 6 ist noch viele Jahre von der Veröffentlichung entfernt, dennoch wurde die Ankündigung positiv aufgenommen.
Passend dazu berichtet Jason Schreier auf Kotaku, es hätte ein Video gegeben, auf dem Allen Adham bestätigt, dass Diablo 4 in Entwicklung sei. In einer ersten Fassung des Artikels hieß es, dieses Video hätte zum Abschluss der BlizzCon-Eröffnung, also nach der Vorstellung des Mobile-Titels, gezeigt werden sollen. Blizzard bestreitet das.
Stattdessen wiederholt man mantraartig, „mehrere Projekte“ zu Diablo seien bei „mehreren Teams“ in Entwicklung. Natürlich geht jeder davon aus, Diablo 4 sei darunter. Dennoch vermeidet Blizzard wie der Teufel das Weihwasser, den Titel mit der 4 zu nennen. Warum?
Schreier berichtet weiterhin, Diablo 4 sei seit vier Jahren in Entwicklung, hätte sich in dieser Zeit aber schon mehrfach drastisch verändert. Er wisse von mindestens zwei Iterationen unter zwei Lead Designern. Das hieße, Diablo 4 wäre mindestens seit Veröffentlichung von Reaper of Souls 2014 in Entwicklung. Josh Mosqueira, der mit Reaper of Souls das Ruder bei Diablo 3 unter anderem durch den Adventure Mode und die Schließung des Echtgeld-Auktionshauses herumgerissen hat, hat Blizzard 2016 verlassen. Ich zähle hier mal Eins und Eins zusammen.
In den letzten Jahren hat es Blizzard geschafft, mit nahezu allen seinen Franchises dauerhafte Einnahmen zu generieren, sei es durch Abonnements, Lootboxen, Kartenpakete, was auch immer. Die unrühmliche Ausnahme ist Diablo. Die Einführung des Echtgeld-Auktionshauses ging so gründlich schief, dass man es schließlich wieder entfernen musste. Seit der Schließung behandelt Blizzard Diablo 3 eher stiefmütterlich – kein Wunder, vom Profit her kann es mit den anderen Franchises nicht mithalten.
Wenn es also so einfach gewesen wäre, einen Großteil des aktuellen PR-Desasters zu vermeiden, indem man schlicht den Schriftzug „Diablo 4“ zum Abschluss der Eröffnungsveranstaltung an die Wand wirft, warum bleibt Blizzard dann auch im Nachgang noch stur bei der Sprachregelung von mehreren Projekten und mehreren Teams? Ich vermute, dass man sich bei Blizzard angesichts der drastischen Änderungen, die das Projekt aktuell durchzumachen scheint, und bei dem sicherlich bestehenden Druck, irgendeine dauerhaft ergiebige Geldquelle in das Spiel zu integrieren, gar nicht mal so sicher ist, ob das Endergebnis wirklich ein lupenreiner Nachfolger in der Tradition der bisherigen Teile sein wird. Möglicherweise wird das nächste große Diablo für den PC so wenig Diablo 4 sein, wie World of Warcraft ein Warcraft 4 war.
3 Kommentare
Das muss man bezahlen, damit man die Inhalte eines Streams live, d.h. grob geschätzt 1-2 Stunden früher hat? Wird das auf blizzcon.xxx von leicht bis unbekleideten Camgirls moderiert?
Ja, so ist das. :)
Ich würd’s nie machen, hab aber nen Freund (langjähriger WoW-Spieler), der das jedes Jahr macht. Und dann haben wir meist ein paar nette Abende und gucken uns die Streams an. Um das “früher haben” oder “live dabeisein” geht es ja nur bei den Reveals. Uns sind die Panels eigentlich lieber, wo halt oft im Detail aus der Entwicklung erzählt wird.
Das war doch alles geplant.
Ich bin mir sicher,dass die Entscheidung, keinen D4 Schriftzug nach Immortal zu zeigen,eine Abwägung über die damit erreichte Medienwirksamkeit war.
Wir erinnern uns: Gute oder Schlechte Publicity is im Grunde egal, Hauptsache Pubkicity!
Denn was haben sie erreicht?
ALLE reden über Immortal.
Ob D4 kommt oder nicht ist erstmal Wurscht.
Wenn aber Immortal erscheint werden viele sich das Ding auch einfach mal ansehen.
Und das generiert Kunden.
Das einzige was sie meiner Meinung nach noch völlig verreißen können ist die Monetarisierung.
Sollte Blizz da nicht zu gierig werden, wird Immortal eine absoluter Absatzhit.
Ich bin mir nämlich auch sicher dass sie keinen totalen Mumpitz releasen werden.