In Deutschland bricht eine Seuche aus, Leute wünschen sich, dass sie einfach beim Nachbarn bleibt und an der eigenen Haustür haltmacht, damit sie einen selbst nicht trifft. Irgendwie auch gut, dass sie das eh nicht kann, denn man selbst ist ja besser als die anderen und somit perfekt geschützt! Trotzdem sucht man sich für alle Fälle lieber mal Sündenböcke aus, die man für den Ausbruch verantwortlich machen kann, denn irgendwer muss ja schließlich bestraft werden. Warum nicht mal die Juden? Wir schreiben das Jahr Zweitausendzw… äähh.. huch nein, wir sind im Mittelalter!
Im Pixel-Point & Click-Adventure The Plague Doctor of Wippra kommt der Arzt Oswald Keller frisch im namensgebenden kleinen Örtchen Wippra an, um seinen verstorbenen Vorgänger zu ersetzen und hat mit vielen Vorurteilen der Anwohner*innen gegenüber faktenbasierter Medizin zu kämpfen. Er entdeckt so einige Auffälligkeiten in Bezug auf die grassierende Pest und kann sich nicht zurückhalten, seine Vermutungen zur Entstehung und Heilung herum zu posaunen. Das kommt – wie auch heute noch – nicht bei allen gut an.
Trotz grob scheinender Pixel-Grafik findet man im Spiel von Alexander Leps und Application Systems Heidelberg einige liebevolle Details, die Spaß bei der Entdeckung machen, wie dass bei im Bett liegenden Leuten auch mal süß die Füße unten aus dem Laken herauswackeln. Aber leider kann man auch hier nicht einfach den ganzen Morgen liegen bleiben, irgendwann muss man den Doktor aufstehen lassen und dann geht das ganze Übel namens Tag los. Er muss sich mit den Dorfbewohner*innen rumschlagen, die einfach die Häuser ganzer Familien zubrettern, damit sie niemanden anstecken (da war noch nichts mit Eigenverantwortung). Ein Mob bewacht den Brunnen, damit er nicht von Juden vergiftet wird und lässt sich dabei auch nicht von Fakten verwirren, denn ganz offensichtlich ist alles einfacher als Masken zu tragen!
Insgesamt taucht man in dem etwa zwei bis drei Stunden kurzen Spiel ordentlich durch einiges an Glaubenssätzen der Zeit durch, sei es nun bei Luthers Gewürzhändlerin, die einem den neuesten Gossip erzählt oder bei einem Bauern, den man mit super Argumenten dazu überreden muss, sein Geld lieber sinnvoll in einen selbst zu investieren als in einen Ablassbrief. Na, ob das wohl eine gute Idee war? Das wird sich dann noch rausstellen. Denn nicht nur sein Verhalten in der Öffentlichkeit, sondern auch sein Umgang hinter verschlossenen Türen mit den Quasikolleg*innen – also den Nonnen – und mit seinen Patient*innen (denn für die ist er ja eingestellt worden) beeinflussen, wer und ob überhaupt jemand am Ende für Oswald einstehen wird.
Unabhängig von den Optionen, die für ihn selbst offenstehen, hinterlässt er überall, wo er hingeht, kleine Fußabdrücke und kann selbst auf der Flucht vor dem Gesetz noch entscheiden, wie er anderen gegenübertreten möchte: Geht es ihm mehr um seinen eigenen kurzfristigen Vorteil oder doch eher um Andere, ums Prinzip, ums große Ganze. Und ja, pathetisch, dies das. Aber als jemand, deren Namen später sicher nicht in Geschichtsbüchern auftauchen wird, gefällt mir die Vorstellung, trotzdem im Kleinen die Welt verändern zu können.
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