Sogar in einem hochseriösen und kompetenten Umfeld wie dem deutschsprachigen Online-Spielejournalismus geht es nicht immer mit rechten Dingen zu. Warum das so ist, weiß keiner mit Sicherheit, aber manchmal scheinen Emotionen den professionellen Blick zu vernebeln. Eine gewisse Rolle könnte dabei ein bestimmter Klugscheißer-Knopf spielen, der anscheinend wie von Geisterhand gedrückt wird, wenn ein Resident Evil-Spiel aus der jüngeren Geschichte besprochen werden muss. Uralte und möglicherweise klitzeklein geschönte Erinnerungen an die unvergesslichen Resident Evil 1+2+4 werden hervorgekramt, die nicht nur mindestens die Quadratur des Kreises waren, sondern Gold scheißen und gleichzeitig Pullover stricken konnten. Dagegen müssen Resident Evil-Spiele der Neuzeit natürlich verblassen, anders geht es gar nicht. Und so werden Tastaturen zu Kanonen und dann wild auf Gameplay-Spatzen geschossen, die bei anderen Spielen nicht einmal eine Erwähnung wert wären. So wirkt es zumindest auf mich und ganz besonders bei Resident Evil: Revelations 2. Nicht bei allen Reviews, natürlich, aber doch bei vielen.
Was muss denn Resident Evil heutzutage so alles können, und zwar nicht nur gut, sondern hundsgemein gut? Horror und Grusel mit Retro-Herrenhaus-Flair, zum Beispiel. Immer. Nun, es bleibt bei verschluckten Krokodilstränen darüber, dass nichts mehr so ist, wie es mal war. Munition. Ganz wichtig, es darf nicht zu komfortabel zugehen. Das kriegt Capcom regelmäßig so gut hin, dass darüber kaum gemeckert werden könnte (geht natürlich doch, siehe unten). Die Rätsel müssen schwierig und besonders kreativ sein. Die Story und die Dialoge sollten filmreif sein, aber lieber noch über literarische Substanz verfügen. Mit der Action ist es ein zweischneidiges Schwert. Zu viel davon ist uncool und anti-retro, zu wenig aber auch ganz schlecht, irgendwie. Und die Höhepunkte, die müssen sein und wehe, nicht jeder Bosskampf ist ein solcher. Die prachtvolle Optik ist ebenso ein total entscheidendes Kriterium, auch wenn jeder darunter etwas anderes versteht.
Mal kurz vorausgeschickt: Mir gefällt Resident Evil: Revelations 2 gut, es ist meiner bescheidenen Meinung nach ein ordentliches Spiel geworden. Die Kampagne wie auch der Raid-Modus haben mich über einige Stunden hinweg sehr gut unterhalten und völlig zufrieden zog mein Spiele-Karawanen-Ich weiter zum nächsten Kandidaten. Müsste ich eine Note geben, wäre es eine 2. Nicht schlecht, oder? Es gibt hier und da richtig gut gelungene Passagen und dort mal ein wenig Leerlauf. Das passiert häufiger. Und ist nicht wirklich spektakulär. Aber es gibt nun mal diese großen, professionellen Kritiker-Emotionen und deswegen viele, viele Meinungen zum Spiel. Und genau diese schauen wir uns mal genauer an.
Wir beginnen mit dem ominösen Suspense-Faktor und tun mal so, als wäre der nicht subjektiv. Und zwar deswegen, weil Eurogamer es so für richtig hält.
