Urs: Ah, Dead Space! Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich es zum ersten Mal durchgespielt habe. 2011 hatte ich mich entschieden, erneut zu studieren. Ich kündigte also meinen Job, suchte mir einen Studiengang, der möglichst wenig mit meiner alten Arbeit zu tun hatte und zog in eine Stadt, die mir bekannt, aber nicht vertraut war. Bis zum Semesterbeginn waren es noch einige Wochen und ich kannte niemanden in meiner neuen Heimat. Also verbrachte ich meine Zeit damit, die Wohnung einzurichten, Gewichte zu heben und Videospiele nachzuholen.
Kurze Zeit vorher hatte ich mir zur Belohnung für den Abschluss meines ersten Studiums eine Xbox 360 gekauft. Dazu kaufte ich zwei Spiele: GTA IV und Dead Space. Ersteres hatte ich direkt durchgezogen, letzteres aber nur kurz angefangen, da ich ein riesiger Schisshase war. Allerdings war mir damals schon klar, dass es sich bei Dead Space um eine Perle des Survival-Horror-Genres handelte und als Science-Fiction-Freund reizte es mich eh. Also bezwang ich meine Angst und legte los.
Einfach war es nicht, denn meine damals noch zarten Nerven hielten die Spannung kaum aus. Häppchenweise quälte ich mich durch das entvölkerte Bergbauraumschiff „Ishimura“. Erst nur eine knappe Stunde am Tag, dann anderthalb, zwei… Trotz oder gerade wegen meiner damaligen Hasenfüßigkeit schlug mich Dead Space direkt in seinen Bann. Allein das riesige „Planet Cracker“-Raumschiff Ishimura war so ein großartiger Schauplatz! Ich wollte einerseits jede Ecke erkunden, andererseits nur so schnell wie möglich runter von diesem fiesen Schrotthaufen. Das Sounddesign war damals schon und die Mechanik, Gegner die Gliedmaßen abtrennen zu müssen, um sie zu besiegen, vielleicht nicht extrem clever, aber ziemlich frisch. Und der Plasma Cutter, die erste Waffe im Spiel und mehr oder weniger die einzige, die man brauchte, war eh das perfekte Werkzeug dafür.
Man sieht, ich habe definitiv rosarote Erinnerungen an Dead Space. Dementsprechend mischten sich bei mir Vorfreude und Bedenken, als ein vollumfängliches Remake angekündigt wurde. Erstere war aber auf jeden Fall das deutlich stärkere Gefühl. Bei dir war das ja etwas anderes, SpielerZwei. Welche Erinnerungen verbindest du denn mit dem Original?
SpielerZwei: Welche Erinnerungen ich mit Dead Space (2008) verbinde? Es war einfach perfekt! Grafik, Sound, Story, Spielmechanik… der perfekte Survival-SciFi-Horror-Shooter. Und aus genau diesem Grund war ich auch ziemlich skeptisch als das Remake angekündigt wurde. Wozu ein Remake eines perfekten Spiels? Nur des Grafik-Updates wegen? Außerdem trage ich EA bis heute nach, dass sie die Reihe damals mit offenen Augen aus Gewinnmaximierungsgründen gegen die Wand gefahren haben. Und den damaligen Entwickler, Visceral Games, gleich mit. Warum sollte ich gerade denen 15 Jahre später Geld für ein Remake geben? Dass die Motive Studios mit den beiden Star Wars-Spielen Battlefront II und Squadrons bis dahin gerade mal zwei Titel vorzuweisen hatten, die zwar kein Schrott waren, aber alles andere als Dead Space-Vibes versprühten, machte die Sache für mich nicht gerade vielversprechender…
Aber ich gebe es gerne zu: Das Remake ist echt toll geworden! Asche auf mein Haupt.
Auf den ersten Blick scheint es gerade deshalb so toll geworden zu sein, weil Motive fast gar nichts gegenüber dem Original geändert haben. – Ha! Also doch nur ein Technik-Update zum Kohle scheffeln. Ich hab’s doch gewusst…! – Aber wer sich noch gut an das Spiel von 2008 erinnern kann, merkt bald, dass sie eben doch ganz viele Kleinigkeiten verändert haben. Und die meisten davon zum Guten.
Da die Kollegen hier ja gerne Scherze über mein Alter machen, ein kleiner Verkalkungs-CheckUp: Welche Unterschiede sind dir denn aufgefallen, Urs?
Urs: Gut, EA-Hass gehört ja bei Menschen mit gewissen und Verstand zum guten Ton. Selbst wenn man nur die Studiozerstörungsorgien aufzählen würde, reichten dafür vermutlich zwei bis drei Hände nicht aus. Die sind ja derzeit nur aus der Schusslinie, da ActiBlizz halt noch übler ist. Als die das Remake ankündigten, dachte ich auch erst, wir müssten uns auf Online-Multiplayer, Microtransactions und sonstige Greul einstellen. Aber der Zahn wurde uns ja schnell gezogen und EA Motive hat direkt beteuert, dass das Original sehr gewissenhaft umgesetzt werden würde.
