Was ist das eigentlich für ein kleiner schwarzer Kasten unter meinem Fernseher? Der neben dem DVD Player und der riesigen Xbox 360? An der rechten Seite ist so eine rote Lampe und die leuchtet im Dunkeln immer so schön. Liegt auch eine Menge Staub drauf. Vorne kommt ein Kabel raus und verschwindet unter dem TV Tisch. Vielleicht sollte ich da mal dran ziehen. Pfui, ein noch viel mehr verstaubter Controller kommt zum Vorschein. Was steht da? S und O und ein N und zum guten Schluss ein Y. Etwas kleiner darunter steht noch Play und Station. Sony Spielstation. Wartet mal. Ist Sony nicht die Firma mit dem Gewinneinbruch von 90%. (Haha!) Dann muss diese PlayStation wohl aus der früheren goldenen Zeit stammen. Nach den Hieroglyphen (PS2) auf der Oberseite des kleinen Kästchens zu urteilen, scheint dies die zweite Version zu sein.
Huch, und was ist dass denn hier? Yakuza 2? Wo kommt das denn auf einmal her? Ein Videospiel für diese ominöse in die Jahre gekommene Konsole? Da ist aber ein schöner roter Sticker drauf. “Keine Jugendfreigabe Gemäß § 14 JuSchG”. Das schauen wir uns doch mal genauer an.
Neu ist Yakuza 2 nur für uns alte Europäer und die Amerikaner. Im Herstellerland Japan erschien das gute Stück Software schon im Dezember des Jahres 2006. Danach dauerte es nur noch 21 Monate, bis die japanische Version nicht übersetzt und mit englischen Untertiteln und Bildschirmtexten versehen war und schon konnte der Spaß beginnen.
Yakuza 2 ist ein Sandkasten – Gangster – Alltagssimulator mit Schwerpunkt auf die japanische Gesellschaft und Prügeleien. Im groben Jetzt. Auf jeden Fall spielt man Kiryu Kazuma, Adoptivkind, ehemaliges großes Tier in der Mafia, Kampfsportler und fürsorglicher Onkel. Eine coole Sau eben. Leider ist in seinem früheren Leben, aka Yakuza 1, einiges schiefgelaufen und das darf man sich als unwissender Spieler auch in einer halbstündigen Videozusammenfassung zu Beginn des Abenteuers anschauen. Dabei kann sich schon mal an das Lesen der englischen Untertitel und Lauschen der beeindruckenden japanischen Sprachausgabe gewöhnt werden. Ausserdem bekommt man auch gleich mit, wie der Hase in Yakuza 2 läuft: zu 70% in Zwischensequenzen und Dialogen und zu 30% in Gameplay. Irgendwann darf der Spieler dann auch etwas anderes tun, als die X Taste zum Wegdrücken der Textboxen zu bearbeiten und findet sich nach dem Attentat auf einen befreundeten Mafiaboss in seiner ersten Schlägerei wieder. Hier werden fröhlich Köpfe gegen Grabsteine geschmettert und die Altersfreigabe gerechtfertigt. Dieses Attentat zieht den guten Kazuma zurück in sein altes Leben als Yakuza und uns in die folgenden Spielelemente.
Zum einen darf sich frei und fröhlich in mehreren Stadtteilen von Osaka bewegt werden. In diesem “Adventure Modus” wird mit allerlei Passanten gesprochen, die auch gerne mal eine Nebenmission eröffnen. So fand ich mich zum Beispiel in einer Spielhalle wieder, natürlich von SEGA, und sollte für einen Mann Plüschtiere aus einem Automaten ziehen, damit dieser ein neues Spielzeug für seine Katze hat. Ja, so geht das in Japan. Weitere Beschäftigungsmöglichkeiten sind Golf, einige japanische Brettspiele, einarmige Banditen, Essen und Trinken, Dates mit hübschen Damen, Videos anschauen und shoppen in allerlei Läden. Ausserdem können noch Schlüssel für Schließfächer gefunden und komische Figuren gesammelt werden. Auf die Kuriosität der herumliegenden Schlüssel möchte ich kurz genauer eingehen.