„Das Problem … ist, dass nie Spannung aufkommt. Munition und Zeugs sammeln, weiterwandern, bis eine Kampfszene kommt, in der diese Munition dann aufgebraucht wird. Die Großzügigkeit hält sich auf den oberen Schwierigkeitsgraden in Grenzen, sodass es nie zu einfach wird, aber nicht für eine Sekunde habt ihr ein Gefühl der Spannung.“
Aha. Nie und nicht für eine Sekunde haben wir also angeblich Spannung. Abgesehen davon, dass in früheren Resident Evil-Teilen die eine oder andere Flucht vor dem Mob einen hohen Stellenwert hatte, gibt es nichts, was den von Eurogamer beschriebenen Rhythmus aus Resident Evil: Revelations 2 im Guten oder Schlechten von den Vorgängern INKLUSIVE Resident Evil 4 unterscheidet. Hier ist es aber langweilig. Obwohl sogar korrekter Weise auf das sauber gelöste Munitionsbalancing hingewiesen wurde. Gut, dann findet es Eurogamer halt nicht spannend, wenn man noch drei Schuss für fünf Mutanten übrig hat. Ich schon.
Für eine wichtige Review nutzt der Kritiker von Welt natürlich wohl dosiert hier und da ein Fremdwort. Das löst Eurogamer vortrefflich und deswegen darf man sich dann auch ordentlich widersprechen.
„So derivativ, wie das hier daherkommt, ist es ein Wunder, dass Capcom nicht auch noch zwei Handvoll Jump-Scares in den Mix warf. Die wären mir in diesem Fall sogar lieb gewesen, denn wenn die Szenarien in ihrer Vertrautheit und die flachen Spannungsbögen schon nicht für Schauer oder zumindest etwas Kribbeln sorgen, dann sollte einen doch zumindest mal etwas aus einer dunklen Ecke anspringen, mit dem man nicht rechnete.“
Obwohl der Kritiker eigentlich doch damit rechnete. Nicht ohne Grund spricht er von einem Wunder. Aber wehe, es hätte doch eine Handvoll Jump-Scares gegeben, aber hallo, dann wäre mal richtig was los gewesen! Ich fand es übrigens gut, dass die guten alten Schockmomente fehlten. Ersetzt wurden sie durch die unsichtbaren Viecher, die genau dann erledigt werden konnten, wenn Natalia, das kleine übersinnliche Mädchen, auf sie zeigte. Oder aber durch wilde Ballerei, die aber anschließend zwingend zu der erwähnten Munitionsknappheit geführt hätte. Warum man nicht einfach mal anerkennen konnte, dass eine kleine Panik aufgrund diffuser, schwer einzuschätzender Gegner auch seinen Wert hat, erschließt sich mir nicht – nicht zuletzt deswegen, weil es gut gemacht und nicht ganz so abgelutscht ist.
Selbstverständlich hat Spannung etwas mit der Optik eines Spiels zu tun. Diese zu bewerten muss nicht zwangsweise jedem leicht fallen. Warum und wieso ein Spiel eigentlich „gut aussieht“ und vielleicht sogar maßgeblich die Atmosphäre des Spiels ausmacht, mag manchmal kniffliger sein als gedacht. Wunderbar hat das Gamereactor gelöst, indem ihr zwölfjähriger Redaktionspraktikant erst einen haarsträubenden Vergleich anstellt um dann, nun, irgendwas zu schreiben, was auf jeden Fall negativ sein soll, trotz des Beifalls.
„Wer allerdings als Neuling loslegt, vielleicht sogar, nachdem er etwas wie The Order: 1886 gespielt hat, dem werden sofort einige Sachen auffallen. Die Grafik zum Beispiel ist im direkten Vergleich weit, weit unterlegen. Resident Evil: Revelations 2 sieht nicht hässlich aus, auf seine Weise ist alles sogar stimmig und völlig passend. Aber die Optik bewegt sich technisch in einer anderen Liga. Gerade in den dunklen Passagen wird das deutlich, denn sie sind einfach nur ziemlich dunkel.“
Niedlich ist sie, die Geschichte mit den dunklen Passagen, nicht wahr? Aber es stimmt ja durchaus: Technisch betrachtet ist Resident Evil Revelations 2 nicht der neueste Schrei. Ich mag dieses olle Unreal Engine 3-braungrau, dass uns Capcom präsentiert. Aber wer will, darf sich natürlich über die schwammigen Texturen und die kleinen Nachruckler nach den Ladebildschirmen echauffieren. Ich finde es wichtiger, dass alles an seinem Platz und stimmig ist. Die rostige Fabrikhalle ist so braun, wie sie sein sollte und die Kanalisation so grau, wie es sein muss. Alles wunderbar.
