Wie aufregend es sein kann, „einfach“ nur geradeaus zu fahren, lehrten mich die Slightly Mad Studios damals bei Need for Speed: Shift, dem besten Need for Speed aller Zeiten. Den Kniff, den sie anwendeten, war so simpel wie genial: Und zwar wurden Bodenwellen und Gefälle unmittelbar spürbar umgesetzt. In etwa so, wie Codemasters es auch bei Dirt Rally wunderbar zelebriert. Natürlich war das Fahrgefühl immer noch nicht wirklich authentisch, aber die Herausforderung, einen Rennboliden mit exorbitanter Power stets im Zaum halten zu müssen, war aufregend und neu. Und Innovationen sind ja im Genre schon damals eher rar gesät gewesen. Bei Need for Speed: Shift ruckelte und zuckelte es, mein Adrenalinspiegel stieg bei jeder kleinen Unebenheit und Siege fühlten sich wunderbar an. Need for Speed: Shift war Arbeit, die Spaß machte.
Die Slightly Mad Studios haben seitdem einen Stein im Brett bei mir. Obwohl Shift 2 eher unausgegoren war (schlechtes Balancing) und dieses lizensierte Ferrari-Spiel ganz offensichtlich nur für das eigene Portemonnaie und nicht den Spieler entwickelt wurde. Wie dem auch sei, ein bisschen Kapital wurde für den Anschub benötigt, um mit Project Cars ein selbst aufgelegtes Crowdfunding-Abenteuer zu starten, welches das Rennsimulations-Subgenre zu neuer Blüte verhelfen sollte. Der Anspruch kam einem Gran Turismo nicht nur nahe, sondern legte noch einen drauf, weil die Konzentration mehr simulierten Rennen galt als realitätsnah konzipierten Fahrtests und Übungen.
Sicherlich war Project Cars gelungen, was bei diesen enormen Ambitionen gar nicht mal so einfach ist. Oder fällt euch ein als wegweisend angepriesenes Videospiel aus den letzten drei Jahren ein, das tatsächlich wegweisend war? Watch Dogs vielleicht, hm? Als komplettes Rennspiel war Project Cars allen Konkurrenten mindestens einen Schritt voraus — wenn nur leider nicht in seinen Teildisziplinen. Die Rennen bei Formel 1 waren in der Regel dramatischer, die Technik war es ebenso und der Verzicht auf einen klassischen Karrieremodus tat sein Übriges, um Genre-Neulinge nicht anzulocken oder sie gar zu halten, wenn sie aus Neugierde vorbeischauten. Auch innerhalb der Rennserien gab es so einige unverständlichen Qualitätsunterschiede: Umso klassischer, desto besser, war die Regel Nr. 1 und Regel Nr. 2 lautete: Finger weg von der Kart-Serie. Da passte nämlich gar nichts zusammen. Im Gegensatz zum Multiplayer-Modus: Das Niveau ist in jeder Hinsicht unerreicht. Soviel an Klasse habe ich selten gesehen. Ich befürchte, es war nicht nur alleine mein freiwilliger Verzicht auf ein Lenkrad, der dafür verantwortlich war, dass ich besonders bei längeren Rennen kaum mal einen Podestplatz ergattern konnte.
Ohne allzu großes Getöse und vollmundige Versprechen kam nun Project Cars 2 auf den Markt. Ich hoffe, das rächt sich nicht, aber ich gehe einfach mal davon aus, dass die treue Fanbase wieder zuschlägt und diese Perle der Rennsimulationen nicht links liegen lässt. Im Vergleich zum ersten Teil ist Project Cars 2 tatsächlich eine richtig sinnige und spürbare Weiterentwicklung, die Schwächen aus dem Vorgänger vergessen lässt und dem eigenen Charakter treu bleibt. Das ist keine Fifa-Phrase, ich meine das so. Ein Beispiel ist der Karrieremodus: Klassisch ist er immer noch nicht, aber er ist nun da und verbindet die Freiheit in Fahrzeug- und Klassenwahl mit einer Art Ligabaum, bei dem man sich freuen kann, wenn man am Ende der König ist. Oder man kommt nicht dazu sich zu freuen, weil man sich selbst blockiert, so wie es bei mir der Fall ist. Einerseits sehe ich es nicht ein, loosermäßig alle Hilfen einzuschalten und andererseits reiße ich auch nicht viel mit ausgeschalteten Hilfen. Wobei: Lenkhilfe und Bremshilfe gehen gar nicht.