Und genau deshalb scheint es anfangs fast so, als hätte sich bis auf die Grafik tatsächlich wenig geändert. Erst auf den zweiten Blick wird klar, dass da viel am Fundament getan wurde: Am hervorstechendsten ist wohl, dass die Ishimura, die vorher nur als Korsett für die einzelnen Levels diente, jetzt ein logischer, zusammenhängender Raum ist. Man kann, nachdem man alle Bereiche freigespielt hat, sich frei vor und zurück bewegen. Dabei ist Backtracking selten nötig, aber möglich, und auch unterhaltsam! Denn abgesehen von immer wieder überraschend auftauchenden Monstern, findet man überall versteckte Gegenstände und erhält mit der Zeit mehr Zugang zu zuvor verschlossenen Räumen. Diese werden zum Glück nicht mehr mit den kostbaren Nodes, die auch zum Aufleveln der Ausrüstung dienen, aufgeschlossen, wie noch im Original. Was das für eine Verschwendung war! Stattdessen steigen wir im Clearing Level auf, sodass wir nach und nach Zugang zu allen versperrten Türen und Containern erhalten. Eine deutlich bessere Lösung, wie ich finde.
Darüber hinaus gibt es noch Detailveränderungen, die mir allesamt gut gefallen. So sind die Waffen nun etwas ausgewogener. Während im Original der Plasma Cutter DIE Waffe war, hatte ich im Remake auch sehr viel Spaß mit dem Flammenwerfer und der Force gun. Gezwungen wird man dabei aber zu nichts. Legt man ungeliebte Waffen im Store ab, findet man für diese auch praktisch keine Munition mehr und kann ganz auf seine bevorzugten Knarren setzen. Last but not least ist Protagonist Isaac endlich nicht mehr stumm. Der gleiche Sprecher, der ihn ab Teil 2 vertont hat, ist zurück und war auch Vorlage für das Aussehen der Hauptfigur. Wer befürchtet, dass durch das Gerede die Stimmung zerstört würde, kann aber beruhigt sein. Dead Space ist auch im Remake kein geschwätziges Spiel. Das wegfallen des unnatürlichen Schweigens des Protagonisten in Dialogen, wird die Atmosphäre meines Erachtens sogar noch dichter.
Uff, das war eine Menge Lob auf einmal! Aber waren das überhaupt alle Veränderungen? Es ist einfach so lange her, dass ich Dead Space gespielt habe, dass ich mir gar nicht mehr sicher bin, wo sonst noch Unterschiede bestehen. Fällt dir noch etwas ein? Und wie gefallen dir die Anpassungen?
SpielerZwei: Die Sache mit Isaacs Security Level, der durch den Story-Fortschritt langsam erhöht wird, finde ich auch viel besser als das alte System. Außerdem gibt’s dazu ja auch gleich eine der neuen Nebenmissionen: Den Master-Sicherheitszugang. Ich habe mich im Original meist gegen das Öffnen der “Geheimräume” entschieden, weil mir das Upgraden der Ausrüstung viel lohnenswerter erschien. Dass das Spiel dadurch (und durch die Nebenmissionen) nun ein wenig Backtracking enthält, finde ich auch überhaupt nicht störend, weil, du sagtest es schon, das Durchstreifen der USG Ishimura durch die logischere Architektur nicht wirklich viel Zeit kostet.
Das Waffenarsenal finde ich nun auch ausgewogener als im Original, wobei ich auch damals schon kein Anhänger der “Plasma Cutter Only”-Fraktion war. Witzigerweise gibt es aber genau dafür, also das Spiel nur mit dem Plasma Cutter durchzuspielen, wieder eine Trophy. Einer von mehreren Gründen, warum ich das Spiel garantiert nicht platinieren werde. Mein persönlicher Liebling ist nach wie vor der Ripper.