Bei seinen Wanderungen durch die Straßenschluchten der Großstadt sieht man immer wieder ein kurzes Funkeln auf der Erde. Begibt man sich zu diesem Glitzern und untersucht die Umgebung, wird ein Schlüssel gefunden, der zu einem von 50 Schließfächern gehört. In den Fächern sind meistens Medi Packs oder gerne auch Schlagwaffen untergebracht. Ich weiß nicht, was ich merkwürdiger finden soll: die herrenlos rumliegenden Schlüssel oder den Inhalt der Fächer. Was treiben diese Japaner nur?
Auch mit der japanischen Küche kann sich explizit beschäftigt werden. Dutzende Restaurants laden zum Verweilen ein und bieten einheimisches Essen an. Bestellt man sich zum Beispiel einen Okonomiyaki, so gibt es neben Lebensenergie auch einige Erfahrungspunkte. Ordentlich futtern lohnt sich also.
Trifft man auf der Straße einen feindlichen Gangster, so schaltet das Spiel in den Kampfmodus um, ähnlich wie in japanischen Rollenspielen. Diese Zufallskämpfe sind meist locker zu bestehen und dienen allein dem Aufleveln und Geld einsacken. Hat man die Gegner ordentlich vermöbelt sagen sie Sätze wie: “Let’s call it even.” und überreichen einem 5000 Yen.
Mit all diesem Gedöns habe ich mich aber nur am Rande beschäftigt. Meist ging es direkt zur nächsten wichtigen Aufgabe, um die Hauptstory voranzutreiben. Die ist zwar vollgestopft mit Mafia-Klischees und teils kitschigen Dialogen, macht aber gerade dadurch sehr viel Spaß und hielt mich über die 16 Stunden Spielzeit an der Stange. Allein das Rumrennen und Verprügeln hätte da nicht gereicht.
In den Kämpfen kämpft man nicht nur mit seinem Gegenüber sondern auch mit der mal festen, mal drehbaren Kamera. Erschwerend kommt noch hinzu, dass es keine Lock-On-Funktion gibt und so viele Kombos in der nächsten Wand landen, während der Feind einem in den Rücken fällt. Zum Glück ist der Schwierigkeitsgrad sehr moderat und mehrmals verlorene Kämpfe lassen sich in ihrer Härte variieren. Erfahrungspunkte können in neue Angriffe investiert werden, was den simplen Schlägereien ein wenig mehr Tiefe verleiht. Das Kampfsystem ist ein klassischer Brawler und so darf auch mit allerlei Gegenständen aufeinander eingeschlagen werden. Schilder, Lampen, Kisten, Stühle, Tische und ganze Bänke stemmt Kazuma in die Höhe. Auch herkömmliche Waffen wie Messer und Baseballschläger sind vorhanden. Hat man einige erfolgreiche Treffer gelandet, können brutale Fatalities ausgeführt werden. Dabei werden meistens die Köpfe der Gegner gegen Wände, Geländer, Laternen oder was gerade sonst noch in der Nähe ist geschmettert. Kein schöner Anblick.
Die geliebten und gehassten Quick Time Events sind auch wieder am Start. Für meinen Geschmack blinken die zu drückenden Knöpfe etwas zu schnell auf, aber vielleicht bin ich auch einfach weich.
Damit das nicht zu kurz kommt, will ich noch einmal die Story erwähnen. Es gibt zahllose Charaktere und zwei bis acht Handlungsstränge, die am Ende in einem großen Finale zusammenkommen. Jeder hat jeden hinters Licht geführt, alle erzählen sich, wie sie das so gemacht haben und schließlich gibt es ordentlich aufs Maul. Ganze Familien kommen zusammen und werden wieder getrennt und alles ist super dramatisch und tragisch. Als die Credits liefen und “Stille Nacht, heillige Nacht” auf japanisch gesungen wurde, da musste auch ich zum Taschentuch greifen. (Eigentlich nicht, ich habe ein wenig Staub gewischt, um mir die Zeit zu vertreiben.) Ganz wichtig ist es, sich den kompletten Abspann anzuschauen, die letzte Auflösung gibt es erst danach.
