Fitness, ohne vor die Tür zu gehen! Ein Traum für Couchkartoffeln wie mich, die eine Sportmitgliedschaft nicht nutzen, wenn sie dafür in eine Bahn steigen müssten, und die beim Anblick anderer schwitzender Menschen eher Würgereiz als Trainingslust bekommen. Ein Hoch daher auf Nintendos altbewährte Fuchtelkonsolen, die gerade jetzt mit der Switch so richtig zeigen, was es beim Fitnessgaming alles an spannenden Sachen geben kann. Just Dance mit JoyCons? Cool, klappt und bewertet die eigenen Bewegungen ordentlich. Ring Fit Adventure? Wahrscheinlich die Königsklasse der Fitnessgames, auch wenn man zusätzliches Equipment braucht. Weniger bekannter Kleinkram wie Zumba oder Knockout Home Fitness bedient Nischen, die man als echter Gamer™ gar nicht kennt, weil man niemals im eShop, geschweige dem im stationären Handel, drüber stolpern würde. Alles eigentlich viel besser als sein Ruf, und würde man mit den Möglichkeiten von Fitnessgames, auch wenn sich diese speziell auf die Switch beschränken, offener werben, könnte man wohl manchem Spielegegner den Wind aus den Segeln nehmen.
Was man mit einem Gyrosensor in jeder Faust noch gut simulieren kann? Klar, Boxen natürlich. Aber bitte, bitte, die Sicherheits-Straps anbringen, sonst ist der Fernseher hin. Fitness Boxing existiert schon seit 2018, doch nun hat der japanische Entwickler Imagineer eine seltsame und doch seltsam passende Spin-Off-Version veröffentlicht: Fitness Boxing Fist of the North Star. Klar, was passt besser, als ein Manga-Universum, bei dem Schläge Körper explodieren lassen können, um den eigenen Oberarm anschwellen zu lassen? Das Anime-Setting ist rein kosmetisch, und doch funktioniert es. Hätte ich nicht mit gerechnet, da mein einziger Berührpunkt mit Fist of the North Star bisher das Videospiel auf Basis der Yakuza-Titel war. Aber nach den täglichen Trainings noch einigen Banditen in einer Battle-Stage auf die Schnauze zu hauen, dabei neue Trainerfiguren freizuschalten und denen neue Klamotten und neue Trainingssongs zu kaufen, hat etwas, das mir ein typisches Trainingsprogramm mit flächigen Figuren, wie man sie schon aus Wii Fit kennt, nicht bieten kann. Allein, dass ich den täglichen Stempel nach dem Training dadurch vergebe, dass ich einem Rüpel die Rübe einschlage, macht mich glücklich.
Es gibt eigentlich kaum Dinge über dieses Spiel zu erzählen, die der Titel nicht schon klar macht. In unterschiedlichen Spielmodi kann man hier boxen, und zwar so richtig, denn Fitness Boxing will wirklich, dass man die echten Schlagmanöver lernt und sauber ausführt. Die Intention ist super, leider ist die Umsetzung nicht ganz so gut gelungen, weil ein gutes Stück zu wenig erklärt wird. Deswegen besteht der Rest dieses Artikels jetzt auch aus einem Tutorial für die Sachen, die einem das Spiel nicht erklärt. Weil es schade wäre, wenn einer der wahrscheinlich besten Titel im “Beweg deinen Arsch vor der Konsole”-Genre untergeht, weil ihm ein paar Tutorialboxen fehlen. Wenn ihr Bock auf Boxen unter Anleitung habt und dafür nicht aus dem Haus wollt, kauft euch Fitness Boxing (es muss ja auch nicht unbedingt die Anime-Version sein). Wenn ihr dann mit dem System nicht ganz klarkommt, schaut nochmal hier rein und guckt, ob meine Anleitung euch weiterhilft. Oder lest sie zuerst, keine Ahnung, ich hab euch nichts zu sagen.
Ein kleines Tutorial für Fitness Boxing: Fist of the North Star
Fitness Boxing funktioniert, wie richtiges Fitnessboxen auch, nach dem Rhythmusprinzip. In einer der beiden Grundstellungen – Orthodox mit dem linken Fuß vorne, Southpaw mit dem rechten – verlagert man das Gewicht rhythmisch mit der Musik von einem Fuß auf den anderen und zurück. Die Hand, deren gleichseitiger Fuß vorne ist, ist die Führhand: Sie schlägt vor allem sogenannte Jabs, schnelle, kurze Schläge, und weniger kräftige Versionen von komplizierten Manövern. Die Hand mit dem hinteren Fuß ist die Schlaghand, die dank der schrägen Körperstellung über eine Drehung von Hüfte und Schulter ordentlich Kraft in den Schlag legen kann – und die durch den vollen Körpereinsatz auch für den Fitnessaspekt verantwortlich ist. Damit alles schön ausgeglichen ist, wechselt Fitness Boxing immer brav nach genau der Hälfte einer Übung von Orthodox in Southpaw oder andersherum.
