„Ja, das haben wir, hehehe. Aber da brauche ich einen Altersnachweis, das ist ein bisschen härter, hehehe…“
Klar, Altersnachweis schicke ich direkt. Ich bin zwar erst zwölf oder so, aber was soll es. Tatsächlich war ich drauf und dran, eine Kopie des Persos meines Vaters nebst gefälschter Unterschrift an diesen etwas dubiosen Computerspielversandhandel zu schicken, um Leisure Suit Larry in the Land of the Lounge Lizards zu bestellen. Warum ich es dann nicht getan habe, kann ich nicht sagen. Es war sicher kein irgendwie geartetes Unrechtsbewusstsein. Vermutlich hatte ich dann einfach kein Geld oder ich war zu faul, den Brief abzuschicken. Irgendwie so. Vielleicht lag es auch daran, dass ich dann Larry 2 und/oder 3 für den Amiga bekommen hatte und feststellen musste, dass mein rudimentäres Englisch nicht für den Parser ausreichte. Es war ein frustrierendes Erlebnis und da das Internet vor 30 Jahren noch nicht so richtig existierte, hatte ich auch keine Komplettlösung. Mit dem ersten Larry hätte ich entsprechend wohl noch weniger Spaß gehabt, da ich den Humor null gerafft hätte und die Grafik auch eher aussah wie aus dem Basic-Kurs an der Volkshochschule. Dabei wollte ich doch nur nackte Brüste sehen oder was auch immer so ein piefiger Provinzteenager in dem Alter eben möchte.
Leisure Suit Larry: Wet Dreams Dry Twice ist meine erste Erfahrung mit einem Spiel der Reihe, seit diesen glorreichen Klemmi-Tagen. Das erscheinen der zahlreichen anderen Teile und (vor allem) Ableger, registrierte ich aufgrund Desinteresses nur am Rande. Doch als ältlicher Herr mit akuten Videospielvergangenheitsromantisierungstendenzen dachte ich mir „Larry, why eigentlich not!“ und fragte einen Key an. Dass die Reihe inzwischen keine Verbindung mehr zum Schöpfer Al Lowe hat, konnte dabei nicht schaden, da dessen Altherrenhumor inzwischen selbst für mich zu oll ist. Aber Sierra gibt es nicht mehr, nach deren Übernahme hatte Activision die Larry-Rechte an Codemasters verkauft, welche diese wiederum an Kleinstpublisher Assemble Entertainment lizensierten. Entwickelt wurde Wet Dreams Dry Twice vom ebenfalls deutschen Entwickler CrazyBunch, was wenig wundert, denn ganz ehrlich: Wer bringt in unseren Zeiten noch Adventurespiele mit Pimmelhumor auf den Markt? Richtig: Deutsche.
Und ja, Pimmel gibt es im aktuellen Larry reichlich. Nicht nur die Dialoge sind praktisch ein einziger, nicht enden wollender schlüpfriger Witz. Auch die Umgebungen sind reich an Phallussymbolen. Zwar ist das alles wenig raffiniert, erfreulicher Weise schafft es das Spiel aber, über weite Strecken nicht ins Sexistische oder Ultra-Peinliche abzugleiten und beschert einem, ein schlichtes Gemüt wie das meine Vorausgesetzt, immer wieder Grund zum Schmunzeln. Tatsächlich gibt es manche recht clevere Anspielung auf Internet- und Nerdkultur sowie ungefähr zehntausend Adventureklassiker-Zitate, von Monkey Island bis zu Space Quest. Zudem bekommt der im Spiel buchstäblich aus den 80ern in unsere Gegenwart katapultierte Larry ein ums andere Mal auch sein Fett weg und wird mit der Antiquiertheit seiner Ansichten konfrontiert. Dass sich ein Dauerfeuer aus Schwanz- und Titten-Witzen trotz alledem nach relativ kurzer Zeit etwas abnutzt, ist klar. Allerdings ist Wet Dreams Dry Twice durchaus mehr als ein Kondensat aus einer Million Schulhofwitzen. Es ist vor allem ein ziemlich kompetentes Adventure.
Gerade wenn wir an die alten Sierra-Klassiker oder auch die unvergessenen Lucas-Arts-Perlen denken, mischt sich in die Nostalgie eine bittere Note von Frust und Hilflosigkeit. Sierra liebte es, Spieler:innen bzw. ihre Avatare tausend Tode sterben zu lassen. Lucas Arts verbannten den Tod sehr früh aus ihren Spielen, geißelten die Menschheit aber mit zahlreichen unlogischen Rätseln. Und auch hier zitiert Larry fleißig. Gestorben werden kann gelegentlich, allerdings ist das eher eine Verneigung vor den Sierra-Originalen, als wirklich frustrierend. Es gibt sogar ein Achievement für das finden aller Todesarten und man wird nach jedem Ableben mit der Wiedergeburtsanimation aus dem Original belohnt. Die Rätsel bleiben grundsätzlich nachvollziehbar und übertreffen auch damit viele der Vorbilder. Trotzdem begegnen uns gelegentlich Ausreißer in Richtung Moon Logic. Das ist nie so schlimm wie in Escape from Monkey Island, aber schlimm genug. Dass es durch die Hotspot-Funktion nie zu Pixelhuntig kommt, ist hingegen erfreulich.