Yakuza 2 (Ryu ga Gotoku 2) ist eine große Mafiaseifenoper mit todernsten persönlichen Verwicklungen. Ein wenig wie GZSZ mit Schlagringen. Dazu bietet es noch ein übertriebenes Kampfsystem und debile Szenen, bei denen man nur mit dem Kopf schütteln kann. Ich sage nur: Faustkampf mit zwei Tigern. Wer es also gerne over-the-top mag und sich am extrem japanischen Setting erfreuen kann, dem empfehle ich diese letzte Perle für die gute alte Playstation 2.
9 Kommentare
Ha, die nächste letzte Perle ;)
Und die “Sony erleidet Gewinneinbruch”-Geschichte ist ja völlig reißerisch. Den Gewinneinbruch hatten die schon letztes Jahr, haben da aber flugs die alte Konzernzentrale in Tokyo verkauft. Wenn man das rausrechnet, hat sich der Gewinn bei den Jungs in diesem Jahr sogar fast verdoppelt.
Du lässt die Konsole am Strom, selbst wenn du sie nicht benutzt, du kleine Umweltwutz?
Nein, ich bin ein vorbildlicher Stromsparer und habe alle Geräte an einer abschaltbaren Steckdose hängen, die ich sogar ab und zu aus mache.
Solangsam beschleicht mich der Verdacht das auch dieses Game nicht die letzte Perle sein wird. Die PS2 will ewig leben.
Ich prognostiziere trotzdem mal: Es fängt jetzt auch kein Entwickler mehr an, was für die PS2 zu schreiben ;)
Kommt es an Shen Mu(e) ran?
Jetzt muss ich mich leider outen und sagen, dass ich Shenmue nicht gespielt habe.
Nein, an Shenmue kommt es nicht ran.
(sowohl Story also auch Atmosphäre). Ich empfinde es eher als die japanische Interpretation von GTA&Co.
Ne, weder noch. Eigentlich isses ein reines Story-Spiel. Das Gameplay an sich ist 08/15, Durchschnitt, teilweise öde, teilweise zäh.
Aber dafür ist die Story und die Art und Weise wie sie erzählt wird _richtig_ gut, kein Vergleich zu GTA. Von der ersten bis zur letzten Sekunde wird bei der Story ein so hoher Spannungsfaktor gehalten, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe. Es passiert ständig was, man will ständig wissen wie es weitergeht und muss sich so durch den Rest “hindurchquäen”.
Mich erinnerts in der Richtug fast schon an eine Light-Version von MGS. Mit etwas weniger Kitsch und deutlich weniger blabla.
Das Potenzial für die Serie wäre wirklich _riesig_ wenn man nur das ganze Drumherum etwas besser (oder etwas mehr Shenmue-like) machen würd und die Gameplay-Elemente aufregender wären. Auch wenns ne Steigerung zum ersten Teil ist.
Schräg finde ich vorallem, dass die Story einerseits einen recht hohen Anspruch an sich selbst hat und schon recht erwachsen ist, es aber andererseits so viele videospiel-typische Stilbrüche gibt, dass es einem die Haare zu Berge steht. Zufallskämpfe mit Typen die einem einfach so auf der Straße zum Kampf auffordern, erwähnte Schlüssel mit den komischen Items, Heiltränke, übertrieben arcadige Kämpfe und große Mafia-Bösewichte, die sich lieber mit Fäusten niederringen, statt die Sache mit einer Waffe schnell zu erledigen. Wenn die Story in die restliche Welt besser eingebettet wäre, dann wäre Yakuza GANZ groß!