Ich liebe Immersive Sims. Zu diesem Genre gehören Titel wie Deus Ex, System Shock, Thief, aber auch moderne Spiele wie Bioshock, Prey (2017) oder Dishonored und auch Gone Home stammen dieser Familie ab. Weil mir dieses Genre so sehr gefällt, habe ich letztes Jahr System Shock 2 (1999) und Thief 2 (2000) zum ersten Mal gespielt. Irgendwann will ich noch Ultima Underworld aus dem Jahr 1992 nachholen. Deswegen war ich auch sehr gespannt, als im November Underworld Ascendant erschienen ist. Das Spiel ist der spirituelle Nachfolger zu Ultima Underworld und stammt von einigen der ehemaligen Entwickler, die Underworld Ascendant über Kickstarter teilfinanziert haben. Entwickler, die einen spirituellen Nachfolger über Kickstarter finanzieren? Das kennt man ja bereits mit gemischten Ergebnissen.
Underworld Ascendant hat gute Ansätze. Zum Beispiel wird früh im Spiel der Weg durch eine verschlossene Holztür blockiert und man hat keinen Schlüssel. Wie soll man weiter kommen? Nun, man kann einen Holzstuhl am nahegelegenen Feuer anzünden, den brennenden Stuhl an der Holztür ablegen und dann warten, bis die Tür Feuer fängt. Genial! An anderer Stelle ist ein Schalter, den ich nicht erreichen kann. Aber ich kann mit Steinen werfen und mit einem guten Wurf den Schalter umlegen. Woanders wird mir der Weg durch schwingende Äxte erschwert. Während ich mich umgucke, fällt mir ein großer Holzblock auf, auf den ich klettern kann, um wiederum auf das Gerüst der schwingenden Äxte zu klettern und damit die Fallen zu umgehen. In den ersten Stunden gibt es immer wieder richtig tolle Momente, in denen man die Mechaniken im Spiel benutzen kann, um durch Umdenken zum Ziel zu kommen. Diesbezüglich folgt Underworld Ascendant ganz den erwähnten Immersive Sims-Klassikern.
Wie sich das im späteren Spielverlauf verhält, weiß ich aber ehrlich gesagt nicht, denn ich habe nicht mehr als fünf Stunden gespielt. Oder anders formuliert, ich habe eine Pause eingelegt. Verfolgt man die Presse, dann weiß man bestimmt, dass Underworld Ascendant aktuell nicht gut ankommt und unter anderem als unfertig bezeichnet wird. Das ist auch nicht verwunderlich, denn es gibt hier viele kleine Stolpersteine, die diesen Eindruck unterstützen. So konnte ich in meiner ersten Anspiel-Runde die Sprache nicht umstellen – das Spiel reagierte einfach nicht auf meine Änderung. Teilweise gab es deutsche und englische Sprachausgabe. An einigen Stellen gab es “Löcher” in den Levels und man konnte in den leeren Raum abseits der Level-Geometrie gucken. Die Handlung ist – nun, ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was die Handlung ist. Ich muss durch sieben Tore gehen und Prüfungen bestehen, um Typhon aufzuhalten, aber dann muss man auch Aufträge für Fraktionen erledigen, damit sie mich mögen und mir gegen Typhon helfen, weil … ach, ich weiß doch auch nicht. Das wirkt alles so unausgereift.
Wobei das alles wiederum eher Kleinigkeiten sind über die ich gerne hinweg sehen könnte. Das große Problem liegt ganz woanders. Scheinbar haben Otherside Entertainment es nicht geschafft, die Levels persistent zu machen, was sich unter anderem darin auswirkt, dass man nicht speichern kann. Naja, irgendwie schon, aber auch nur, in welchem Level man sich befindet und welche Items man hat, aber nicht den Fortschritt. Lädt man, fängt man wieder beim Level-Anfang an, ohne die vorher eingesammelten Key-Items zu besitzen. Das Level wird also lediglich in den ursprünglichen Zustand versetzt. Dadurch ist es dann auch möglich, einige Items doppelt zu bekommen, sofern es keine Key-Items sind.
Dafür gibt es ein Checkpoint-System. Aber irgendwie auch nicht so wirklich. Wie in Ultima Underworld gibt es eine silberne Pflanze, mit der man Checkpoints setzen kann. Stirbt man, respawnt man an dem gesetzten Checkpoint. Aber das Level läuft munter weiter (man kann es sich wie bei Borderlands vorstellen) und der Zustand vor dem gesetzten Checkpoint wird nicht geladen – wie auch, wenn Änderungen des Levels scheinbar nicht gespeichert werden können. Das bedeutet also, dass man eigentlich nicht stirbt, sonderlich lediglich zu dem letzten Checkpoint teleportiert wird. Deswegen sind die Kämpfe keine Herausforderung mehr, weil man sich mit Brute Force einfach durchprügeln kann. An anderer Stelle wurde ich pausenlos am Checkpoint von einem Gegner getötet. Als ich versuchte, vor ihm zu fliehen, habe ich ihn ungewollt zum Checkpoint gelockt, wo er mich tötete. Und weil das Level nicht zurückgesetzt wird, blieb er beim Checkpoint, um mich nochmal zu töten. Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal.