Die von so vielen gehasste Asteroiden-Ballerei aus dem Original wurde auch verändert. Allerdings nur von scheiße in weniger scheiße. Spielerisch irgendwie immer noch doof, aber immerhin ist es jetzt nicht mehr so arsch-schwer. Eine andere ganz wichtige Veränderung der Spielmechanik betrifft die Abschnitte in der Schwerelosigkeit: Man kann sich jetzt vernünftig durch den Raum bewegen! Das ist mir interessanterweise beim Spielen erst gar nicht aufgefallen, weil ich wohl schon komplett verdrängt hatte, wie nervig das im Original war. Erst ein Kollege, der es zeitgleich spielte, wies mich darauf hin, dass man sich damals ja immer irgendwo abstoßen musste und dann nur in einer geraden Linie bis zur nächsten Wand bewegte. Das alte System mag zwar die realistischere Variante sein, machte die Schwerelosigkeit aber spielerisch ziemlich anstrengend…
Was ich von Isaacs neuer Gesprächigkeit halte, weiß ich gar nicht so genau. Grundsätzlich stört es mich nicht und es ist auch irgendwie logisch, weil er in der Original-Reihe ja auch ab Teil 2 plötzlich sprechen konnte. Andererseits fand ich den stummen Isaac, den man nur Atmen hört, gerade im ersten Spiel atmosphärisch auch sehr passend. Anders als Gordon Freeman, der gerade in Half-Life 2 ständig mit anderen Figuren agiert und angesprochen wird, aber nie ein Wort sagt, was sich für mich immer super-seltsam anfühlte. Anyway, irgendwie hat mich die Synchro an sich nicht richtig überzeugt. Zumindest auf Deutsch hat Isaac Clarke für mich durch sein Gelaber ein wenig an Charakter verloren, weil sowohl seine Stimme als auch seine Dialogzeilen nicht so wirklich toll sind. Da fand ich ihn stumm fast besser…
Du sagtest, dass Dead Space auch im Remake kein geschwätziges Spiel sei. Da muss ich etwas widersprechen, allerdings nicht weil Isaac nun spricht, sondern weil das Spiel selbst einem nun viele Story-Details direkt ins Gesicht schmiert, die das Original eher vage im Raum stehen ließ. Es werden, teilweise durch die neuen Nebenmissionen, aber vor allem durch Kendra Daniels, sogar einige Dinge bezüglich Unitology und des Markers enthüllt, die in der Original-Reihe erst im zweiten Teil klarer wurden…
Das ist nicht wirklich tragisch, aber nimmt dem Remake etwas seiner Event Horizon-artigkeit und kratzt für mich schon ein klein wenig an der (immer noch großartigen) Atmosphäre. Diesbezüglich hat das Original für mich immer noch die Nase vorne, aber das liegt vermutlich einfach daran, dass Dead Space von seinen Machern 2008 als einzelnes Spiel und nicht als Serie gedacht wurde.
Urs: Da nennst du einige wichtige Punkte. Wie oben schon erwähnt, weiß ich einige Sachen aus dem Original nicht mehr. Daran, dass man sich in Schwerelosigkeit nicht frei bewegen konnte, habe ich mich erst wieder erinnert, als ich es in einem Digital-Foundry-Video gesehen habe. Auch bei den Story-Veränderungen bin ich mir unsicher. Ich weiß noch, dass alles etwas nebulöser war, aber die Details habe ich vergessen. Und ich bleibe dabei, dass es definitiv kein geschwätziges Spiel ist, auch wenn wir vielleicht etwas zu hören und zu lesen bekommen. In der Hauptsache bewegt sich Isaac immer noch stumm durch die Ishimura. Zwischensequenzen bleiben eher selten und wenn überhaupt finden wir die unvermeidlichen Audiologs, oft aber auch nur Geschriebenes. Das alles können wir mitnehmen, müssen es aber nicht. Dass die Nebenquests neu sind, habe sogar ich direkt gerafft. Die sind tatsächlich nicht spektakulär, aber immerhin geben sie uns einen Grund, uns noch länger durch das schicke Schiff zu schlagen und belohnen uns durch Loot.
Insgesamt möchte ich behaupten, dass meine Probleme, das Remake vom Original sauber zu trennen, nicht nur in meinem mäßigen Gedächtnis begründet liegen. Dead Space schafft nämlich das, was ich, wie ich nicht müde werde zu betonen, von allen Remakes will: Es liefert mir eine Version des Spiels, die sich so spielt, wie ich mich an das Original erinnere. Und unsere Erinnerung ist ja gerade bei Klassikern immer verklärt. Und ein Spiel von früher (als alles besser war) auszugraben, nur um festzustellen, dass es schlecht gealtert ist, tut jedes Mal ein bisschen weh. Was kann es da schöneres geben, als Fassung der geliebten Vorlage, bei der die Ecken etwas abgeschliffen und neue Farbe drüber gepinselt wurde? Wer mich kennt, weiß, dass ich grundsätzlich immer Verständnis für alles habe. Aber wer Dead Space liebt und das Remake doof findet, ist meines Erachtens selber doof. Oder hasst Remakes. Oder hasst EA. Oder hat einfach eine andere Meinung als ich, was definitiv auch ein Makel ist. Ich jedenfalls wäre überrascht, wenn sich dieses Spiel Ende des Jahres nicht in meiner Top drei wiederfinden würde. So, jetzt muss ich aber los. Bin mitten im New Game Plus und ich habe das Gefühl, dass das nicht mein letzter Durchgang sein wird…
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