Ein Aufbauspiel, bei dem die handelnden Figuren durch Würfel repräsentiert werden. Wie soll das denn funktionieren? Dachte ich mir, nachdem ich den Trailer zu Dice Legacy sah, und fragte einen Key an. Nach meinen ersten paar Runden, bei denen ich allesamt das Ende der Mini-Kampagne noch nicht gesehen habe, kann ich sagen: Überraschenderweise verdammt gut.
Dice Legacy funktioniert im Kern wie ein klassisches Aufbauspiel a la Anno, mit einem ordentlichen Fokus auf das Sammeln von Ressourcen und einigen eher simplen Produktionsketten. Die handelnden Figuren, die allesamt verschiedenen gesellschaftlichen Schichten einer feudalen Klassengesellschaft angehören – Bauern, Bürger, Händler, Soldaten und so weiter – werden dabei jedoch durch Würfel repräsentiert. Welche Aktion sie gerade ausführen können, wird bestimmt von der gewürfelten Seite.
Doch es kommt nicht nur aufs Würfelglück an, sondern auch auf die Balance zwischen den einzelnen Klassen. Während Bauern außer Lesen und Handeln fast alles können, braucht es für die Forschung, den Kontakt mit NPC-Dörfern oder auch fortgeschrittene Verteidigungs- oder Angriffsmanöver spezialisierte Würfel. Doch sobald ein gelehrter Bürger die Schule verlässt, ein Soldat seinen ersten Raubzug durchführt oder ein Mönch die erste Segnung vollführt, will der entsprechende Stand auch im Stadtrat angehört werden, der zu jedem Saisonwechsel tagt. Die dort vorgeschlagenen Boni sind allesamt mächtig, doch es kann immer nur einer tatsächlich durchgesetzt werden. Von den anderen Klassen vorgeschlagene Gesetze werden damit automatisch abgelehnt, was dieselben nicht erfreut. Aufstände können die Folge sein, wenn ich den Unmut nicht mit Bier ausgleiche, und je nach rebellierender Klasse brennen dann schon einmal ganze Distrikte, Bäckereien streiken oder Würfel werden krank.
Dazu gesellen sich noch die stetig häufiger vorkommenden Angriffe einer mysteriösen untoten Armee. Je näher ich deren Lager durch Besiedlung und Erkundung komme, desto stärker wehren sie sich, klar. Habe ich gerade in dem Augenblick einen Aufstand rebellierender Soldaten mit spärlich bewaffneten Bauern abzuwehren, sieht es um meine Grenzverteidigung nicht gut aus. Erreichen die Feinde meine Spähposten, die gleichzeitig im späteren Verlauf des Spiels zu den Klassen zugeordneten Distrikthallen aufgewertet werden können, verliere ich nicht nur den Einfluss über einen Teil der Karte, es kann auch direkt den nächsten Stand zum Bürgerkrieg aufrufen.
Dice Legacys recht einzigartiges Konzept hat eine Weile gebraucht, um mich zu überzeugen. Glücksspiel, auch rein simuliertes, zählt nämlich nicht gerade zu meinen Lieblingsmechaniken. Doch der Glücksspielfaktor hält sich tatsächlich in engen Grenzen. Klar werden alle Prozesse durch Würfeln entschieden. Doch abgesehen von der Ausdauer der einzelnen Würfel, die mit Essen wiederaufgefüllt werden muss, bevor der vom Würfel repräsentierte Mensch vor Erschöpfung stirbt, kann ich den Reroll-Button so oft betätigen, wie ich gerade brauche. Neue Würfel erschaffe ich durch eifrige Prokreation von Bauern-Würfeln in Wohnhäusern, doch außer in harten Wintern, in denen Würfel einfrieren können und erst durch die sanfte Hand des Glaubens oder einen Krug Bier wieder arbeitsreif werden, kam ich bisher nie in die Bredouille zu weniger Würfel. Natürlich bin ich bisher auch jedes Mal kurz vor Erreichen des Endes der Halo-artigen Ringwelt, durch die ich mich allein mit dem Mausrad bewege, gescheitert, also solltet ihr meinen Bewertungen des Härtegrads vielleicht nicht allzu viel Bedeutung schenken. Sicher ist jedoch: Dice Legacy ist etwas besonderes. Man muss Echtzeit-Aufbaustrategie mögen und dem Würfeln nicht komplett abgeneigt sein, um Freude daran zu finden. Aber dann findet man hier eine wirklich kreative Mischung von Brettspielmechaniken und digitalen Spielen, die so auch wirklich nur als Videospiel funktioniert.
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