Erfahrene Adventurespieler:innen werden womöglich keine großen Probleme damit haben, sich auch durch die bananigsten Rätsel durchzuwurschteln. Das kann ich nicht zweifelsfrei beurteilen, denn als Ungeduldsmensch hatte ich durchgehend das Smartphone mit Komplettlösung im Anschlag. Aber das ist eben meine Art. Was hingegen niemand gut oder auch nur tolerabel finden kann, sind die Labyrinthe im letzten Teil des Spiels. Nicht einmal, nicht zweimal, nein, drei fucking mal dürfen wir uns durch immer gleich aussehende Räume klicken bzw. schleppen. Das System, nach dem das abläuft, haben die Entwickler vermutlich für clever gehalten, für mich war es aber nur schlimm. Auch hier hat mir die SSD der Xbox wieder gute Dienste geleistet: Dank exzessiven Save Scummings bin ich durch diese Passage gekommen, ohne meinen Verstand völlig zu verlieren.
Das Ende ist spielerisch insgesamt zäh und schmälerte meinen bis dahin durchaus positiven Eindruck. Aus Spoilergründen möchte ich nicht genau darauf eingehen, aber man hat das Gefühl, dass hier Spielzeit geschunden werden soll. Und das ist etwas, das Wet Dreams Dry Twice definitiv nicht nötig gehabt hätte, da es ein umfangreiches Adventure ist. Dass ich es trotz allem durchgezogen habe zeigt aber, dass es trotz der eklatanten Mängel durchaus gelungen ist. Der Humor dürfte vielen nicht besonders schmecken, aber mir gefiel er durch das Aufbrechen der Machismo-Klischees streckenweise sehr gut. Dass die meisten Frauenfiguren im Spiel massiv übersexualisiert dargestellt werden, ist weniger lustig. Dafür agieren sie aber in der Regel sehr kompetent, wodurch ein ums andere Mal deutlich herausgestrichen wird, was für ein lächerliches Würstchen Protagonist Larry doch ist. Das funktioniert mal besser, mal schlechter, hebt das Ganze im Mittel aber auf ein erträgliches Niveau.
Wet Dreams Dry Twice ist kein überragendes Spiel, kein Meisterwerk von einem Adventure und inhaltlich gelegentlich auch nicht unproblematisch. Ich fühlte mich trotzdem über weite Strecken gut unterhalten. Und das ist mehr, als ich von den meisten Videospielen inzwischen erwarte.
2 Kommentare
Ich hatte meinen ersten Kontakt mit Love for Sail, den siebten (eigentlich ja sechsten) Teil. Auch noch nicht 16, aber der verkaufe bei Media Markt hat zum Glück nicht genau hingesehen. Die Loungemusik auf dem Schiff und das „Yeah, Baby“ bei gefundenen versteckten Dildos in Waltheroptik habe ich immer noch im Ohr. Umso mehr tut mir diese neue Optik des Larry in den Augen weh. Das ist so ähnlich wie der moderne, schärfere und hässlichere Guybrush als Schlacks.
Ich bin noch nicht beim Labyrinth angekommen, aber irgendwie habe ich so meine Schwierigkeiten mit dem, nennen wir es mal Rätseldesign.
Punkt eins: Es gibt, in meinen Augen extremes, Pixelhunting auf der Aussichtsplatform. Und mit dem Stick Gegenstände einigermaßen genau anzupeilen oder zu platzieren, klappt mäßig gut. (Man hätte auch beim Größen-/Nummernrätsel eine andere Farbe als dunkelrosa und hellrot nehmen können.)
Punkt zwei: Es fehlen einfach manchmal Hinweise. Warum soll man nach dem Schwein suchen als Ersatz-Swingle, wenn man den Aufblas-Heini im Inventar hat? (Ja, lässt sich mit dem Ersatz-Anzug nicht kombinieren. Hier wäre doch ein „es braucht ein kleineres dickeres grunzendes Etwas, damit es passt“ angebracht gewesen statt dem Standard „passt nicht“.) Wie kommt man auf die Idee nach einer Planke im offenen Meer zu suchen, wenn man dort zuvor schon ein Game Over gefunden hat?
Punkt zwei Komma fünf: Beim Anbringen des Floß-Schutzes kommentierte Larry (zwei Mal!), dass der „Motor“ das wohl nicht packen würde. Ich habe deswegen nach einem Upgrade gesucht, welches es einfach nicht gibt.
Punkt drei: Das Code-Scheiben-Rätsel drei Mal hintereinander machen zu müssen ist einfach nur lästig. Zumal sich Larry sehr gemütlich bewegt, man an der blöden Brücke gerne hängen bleibt und es immer einen Ladebildschirm gibt.
Ansonsten fällt natürlich auf, dass die Frauen in diesem Spiel Larry deutlich „wohlgesonnener“ sind, was ist nach meiner Erfahrung mit den Vorgängertiteln nicht unbedingt erwartet hätte. Ob es das Spiel dadurch aufwertet? Eher nicht.