Nun, noch setze ich auf hartes Training und professionelle Visualisierung, was bedeutet, dass ich mir den jeweiligen Kurs genauestens einpräge und mir im Geiste und in Echtzeit vorstelle, wie ich an allen vorbeiheize und glorreich meinen Sieg feiere. Ich habe ja sonst nichts zu tun. Es ist ein Bündnis von akribischer Vorbereitung mit höchster Konzentrationsfähigkeit, garniert mit meinem eisernen Siegeswillen und dem bewundernswerten Durchhaltevermögen, das alle so an mir lieben. In Wahrheit fahre ich meistens einfach drauflos und schaue mal, was dabei so rumkommt. Dabei drücke ich mir die Daumen, dass eine überraschend steile Lernkurve vom Himmel fällt.
Project Cars 2 ist, man kann es erahnen, ein verdammt schweres Spiel — vor allem für Prolls wie mich, die gerne mit vollen Tempo in Kurven heizen … um dann mal zu schauen, wie man da wieder heil herauskommt. Timing und (Selbst-)Kontrolle sind Trumpf und leider kann ich beide Karten noch nicht wirklich ausspielen.
Darüber hinaus grenzt es an Selbstverleugnung, wenn ich mir versuche einzubilden, dass ich ein Virtuose am Steuer bin und es Project Cars 2 ist, das Schwächen bei der Fahrzeugkontrolle zeigt. Dass die Steuerung schwammig ist oder das Fahrgefühl unrealistisch, beispielsweise. Nee, das funktioniert nicht. Bei der Rookie-Serie hatte ich tatsächlich den Eindruck, dass meine Anfängerkiste einfach in den Kurven nicht gut liegt, ich nichts dafür kann und es daher auch nicht meine Schuld ist, wenn ich in jeder zweiten Kurve im Kiesbett liege. Virtuell schrieb ich schon an einem Verriss über diesen Witz von einer Rennsimulation. Nachdem ich mich aber dazu bequemte, ein wenig am Setup herumzufummeln, wurde es schon besser. Ein bisschen den Schwerpunkt verlagert, an der Aerodynamik gefeilt und schon flog ich nur noch aus jeder sechsten Kurve. Anschließend befragte ich den automatisierten Setup-Assistenten in der Box und meisterte jede Haarnadelkurve ohne Probleme, sofern ich mich nicht zu blöde anstellte oder träumte.
Natürlich steigert die Möglichkeit, sich seinen Wagen schön zu basteln, die Motivation genau das ganz oft zu tun. Denn ansonsten erfährt man ja nie, wie krass man eigentlich fährt. Es bleibt dieses unangenehme Restgefühl nach einem 14. Platz, eigentlich doch der beste Fahrer gewesen zu sein, nur dass eben die olle Kiste nicht mitmachte. Allerdings bringt es wenig mit dem nackten Controller auf die Mechaniker zu zeigen, wenn man im Spiel selber der entscheidende Mechaniker ist. Die Konsequenz daraus ist unangenehm: Project Cars 2 artet in Arbeit aus, die keinen Spaß macht. Das muss nicht sein. Das Schrauben in der Box nervt mich manchmal, vor allem dann, wenn nichts bei herumkommt.
Noch ein Wort zum Multiplayer: Ich sehe weiterhin wenig Land. Kurze Sessions liegen mir mehr, bei den langen Rennen verliere ich leider viel zu oft die Geduld und starte waghalsige Manöver, die selten gut gehen. Ärgerlich ist die lange Wartezeit, die in einer Lobby verbracht werden muss. Besonders wenn man Lust hat, eine lange Session zu spielen und keine Freunde hat, die auch dazu Lust haben. Oder gar keine Freunde hat. Jedenfalls führt die Fragestellung, ob ich mehr Freude daran habe, 20 oder 25 Runden zu warten, bis das nächste Rennen ansteht, dazu, dass ich es gut sein lasse. Keine Ahnung, was man daran ändern kann, aber in derzeitigem Zustand muss ich mehr Zeit für eine Multiplayersession mitbringen als ich darin investieren mag.
Das ist aber kein Beinbruch. Im Soloplayer-Modus gibt es in Project Cars 2 mehr als genug zu tun. Codemasters (die ich schon auch schätze, so ist es ja nicht) hätten sich bei Dirt 4 wie auch beim aktuellen Formel 1 in Umfang und Qualität einiges von den Slightly Mad Studios abschauen können. Wo man bei Codemasters mit der Lupe nach wirklich relevanten, spürbaren Verbesserung an ihren (natürlich auch guten) Spielen suchen muss, ist Project Cars 2 ein verdammt rundes Paket geworden, an dem — bis auf den Multiplayer — jeder Modi wie auch das Gameplay verbessert wurden. Vom Anspruch mal ganz zu schweigen. Jedoch: Bei Need for Speed: Shift waren die Geraden schwieriger zu fahren und die Kurven leichter. Und das Fahrgefühl brutal gut. Project Cars 2 ist dafür herausfordernd. Im Sinn von authentisch herausfordernd, also mit der Möglichkeit verbunden, tatsächlich scheitern zu können und das ist doch mal eine gute Meldung.
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