Da die Kommandos für die Schläge genau auf den Rhythmus, die Fußstellung und die Gewichtsverlagerung ausgelegt sind, ist es enorm wichtig, das System dahinter zu verstehen und den Rhythmus beizubehalten. Leider erklärt sich das Spiel nur insoweit, dass man auf Gewichtsverlagerung achten muss, aber nicht, wie genau. Deswegen hier eine detaillierte Erklärung für die, denen Fitness Boxing ebensolche Probleme bereitet hat wie mir am Anfang.
Also: Fitness Boxing zeigt jederzeit an, auf welchem Fuß das Gewicht sein muss – wenn man sich aber auf die Anzeige verlässt, ist man viel zu spät dran. Man muss daher die Muster lernen, die das Spiel verlangt. Dabei nennt es den vorderen Fuß eins oder vorne, den hinteren zwei oder hinten. Klingt simpel, der Hinweis lohnt sich aber. Vor allem, weil manche Moves zweideutig benannt sind, wofür das Spiel aber nichts kann, weil das beim Boxen nunmal so ist. Ein linker Haken ist nicht immer ein Haken mit der linken Hand, sondern ein Haken mit der Führhand, auch wenn diese dank Southpaw-Stellung die rechte ist. Im Menü steht dennoch linker Haken, weil rechter Haken den deutlich kraftintensiveren, mit der Schlaghand ausgeführten Haken meint. Unnötig kompliziert? Klar, ist ja auch ein Wettbewerbssport.
Man wippt im Spiel also rhythmisch mit der Musik mit. Eins, zwei, eins, zwei – vorne, hinten, vorne, hinten. Geschlagen wird immer mit nach vorne verlagertem Gewicht, also immer auf eins. Je nach Kombo heißt das, dass man mehrere Beats auf der eins, also nach vorne verlagert, bleibt und dort ‘wippt’, während man zuschlägt.
Wenn man nach mehreren Schlägen anschließend zurück auf die zwei verlagert, obwohl man laut Rhythmus gerade auf einer eins stehen müsste, muss man hinten auf der zwei ausgleichen, indem man einmal wippt. Der normale Rhythmus wäre dann eins, zwei, eins, zwei, aber da man für zwei Takte auf der eins geblieben ist, muss man nun zwei Takte auf der zwei bleiben: eins, eins, zwei, zwei. Danach geht’s wieder normal weiter: eins, zwei, eins, zwei, oder was die nächsten Schläge eben verlangen.
Das Ausgleichen entfällt allerdings, wenn man trotz längerem Verbleib auf der Eins wieder auf einer regulären Eins landet. Man fällt dann sofort zurück in den normalen Rhythmus. Sieht dann so aus: Eins, eins, eins, zwei statt eins, zwei, eins, zwei – zwischendurch anders, aber auf demselben Endpunkt. Und dann weiter mit der Eins. Das wird im Spiel nie erklärt, aber vorausgesetzt, da die späteren langen Kombos nahtlose perfekte Gewichtsverlagerungen verlangen, sonst verpasst man die Schläge.
Mehr ist es dann auch gar nicht – wir reden hier immer noch davon, eine geballte Faust mit Kraft nach vorne zu schmeißen, allzu viel Komplexität passt da nicht rein. Aber ohne diese Hinweise kann es ganz schön frustrierend sein, ständig Schläge zu verpassen, weil man nicht schnell genug mit der Verlagerung der Körperhaltung hinterherkommt. Wenn man im Gegenzug aber versteht, wie Fitness Boxing tickt, ist das Ding eine befriedigende Art, ins Schwitzen zu kommen, auch wenn die Optik von Fist of the North Star wahrscheinlich ebenso viele abschreckt wie anzieht.
Das Muster für Fitness Boxing Fist of the North Star wurde mir von Imagineer kostenlos zur Verfügung gestellt. Ich wurde gebeten, den folgenden rechtlichen Absatz einzubauen, also tue ich das mal: Fitness Boxing Fist of the North Star ist ©2023 Imagineer Co., Ltd., ©Buronson & Tetsuo Hara/COAMIX 1983 Approved No. EB-212. Nintendo Switch is a trademark of Nintendo.
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