Man könnte vermuten, dass die Speicher- und Checkpoint-Systeme aus Design-Gründen so gewollt sind, was ich als Quick Save-Schlampe prinzipiell nachvollziehen könnte. Wenn die Spieler speichern und laden können, dann können sie sich die optimalen Spielergebnisse herauspicken. Aber Spiele wie System Shock, Thief oder Deus Ex haben ihre Ursprünge in Pen & Paper-RPG’s, in denen es darum geht, mit den getroffenen Entscheidungen und Missgeschicken zu leben. Man könnte durchaus argumentieren, dass es erst dann und erst dadurch interessant wird. Bei Underworld Ascendant entsteht aber der Eindruck, dass das womöglich keine reine Design-Entscheidung gewesen sein mag, sondern die Entwickler aus technischer Sicht Kompromisse eingegangen sind und es nicht geschafft haben, persistente Levels zu erschaffen.
Immerhin arbeiten Otherside Entertainment an Patches und Updates und veröffentlichen Videos, in denen sie auch über die Kritikpunkte wie das Speichersystem reden – Verbesserungen sind also auf dem Weg. Und hier kommen wir auf meine erwähnte Spielpause. Bisher finde ich Underworld Ascendant ganz okay – es ist nicht schrecklich genug, um es nicht mehr zu spielen und es hat gute Ideen und Ansätze. Ich befürchte aber, eine schlechtere Version von dem Spiel zu spielen, wenn ich nicht auf die Updates warte. Deswegen kann ich Underworld Ascendant aktuell nur bedingt weiter empfehlen, verfolge aber die weitere Entwicklung. Vielleicht kann ich dann auch noch ein „richtiges“ Review zum Spiel mit einer positiven Note schreiben.
2 Kommentare
Ah. “Mami(TM) steht am Spawnpunkt und ist sehr wütend.” Doom 2 Coop Geplauder
Hidiho, ich mal wieder.
Wie schon früher mal erwähnt hab ich tatsächlich jetzt mal Ultima Underworld 1 gezockt und ich muss sagen: scheisse ist das geil!
Man sollte schon auf solche Story-Dungeon-Crawler stehen aber dann ist es auch der Hammer.
Keine Ahnung warum das anno dunnemal an mir vorbei gegangen ist, warscheinlich wars aber einfach auf keiner “Disketten-Best-Of-Sammlung” für den 386er vertreten.
Man sollte sich allerdings einen Stift nebst Block neben den Rechner legen, da es kein Questlog gibt und man gerne mal ein paar Hinweise vergisst.
Gerade wenn man später tatsächlich mal ein Ziel mit Hinweisen ernsthaft triangulieren muss (es ist nicht so aufwändig wie es sich anhört aber sowas brauchte ich sonst in games nie) freut man sich, dass man seine “Rauschträume aufgrund von Dampf-Inhalation” auch mitgeschrieben hat (ingame! ernsthaft!).
Ich kann es wirklich nur wärmstens empfehlen das Ding mal zu zocken.
Die GoG Version mit mitgelieferter DosBox läuft super und selbst grafisch find ichs jetzt echt nicht schlecht.
Lässt sich auch noch gut steuern.
Ab LV6 wirds auch echt knackig.
Hatte ich schon die grandiose Nutzung von Sprungpassagen erwähnt?
Anfangs etwas fummelig, gehts dann später recht gut von der Hand und wird auch gut genutzt.
P.S. es gibt exakt 1 Samen zum einpflanzen, der als Not-Rücksetzpunkt nach einem Tod fungiert, speichern und laden sind aber trotzdem überall uneingeschränkt verfügbar.
P.P.S. Auf keinen Fall das Rezept für Rotworm-stew verlieren! hat mich 4 Stunden gekostet das wieder zu suchen; man kommt zwar auch ohne die zugehörige Questbelohnung aus aber es erspart in den unteren Levels echt viel Stress.
P.P.P.S. bei Underworld Ascendant, auf das ich echt viel Hoffnung gesetzt hatte, warte ich auf eine vernünftig gepatchte PS4 Version… ich hab ja Zeit und Ultima Underworld 2 hab ich ja auch noch :)