Wenn es um das Thema Action geht, könnten wir uns alle an den Händen halten und uns darüber freuen, dass die Call of Resi 6-Zeit mit Resident Evil: Revelations 2 vorbei ist. Man könnte, muss aber nicht, denn dieser Blickwinkel ist auffällig unprominent in den Kritiken behandelt worden. Mich erinnert Resident Evil: Revelations 2 in Sachen Äktschn eher an The Last of Us, denn der Rhythmus ist der gleiche. Unser Gamereactor-Spezi allerdings rechnete wohl mit etwas ganz anderem und ich würde schon gerne wissen, worauf sich das „wieder“ bezieht. Aber, immerhin, gibt es erneut ein wunderbares, fein formuliertes Lob:
„Dafür ist das Spielerlebnis wieder deutlich actionbetonter, schneller und auf eine komische Art zugänglicher. Das Gameplay ist viel weniger sperrig, als man es oberflächlich betrachtet vermuten würde.“
Was man halt so vermutet, wenn man möglicherweise noch nie etwas von Resident Evil hörte. Was darf man noch so vermuten? Rätsel, beispielsweise. Der Redakteur von GamersGlobal hat sich diesem Thema natürlich u.a. angenommen und korrekter Weise folgendes zu Protokoll gegeben, was für jede Episode gilt:
„Die Auftaktepisode von Revelations 2 gefällt mir … gut, da die Mischung aus Action, Rätseln und Ruhephasen stimmt.“
Mit gewohnt universaler Bestimmtheit weiß dagegen Eurogamer:
„Der ersten Teil-2-Folge fehlen diese Momente, genauso wie Rätsel oder irgendwas, worüber in einem Jahr noch geschwärmt würde: “Mensch, weißte noch, Revelations 2, Episode 1?”.“
Hach ja, wie wir uns alle noch an die Schalterrätsel aus den Spielen der 90er-Jahre erinnern. Mensch, weißte noch? Also: Es gibt Rätsel in Resident Evil: Revelations 2. In jeder Episode. Es sind meistens die erwähnten Schalterrätsel und sie sind nicht dramatisch. Sie sind nicht schwierig, sie sind hin und wieder leicht, aber sie sind vor allem … eine nette, kleine Abwechslung im Spielfluss. Wie es immer war in Resident Evil. Kein Grund, um wuschig zu werden. Hart auf hart kommt es dagegen bei den Dialogen und bei der Story. Wenn beides nicht stimmt, ist oft nichts mehr zu retten. Auch diesbezüglich hat Eurogamer natürlich eine sachlich geprägte Meinung.
