Eigentlich wollte ich mit meinem Splinter Cell: Conviction-Review ja ausnahmsweise mal wieder warten, bis ich das Spiel tatsächlich komplett durchgespielt habe, aber irgendwie fehlt mir momentan die Motivation, mich nochmal hinzusetzen und Sam Fishers aktuelles Abenteuer zu einem Ende zu bringen. Da ich nicht annehme, dass sich an dieser Einstellung nach dem ersten Einlegen von Alan Wake und Split/Second in der nächsten Woche noch grundlegend etwas ändern wird, kann ich also auch genauso gut jetzt schon meine Meinung zu Conviction in die Tasten hämmern.
An der grundsätzlichen Spielmechanik wird sich ja nichts mehr großartig ändern in der letzten Stunde und von der Story ist sowieso schon während des Spielens nicht das Geringste hängen geblieben. Außer dass Sams Tochter noch lebt und Grimsdottir eine Verräterin zu sein scheint.
Oops, da hätte eine Spoilerwarnung stehen sollen, oder? Hrrr, hrrr.
Story? Welche Story?
Womit wir auch schon bei einem Grundproblem wären, dass ich bislang mit jeden Splinter Cell, bzw. genau genommen mit jedem Tom-Clancy-Franchise-Game hatte: die völlig sinnbefreite, hirnlos-pathosbeladene Dumpfstory, die nicht weiter denkt als all die bösen Buben in ihr zählen können. Also höchstens bis drei. Tom Clancy würde sich im Grab umdrehen, wenn er denn schon tot wäre. Vermutlich hat er sich – zu seinem Glück – noch kein einziges Spiele-Script angeschaut, geschweige denn durchgelesen, dass unter seinem Namen in die Öffentlichkeit gerotzt wurde. Denn im Gegensatz zu „seinen“ Spielen kann man seine Bücher sehr wohl ganz gut lesen und die Stories sogar noch ausgezeichnet im Gedächtnis behalten.
Bücher wie Red Storm Rising, Jagd auf Roter Oktober, The Sum of all Fears und all die anderen Jack Ryan Romane kann man nämlich, entgegen der landläufigen Meinung, ohne weiteres lesen und gut finden – Pathos hin oder her. Der Mann versteht es einfach, zumindest realistisch erscheinende Szenarien mit soviel Leben und Spannung zu füllen, dass sie einem durchaus plausibel erscheinen; auch wenn dann vieles doch zu sehr auf eine mögliche Action-Verfilmung durch Hollywood ausgelegt scheint.
Splinter Cell: Conviction ließe sich vermutlich ebenfalls gut als Action-Movie aufbereiten und als Hintergrund-Bespielung für eine kurzweilige Popcorn-Befütterung nutzen. Viel hängen bliebe jedoch vermutlich trotzdem nicht.
Sam Fenix & Marcus Fisher
Doch kommen wir doch lieber zu des Pudels Kern, der eigentlichen Spielmechanik, statt uns mit solch völlig überbewerteten Faktoren wie mitreißenden Handlungs-Verläufen zu belasten.
Wer Splinter Cell kennt und mehr als einen Teil gespielt hat, wird dies wohl vorrangig aufgrund der an und für sich recht gut gelungenen Schleichspiel-Mechanik getan haben. Die war zwar auch in älteren Teilen schon durchaus kaputt, weil die ach so vielfältigen Möglichkeiten, die uns die Entwickler vorgaukeln wollten, immer nur an den Stellen zum Einsatz kommen konnten, an denen sie auch tatsächlich vorgesehen waren, aber alles in allem hatte ich doch einen nicht unerheblichen Spaß an Pandora Tomorrow, Chaos Theory und Co.
Für Conviction nun wurde das gesamte Spielprinzip einfach mal über den Haufen geworfen und stattdessen ein leidlich missratener Shooter gestrickt, der einem zwischendurch die Handlungsoption des Schleichens an die Hand gibt – nicht, ohne einem diesen Teil des Spiels so uninspiriert und unmotiviert wie möglich zu präsentieren, um uns möglichst lang auf dem ausgetretenen Action-Pfad zu behalten.
Ausgeschaltete Gegner aus dem Weg ziehen, damit die völlig verblödete Gegner-KI die restliche Pappkameradschaft nicht einfach so über liegengelassene Leichen stolpern und Alarm schlagen lässt? Fehlanzeige. Ein guter Überblick über das Spielgeschehen, sobald man sich in dunklen Bereichen aufhält um nicht entdeckt zu werden? Ebenfalls Fehlanzeige.
Anstatt den aktuellen Tarn-Grad Fishers wie gehabt mittels eines Lichtsensors am unteren Bildschirmrand anzuzeigen, schaltet Conviction lieber die komplette Szenerie in einen hässlichen Schwarz-Weiß-Modus um, der einem praktisch jeglichen Überblick raubt. Dunkle Schächte und mögliche Alternativrouten zum angepeilten Ziel werden so nahezu unsichtbar für den Spieler und man folgt brav dem Pfad des Geballeres, statt unnötig Zeit mit strategischen Wegplanungen zu verbringen.
Der Levelaufbau erinnert dabei so manches Mal an das hierzulande indizierte Gears des Krieges (wie Google Translate den indizierten Epic-Shooter von Cliffy B. lustigerweise übersetzt) und präsentiert Unmengen von gestaffelt angeordneten Barrieren, hinter denen man sich verschanzen und gemütlich alles wegballern kann. An manchen Stellen hätte es mich nicht weiter gewundert, hätte Sam Fisher plötzlich eine Kettensäge an sein Gewehr geflanscht. Richtig unangenehm fällt die spielerische Verwandschaft zu Epics Brutalo-Shooter im Irak-Level auf, der bei hellstem Tageslicht auf stumpfe Haudrauf-Action ausgelegt ist.
