Lost Records: Bloom & Rage, ein Spiel, auf das ich mich sehr gefreut hab, ist es doch von den Life is Strange-Macher*innen DON’T NOD. Ein bisschen wie Stand by me nur mit Teenagermädchen und Punk behauptet so mancher, weil der Film gerne als Vorbild für alle aufregenden Teenager-Geschichten im Wald herhalten darf. Aber das würde deutlich zu kurz greifen, denn DON’T NOD erzählt hier wieder eine ganz eigene Geschichte. Teenager dürfen hier Teenager sein und auch tatsächlich so aussehen. Genaugenommen geht es um 16-jährige Mädchen in den 1990ern, die alle so ihre eigenen Nerd-Hobbys haben. Während die Protagonistin Swann vor allem mit ihrer Videokamera unterwegs ist, um kleine Alltagsdinge festzuhalten und zusammenzuschneiden, interessieren sich Nora und Autumn hauptsächlich für Punk und Skateboarden. Bei Kat ist nicht so ganz klar, womit sie gerne ihre Freizeit verbringt, weil sie sich sehr viel mit ihrer Familie herumstreiten muss. Ihr kennt das sicher. Die vier sehr unterschiedlichen Außenseiterinnen finden sich, lernen sich lieben und gründen eine Punkrock-Band, ihr ahnt es vielleicht: Bloom & Rage.
Sie treffen sich 27 Jahre später im Jahr 2022, als es gerade noch so ein paar letzte Hygienemaßnahmen gab (Good Times!) in einem für sie wichtigen Lokal. Keine von ihnen wohnt mehr im Ort, alle haben sich auseinander entwickelt. Der Grund für das Treffen: Ein mysteriöses Paket für Bloom & Rage ist eingetroffen und die Empfängerin traut sich nicht, es alleine zu öffnen. Irgendwie scheint sich nämlich keine von ihnen mehr so richtig an diesen besonderen gemeinsamen Sommer zu erinnern oder warum sie sich danach getrennt haben. In Teil 1 wird noch nicht so ganz klar warum. Die Lösung dieses Mysteriums hat man sich (hoffentlich!) für Tape 2 aufgespart. Ist der Gruppe wirklich etwas Übernatürliches passiert, wie schon im ersten Trailer angedeutet wurde oder war es doch “nur” das übliche Übel des Lebens, das in den Erinnerungen umgedeutet wurde?
Am Anfang des Spiels fiel mir natürlich richtig viel Fan-Service für Frauen in meinem Alter auf, die in den 90ern groß geworden sind. Es gibt Tamagotchis, Mix-Tapes mit Liedern von Republica, Garbage, Alanis Morissette, den Cranberries und ja, sogar den komplett unterschätzten Hole, was mich sehr gefreut hat. Science Fiction- und Romance-Bücher dürfen nebeneinander existieren und natürlich gibt es ganz viele Poster in den Zimmern. Jaja, ok, das kennt man doch alles schon aus anderen Geschichten, aber irgendwie fühlte sich die Mischung aus Nerdkram und Populärkultur hier speziell für mich angefertigt an (Is this how men feel all the time?).
Der Fokus liegt wirklich auf der Jugend der Mädchen und zwar nicht als Beiwerk von jungs-konnotierten Hobbies, sondern auf ihrem Leben, ihren Bedürfnissen, ihren Gedanken. Jede von ihnen hat eigene Interessen, mit denen sie von ihren neuen Freundinnen endlich akzeptiert wird, was als Teenager egal welchen Geschlechts echt nicht einfach ist! Die Protagonistin Swann liebt Filme und ist die ganze Zeit mit ihrer Kamera unterwegs, um ungewöhnliche Clips von Alltäglichem aufzunehmen und aus diesen danach Filme zu schneiden. Als Spieler*in kann man das tollerweise übernehmen und bekommt dann seine eigenen Filmchen angezeigt.
Diese Filmchen dreht man beim üblichen Life is Strange-Gameplay daraus, die Geschichte zu erleben, während man in ihr herumläuft und Entscheidungen trifft. Die Kamera gehört hier zur Spielmechanik dazu, denn es gibt ständig kleinere Aufgaben wie “Mache 10 Aufnahmen des Proberaumes”, die zum Glück aber nicht nervig wurden, sondern mich mehr zum Erkunden animierten. Diese wählt man mehr oder weniger selbst aus und schneidet sie später zu einem Musikvideo zusammen. Hat man mehr gemacht als nötig, kann man sogar noch ein wenig rumprobieren, was am besten zusammen funktioniert. Im Kontrast zur extrem detaillierten Spielegrafik wirken die aufgenommenen Videos tatsächlich wie 90er-Jahre-Aufnahmen, oder mit dem bösen A-Wort ausgedrückt: sehr authentisch! Vielleicht sind die gelegentlichen Pop-ins von Kleidungsschichten an den Figuren auch ein Relikt der 90er oder ein Horror-Element, man weiß es nicht! Genau so harmonisch passte sich die Musik der Freundinnen ein. Ihre ersten Lieder klingen bei der Aufnahme – und noch viel mehr beim Ausprobieren ums Lagerfeuer im Wald herum – richtig schön schlecht und trashig, auf dem Soundtrack aber professionell. Nein, Bloom & Rage sind nicht die beste Band der Welt, sie sind eine ambitionierte Teenage Vorstadt-Punkrockband, die ihre Anfänge und ihren Lebensweg sucht und dabei sehr viel Spaß und gute Ideen hat. Sogar der verhasste Gegner im Spiel muss beim Anhören der catchy Lieder zwingend mitwippen, er hat keine Wahl!
Es ist extrem liebenswert, wie die Mädchen füreinander einstehen und sich gegen alles verteidigen, auch wenn ihre Entscheidungen vielleicht nicht immer ideal sind. Ich bin sehr gespannt darauf, was im zweiten Teil der Geschichte wird, wie die Mädchen zueinander und wieder auseinander finden. Was ist das Geheimnis der gruseligen Waldhütte und können sie es lösen oder verfolgt es sie wirklich noch Jahrzehnte später? Ein bisschen mehr Klarheit über die Richtung, in die es geht, hätte ich mir zwar gewünscht, aber auch wenn ich nicht zwingend ein Fan von episodischen Spielen bin, sind gelegentliche Cliffhanger und etwas Geduld vielleicht auch mal wieder schön und passen natürlich auch sehr gut zu einer Geschichte aus den 90er Jahren. Hoffentlich hält das kommende Ende der Geschichte, was sie verspricht!
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