„Für ein Spiel, das also ständig zwei Charaktere im Vordergrund hat, die miteinander müssen, egal was da komme, ist es beachtlich, wie wenig Substanz die Dialoge haben. Schon klar, das war in Resident Evil im Grunde nie anders, und es ist nichts, was man unter Berücksichtigung seiner Herkunft und mit dem oft reflexhaft zitierten Kasten-Bier-Abend unbedingt an die große Glocke hängen muss.“
Kann man aber trotzdem machen, nicht wahr? Vor allem dann, wenn man von den Gesprächen eine irgendwie geartete Substanz erwartete. Tut man das, lässt es sich natürlich leicht motzen. Mich störte geringfügig die Synchronisation, zumindest mehr als mancher Dialog. Es wird in Resident Evil Revelations 2 ein wenig mehr geredet als sonst, aber, mein Gott, so schrecklich schlimm empfand ich die Dialoge nicht. Dafür konnte ich mich mit dem jeweils zweigeteilten Missionen á zwei Personen anfreunden, die das Spiel storytechnisch tragen. Das Backtracking wurde dabei ganz ordentlich gelöst. Die jeweilige Location ist bei der Barry & Natalia-Kampagne meist bekannt, weil wir sie aus der Claire & Moira-Geschichte kennen – aber der Weg ist oft trotzdem ein anderer. Weil Zeit zwischen den Kampagnen vergangen ist, ein halbes Jahr. Das kann natürlich auch einen klugen IGN-Chefredakteur durchaus mal überfordern:
„Wer Gruselstimmung erzeugen will, darf sie nicht immer mit einer fahrigen und unkonzentrierten Inszenierung zerstören. So müssen wir beispielsweise an einer Stelle im Spiel zunächst zu einer Brücke laufen, obwohl wir bereits wissen, dass sie unbenutzbar ist – immerhin haben wir ja vorher selbst die Sequenz gespielt, in der sie beschädigt wurde.“
Hmm. Keine Ahnung, ob es gruseliger gewesen wäre, wenn die Brücke unbeschädigt gewesen wäre. Ich glaube nicht. Aber für die Story, so mainstream-mäßig sie sein mag, ist es durchaus positiv, wenn es Entwicklungen gibt in den zwei Kampagnen. Warum überhaupt alleine beim Gang zu einer Brücke eine Gruselstimmung aufkommen könnte, ist mir ein Rätsel, aber bei einer gefärbten Kritik kommt es auf so Kleinigkeiten natürlich nicht an. Schon alleine das Wort „immer“ aus dem Zitat oben zeigt, wie ernst es ein ausgewachsener Chefkritiker mit Resident Evil Revelations 2 meinen kann. Als ob jede Inszenierung im Spiel fahrig und unkonzentriert wäre. So ein Unsinn. Diese blödsinnige Review hat mich besonders gestört, weil ihr Autor sich ein Dreck um das Spiel schert.
Selbstverständlich gibt es fragwürdige Elemente in Resident Evil: Revelations 2. Musste es ein Episodenformat sein? Nö. Ist der Partner-KI-Teil in jeder Situation gut durchdacht? Nö, denn es macht das Gameplay an manchen Spielen arg sperrig. Sind die Bosskämpfe der Hammer? Nö, sie sind ein Witz im Vergleich zu Bloodborne. Aber ansonsten, ist es ein echtes Resident Evil? Yep, das ist es und somit das, was für mich zählt. Ich wollte ein Resident Evil-Spiel und genau das habe ich bekommen. Obwohl und gerade weil es sich in Struktur und Erzählform von den Vorgängern unterscheidet. Resident Evil: Revelation 2 beweist also alte Stärken und Schwächen und hat ein paar gute und ein paar irrelevante neue Einfälle. Und das ist alles natürlich keine Revolution, sondern einfach ein weiterer, durchaus lohnenswert zu spielender Vertreter einer liebgewonnenen Serie aus dem Horrorgenre. Und kein Anlass für großen Wind. Eigentlich.
4 Kommentare
Ich ignoriere ja größtenteils diese Presse. Weil ich mich eher auf Empfehlungen meiner Freunde oder von so Nischen-Blogs wie Polyneux verlasse. Kennt die jemand? :D
Und jetzt kommt ihr daher und erzählt mir was für dummes Zeug diese Presse schreibt?
Joa… danke, ich weiß nun wieder warum ich mich auf andere verlasse! ;)
Hab Lust auf Revelations 2, jetzt erst rech! ;)
Polyneux? Das ist doch dieses seltsame Spieletest-Ding, oder?
Polyneux? Ich finde diese Blog-Dinger ja generell ziemlich obskur…
Polyneux habe ich schon mal gehört, aber was sind Freunde?
Genau. Lügenpresse – halt die Fresse!
PS: Ich habe trotzdem keine Lust auf Resident Evil.