Kommt es in den restlichen Spielabschnitten dann doch mal zu Situationen, in denen die Gegner zahlenmäßig überlegen sind und stupides Geballere zu keinem befriedigenden Ergebnis führt, hockt man sich kurzfristig doch mal in den Schatten, erledigt einen Gegner, der sich gerade fein säuberlich unter einem Lichkegel positioniert hat und wartet genüsslich im Dunkel lauernd darauf, dass nach und nach weitere Gegner angelaufen kommen, die sich praktischerweise ebenfalls gemütlich erschießen lassen und sich so schon bald zu einer ganz ansehnlichen und gut ausgeleuchteten Idioten-Pyramide türmen lassen.
Das sieht lustig aus, gleicht aber vom spielerischen Nährwert-Standpunkt aus betrachtet ungefähr stinkender Luft.
Der stinkende Rest
Über Originalität und Unterhaltungswert des kooperativen Zweispieler-Parts hüllen wir lieber ganz den Mantel des Schweigens. Was storytechnisch als Prequel zur Haupthandlung angelegt ist, bleibt ungefähr genauso gut im Gedächtnis hängen wie… errrrmmm… die Haupthandlung. Also gar nicht. Ansonsten präsentiert sich praktisch jeder Koop-Level nach dem gleichen Prinzip: Abschnitt infiltrieren, lautlos alles umgehen oder ausschalten, zu einem Zielpunkt vordringen, zwischendurch jemanden völlig sinnlos mit glühenden Schürhaken Herdplatten foltern und am Ende feststellen, dass man sich das Schleichen auch hier hätte sparen können, da der Level in einem reinrassigen Shootout endet, das einem keinerlei andere Möglichkeit lässt als seine Magazine zu leeren.
Nee nee, danke Ubi, so war das irgendwie nicht gedacht. Aber sowas kommt wohl dabei heraus, wenn ein Entwicklerteam ein neues Spielprinzip für ein altes Franchise entwickelt, das dann aber für ein komplett anderes Spiel herhalten muss, damit Jade Raymond ihr hübsches Gesicht in die Kamera halten kann, um zu behaupten, sie hätte da etwas ganz tolles entwickelt. Also fängt die nunmehr frustrierte erste Abteilung an, ein unmotiviertes neues Splinter Cell Konzept zu entwickeln, während die Assassin’s Creed Macher sich ins Fäustchen lachen – und der Spieler am Ende gleich mit zwei völlig missratenen Spielen beglückt wird, statt nur mit einem (wir erinnern uns: die ersten Trailer von Conviction erinnerten noch sehr an das, was Assassin’s Creed später im Kern ausgemacht hat. Crowd Control und so. Leider haben Raymond und ihr Team damals vergessen, um den technischen Aspekt herum noch ein schönes Spielprinzip zu basteln. Nunja…).
Was am Ende also bleibt ist ein (glücklicherweise) sehr kurzes Spielerlebnis, das sich trotzdem sehr nach jeder Menge vertaner Lebenszeit anfühlt.
7 Kommentare
Also ich habe es gestern durchgespielt und kann Dir in den meisten Punkten leider nur rechtgeben.
ABER!
Optisch ist es wirklich toll. Die Erzählform (abgesehen von der Story), der Style, die Kameraschwenks, die detailverliebten Locations wie der Jahrmarkt oder die Pressewägen vorm White House, die machen wirklich Spaß und Eindruck. Und als reines Action-Spiel, wenn man vergisst, dass es ein Splinter Cell ist, macht es durchaus eine Weile Spaß…
Was mich allerdings am meisten ärgert ist wirklich der verbockte Multiplayer. Splinter Cell hatte stets das kooperative Spielen miteinander geprägt und evolutioniert mit jedem Vorgänger – diesmal leider die völlige Nullrunde.
Schade, sehr Schade.
Ach ja: Sams Feinripp-Pulli ist schön. Den hätte ich auch gerne.
(Das schreibe ich, weil Manu meckert dass ich nur meckere ;-))
wir findens geil. ist kein chaos theory und das ist auch gut so. trotzdem kommt gerade beim 2ten gameplay noch mehr freude auf. uns gefällt das dunkle und die optik auch wenn die KI hohl ist wie sau (menschen halt :-) . in einer sache geben wir dir recht: die amerikaflagge hängt recht hoch und wenn figuren miteinander agieren wirken sie wie reingestannzt in die story
[quote]wir findens geil.[/quote]
“Ihr” seid ja auch Spinner. Und zwar nicht nur weil dir das Spiel gefällt, sondern auch weil du 3 Persönlichkeiten in einen Nick packst.
Wie funzt das eigentlich wenn du mit einer deiner anderen Persönlichkeiten im Coop zockst? :P
Ja Christian, wir haben das ja schon im Podcast alles mal so ange(ver)rissen. :D
SCC ist viel zu viel Shooter, zu storyschwach und zu amerikanisch. Ein paar Spielereien haben mir ganz gut gefallen, aber nichts was lange fesselt. Habe mir den Jagdmodus nochmal vorgenommen aber es ist dermaßen anödend, unfassbar. Und lol? (Achtung Spoiler)…
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“Ich dachte du wärst tot?!…”
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(Spoiler Ende)
Ächz…..wie schlecht!
ja, emotional läßt einen Splinter Cell wirklich VIEL zu kalt. Besagte Szene, die Jingleball anspricht war wirklich ein schlechter Witz und hat die gesamte “Story” und die Motivation hinter Sam ad absurdum geführt.
Oh, gut, ich wollte es schon kaufen. Und weil ich Feinripp nicht mag lass ich es lieber.